Dark Tranquillity + Equilibrium + Black Therapy (29.04.2018, Saarbrücken)

Darktranquillity tourplakatEs ist etwas seltsam, aber seit die Geschäfte bei DARK TRANQUILLITY gut laufen, rumort es im Bandgefüge. Waren die Wechsel an der Bassistenposition noch der Auftakt, so verschlang es im letzten Jahr beide Gitarristen, die zudem noch Gründungsmitglieder waren. Martin Henriksson hatte genug vom Touren und verdingt sich seitdem immerhin noch als Manager. Niklas Sundin wollte eigentlich nur eine Pause vom Touren nehmen, nun scheint es, dass Ersatzgitarrist Christopher Amott fest dabei ist. Unbeeindruckt davon macht das Rumpftrio mit neuen Leuten weiter, das letzte Album fiel wieder sehr stark aus, die Verkäufe sind gut und die Konzerte voll, auch wenn man mittlerweile viel unterwegs ist und jedes Eck abklappert. In dem Frühjahr stehen in Europa sehr viele Termine an, bei denen "Atoma" weiter beworben werden soll, die Besetzungen dabei sind unterschiedlich, bei den meisten reisen EQUILIBRIUM mit ihnen. Beim Gig in der Saarbrücker Garage, bei welchem NECKBREAKER vor Ort war, kamen noch die Schweizer MIRACLE FLAIR und die Italiener BLACK THERAPY dazu.

MIRACLE FLAIR
Ohne viel Federlesens gingen die Eidgenossen vom Line-Check direkt in ihren Auftritt über und sahen sich an dem Sonntagabend noch eher spärlichen Reihen gegenüber. Drei Vorbands beim Curfew um elf Uhr lassen solche Events recht früh beginnen, was nicht unbedingt gut ist für die ersten Bands. Ob die Unsicherheit des Quartetts daher kam, kann ich nicht beurteilen, so richtig befreit schienen die Musiker nicht. Vor allem Nicole Hartmann machte zu wenig aus ihