Judas Priest + Megadeth (20.06.2018, Mannheim)

JudasPriest Poster 05 316x447Bereits zum dritten Mal findet 2018 das Zeltfestival in Mannheim statt, und es ist das erste Mal, dass ich davon etwas mitbekomme. Nun möchte man zuerst annehmen, es läge an der Stilrichtung der ersten beiden Veranstaltungen, doch weit gefehlt. So illustre Namen wie SLAYER und ANTHRAX zierten bereits das erste Zeltfestival im Jahre 2016. Dennoch, der Name JUDAS PRIEST ist für mich der ausschlaggebende Punkt in diesem Jahr. Mit dem starken Album “Firepower” im Rücken können die Engländer eigentlich nichts falsch machen, und diese Vermutung sollte sich an diesem Abend mehr als bestätigen.

MEGADETH

Bevor die britische Metal-Schmiede ihren Stahl schmiedet, betritt eine nicht weniger bekannte Band die Bühne. MEGADETH bestreiten das Vorprogramm dieses extrem heißen Gigs, es sind ca. 28 Grad Celsius Außentemperatur, und durch die pralle Sonne konnte sich der Innenraum des Zeltes den ganzen Tag über gut aufheizen. Was beim Opener “Hangar 18” noch nicht ganz so extrem ins Gewicht fällt, ist beim späteren Abschied mit “Holy Wars… The Punishment Due” schwitzige Realität. Das wird ein sehr heißer Abend, und das behauptet in dem Fall nicht nur der Rücken-Schwitz, sondern bereits das vollständig durchnässte Shirt.

Entgegen den Erwartungen vieler Fans wird das Konzert als Vorband kein vollwertiges MEGADETH-Konzert. Ein Glück, dass ich bereits Anfang der Woche in Luxemburg der kompletten Setlist lauschen konnte. Denn das, was MEGADETH derzeit auf der Bühne liefern, ist schlicht phänomenal. Auch in dieser Kritik muss ich erneut darauf eingehen, dass MEGADETH technisch zu den versiertesten Bands unserer Zeit gehören. Diese Perfektion mit immer wieder wechselnden Bandmitgliedern aufrechtzuerhalten dürfte gar nicht mal so einfach sein. Dennoch bekommt es die Band auf die Reihe, und die derzeitige Konstellation aus Mustaine, Ellefson, Loureiro (Gitarre) und dem letzten Neuzugang Dirk Verbeuren funktioniert prächtig. Verbeuren spielt das Schlagzeug genau so, wie es für MEGADETH passend ist und erinnert mich persönlich sogar stark an Nick Menza. Das erwähne ich deshalb, da viele der letzten Live-Besetzungen bei einigen Songs doch Unterschiede spüren ließen. So kamen einige Songs zum Zeitpunkt der “Countdown To Extinction”-Anniversary-Tour live nicht ganz so auf den Punkt und klangen leicht versetzt. Damit möchte ich keineswegs Shawn Drover ans Bein pissen.

 

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MEGADETH solieren sich durch ihr Set wie eine gut geölte Maschine. Die Songs des immer noch aktuellen Albums “Dystopia” reihen sich nahtlos zwischen Klassiker der gesamten Schaffensphase. Daves Performance zu “Sweating Bullets” ist an diesem Abend umfangreicher als beim Konzert in Luxemburg und erinnert stark an die frühen Zeiten der Band. Die Songauswahl ist erneut richtig gut, wobei für mich “Poison Was The Cure” und “Tornado Of Souls” besonders hervorstechen. “The Conjuring” gab es auch an diesem Abend nicht zu hören, aber “The Mechanix” wurde erneut gespielt. Wenn dabei hinter einem ein Fan laut schreiend ausflippt “METALLICA, Jaaaa! Fuck Yeah! METALLICA!” und anschließend den Text von “The Four Horsemen” singt, kann ich ein wenig nachvollziehen, weshalb Mustaine den Song lange Zeit nicht mehr im Set hatte.

Dank In Ear-Monitoring dürfte der davon aber wenig mitbekommen haben, und somit ist es wenn überhaupt nur für den Fan peinlich. Doch auch der wird davon niemals erfahren, also sind alle glücklich und zufrieden und können nach “Holy Wars… The Punishment Due” nach Hause fahren. Moment, nach Hause? Sollte nicht noch eine britische Ur-Legende des Heavy Metal auf die Bretter? Definitiv ja, doch das vergisst auch Dave Mustaine bei seiner Verabschiedung irgendwie: “Kommt alle gut nach Hause und fahrt vorsichtig.”. Da ist wohl jemand den Opener-Slot nicht mehr gewohnt oder das feste Ansagen-Programm lässt keine Ausnahmen zu. Rundum jedenfalls ein sehr gelungenes Konzert und ein Top-Opener für diesen großartigen Konzert-Abend, der noch nicht einmal zur Hälfte vorüber ist.

Setlist MEGADETH:

Prince of Darkness (Intro)
Hangar 18
The Threat Is Real
Sweating Bullets
Dawn Patrol
Poison Was the Cure
Tornado of Souls
Dystopia
Symphony of Destruction
Mechanix
Peace Sells
Holy Wars... The Punishment Due

JUDAS PRIEST

Trotz der enormen Hitze ließ ich es mir nicht nehmen, meinen Platz in der zweiten Reihe zu behalten, schließlich weiß man nie, wie oft ich eine solche Gelegenheit noch mal bekomme. So schaue ich dabei zu, wie die Roadies nach und nach das imposante “Firepower”-Bühnenbild aufbauen. Hier erwartet die Fans keinerlei Überraschung, JUDAS PRIEST verwenden große LED-Leinwände in Kombination mit Aufstellern. Daran gibt es überhaupt nichts zu kritisieren, dennoch stehe ich auf die guten alten Einlagen, wie sie zum Beispiel IRON MAIDEN heute noch häufig verwenden. Jegliche Gedanken schwinden umgehend, als BLACK SABBATHs “War Pigs” laut aus den Boxen dröhnt und auch mir langsam klar wird: “The Priest Is Back!”.

Scott Travis erklimmt als erster die Bühne und nimmt für den starken Opener und Titelsong der aktuellen Platte seinen Platz hinterm Schlagzeug ein. Was nun folgt, ist mit Worten schwer zu beschreiben. Ich habe an diesem Abend mit allem gerechnet, aber keineswegs mit einem derart perfekten Konzert. Unmittelbar ist alles rundherum vergessen “Firepower” ist angesagt, und das nicht nur aufgrund der Hitze im Zelt. JUDAS PRIEST geben in den bevorstehenden 90 Minuten alles, und damit meine ich wirklich alles. Rob Halford ist derart gut bei Stimme, dass einmal mehr klar wird, welch grandioser Sänger er ist. Der Zustand zu Zeiten der “Nostradamus”-Tour war fast schon unterirdisch, und nun trällert ebenjener Metal-Gott “Grinder” und “Sinner” derart gut, dass man zurück in die Achtziger katapultiert wird. Dabei muss ich immer betonen, dass ich lediglich ein Jahr der Achtziger erleben durfte, und in jenem Jahr ging es bei mir eher um volle Pampers und Babybrei als um Heavy Metal aus Birmingham.

Umso erfreulicher, dass ich an diesem Abend die Band noch einmal in der Form erleben kann. Die Energie von “The Ripper” schlägt mich anschließend regelrecht um. Was für ein Song, was für eine Setlist, was für eine Stimmung. Doch gleichzeitig trifft mich eine Erkenntnis mit voller Wucht, nach K.K. Downing ist nun auch Glenn Tipton nicht mehr dabei. Gerade beim doppelten Gitarren-Lauf von “The Ripper” wird mir das besonders schmerzlich bewusst. Nicht falsch verstehen, Richie Faulkner und Andy Sneap spielen das gesamte Konzert über technisch perfekt, und auch optisch fügen sich die beiden Ausnahme-Gitarristen bestens ein. Dennoch gehört für mich zu JUDAS PRIEST das Gitarren-Gespann Downing/Tipton so sehr dazu wie Lemmy zu MOTÖRHEAD. Erblickt man, wie gut JUDAS PRIEST dennoch sind, erfüllt es mich sowohl mit Stolz als auch mit großer Traurigkeit. Zum späteren Zeitpunkt des Konzertes wird Glenn über die Videoleinwand geehrt, dennoch bricht es mir fast das Herz zu sehen, dass er nun ebenfalls fehlt.

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Faulkner, von dem ich nur wenige Meter entfernt stehe, ersetzt das Gitarrenduo mit Bravour. Er hat inzwischen alle Bewegungsabläufe der ganz Großen im Repertoire und strahlt enormes Selbstvertrauen auf. Während des gesamten Konzerts spielt er mit den Fans und feuert ein Plektron nach dem anderen in die ersten Reihen. Auch ich bleibe zum Glück nicht verschont und erhalte ein Faulkner-Pick mit Darth Vaders Tie-Fighter auf der Rückseite. Welch Schelm, dass mir der Gitarrist derart sympathisch ist, obwohl ich früher niemals erwartet hätte, ein PRIEST-Konzert ohne Downing/Tipton zu sehen. Zur Gitarristen-Diskussion möchte ich abschließend noch erwähnen, dass Andy Sneap wirklich vorzüglich spielt und sogar einige Solos übernimmt. Es ist unverkennbar, dass der Produzent und Gitarrist großer Fan der Briten ist und den Platz des schmerzlich vermissten Tipton sehr gut füllt. Großartige Leistung Andy!

Nachdem mir die erste Single “Lightning Strike” live deutlich mehr gibt als auf Platte, folgt mit “Bloodstone” die nächste Überraschung, mit diesem Stück von “Screaming For Vengeance” hätte ich nicht wirklich gerechnet. Die Freude teile ich mit dem des Publikums und so wird von allen lautstark mitgesungen. Nun folgen gleich zwei Donnerschläge, dass “Stained Class” bereits 40. Jubiläum feiert, war mir nicht wirklich bewusst und lässt mich bei der Ansage von Rob erstaunen. Als anschließend die ersten Töne von “Saints In Hell” erklingen gibt es kein Halten mehr. Was für ein Song! Und was macht Rob Halford da auf der Bühne bitte? Die hohen Screams, die bei diesem Stück nicht gerade wenige sind sitzen alle, aber wirklich alle. Bitte mehr aus der Frühphase der Band.

 

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Ganz unerhört soll mein Wunsch nicht bleiben, nach dem über die Jahre zum Hit mutierten “Turbo Lover”, folgt mit “Tyrant” ein alter Fan-Favorit. Mit “Night Comes Down” lässt Rob die Fans kurzzeitig verschnaufen. Ein Stück, das unter die Haut geht und live die gesamte Magie entfacht, die JUDAS PRIEST ausmacht. Mit “Freewheel Burning” macht die Band im Anschluss keine Gefangenen und legt damit noch ein “Defenders Of The Faith”-Stück drauf. Auch hier sitzen die Dual-Lead-Parts verdammt gut und die Menge geht ordentlich mit.

Die ersten Klänge von “Guardians” kündigen “Rising From Ruins” an, einen meiner Favoriten der aktuellen Platte. Live knallt der Song ordentlich und macht von der ersten Minute an Laune. Die Einspielungen auf der Videoleinwand sind hier besonders imposant geraten. Nach dem obligatorischen “Breaking The Law” ertönen die Klänge, auf die eigentlich jeder im Publikum gewartet hat. Mein Nachbar im Publikum dreht sich grinsend zu mir um und kommentiert: “Das darf nicht fehlen.”. Was gemeint ist, ist der heulende Motor einer Harley Davidson mit der Rob Halford samt Peitsche bewaffnet auf die Bühne fährt. Das Publikum rastet bei diesem Anblick auch heute noch aus, und mit “Hell Bent For Leather” präsentiert die Band ein weiteres Meisterwerk ihrer langen Karriere.

Nun folgt der gekonnt in Szene gesetzte Schlussteil des Konzertes, hier spielt die Band die Hits “Painkiller”, “Metal Gods”, “You’ve Got Another Thing Coming” und “Living After Midnight”. Eingeläutet wird der Konzert-Block von Schlagzeuger Scott Travis, der ein wenig mit dem Publikum spielt, bevor er das legendäre Drum-Intro zu “Painkiller” spielt. Auch hier ist Halford überraschend gut, wobei “Painkiller” live noch immer so eine Sache ist. Mittlerweile bin ich aber der Meinung, dass es sehr hörenswert ist und unbedingt dazugehört. Mit dem anschließenden Dreiergespann aus klassischen Hits verabschiedet sich die Band von ihrem Publikum. Ein großartiger Konzertabend geht damit zu Ende, und auch wenn ich Glenn Tipton sehr vermisst habe, kann ich nur hoffen, dass uns JUDAS PRIEST noch lange erhalten bleiben. Denn das, was die Band derzeit live zu bieten hat, ist schlichtweg unglaublich.

Die Setlist war an diesem Abend grandios, und erst weit nach dem Konzert fiel mir auf, dass unter anderem “Electric Eye” fehlte. Doch eine Band mit derart vielen Hits wird niemals ein derart umfassendes Konzert spielen können, und an diesem hier lässt sich nur schwer etwas bemängeln. Schade nur, dass das letzte verbleibende Gründungsmitglied Ian Hill weiterhin so sehr im Hintergrund agiert. Mit sauberem Haarschnitt spielt der Bassist hinter Andy Sneap sein Bass-Programm. Hier hätte ich mir tatsächlich ein kleines Bass-Solo gewünscht, doch eventuell liegt das auch an meiner enormen Fanliebe zur Band.

Setlist JUDAS PRIEST:

Intro
Firepower
Grinder
Sinner
The Ripper
Lightning Strike
Bloodstone
Saints in Hell
Turbo Lover
Prelude
Tyrant
Night Comes Down
Freewheel Burning
Guardians
Rising From Ruins
Breaking the Law
Hell Bent for Leather
Painkiller

Metal Gods
You've Got Another Thing Comin'
Living After Midnight

Ein Konzertabend mit MEGADETH und JUDAS PRIEST? Da konnte eigentlich fast nichts schief gehen, und genau so stellte es sich letzten Endes auch heraus. An beiden Bands lässt sich nur ganz wenig kritisieren. Lediglich die hohen Merch-Preise fielen unangenehm ins Gewicht. Anfang der Woche in Luxemburg waren die MEGADETH-Shirts 5€ günstiger. Dennoch habe ich mir keines der Raubdrucke beim Auslass gekauft. Viel eher wollte ich den Pirat erschlagen, der die Shirts vertickte, denn auf diesen war noch Glenn Tipton abgebildet.

Ich bin bereits sehr gespannt, womit uns JUDAS PRIEST in Zukunft noch überraschen werden und welche Bands nächstes Jahr das Zeltfestival beehren werden. Wenn es da draußen noch Fans gibt, die davon ausgehen, Rob Halford könne nicht mehr singen, denen sei nur gesagt: “Schaut euch unbedingt ein aktuelles Konzert an. Schnallt vorher aber die Kinnlade gut fest, denn ‘The Priest Is Back!’”. (Pascal)

(Fotos: Klaus)

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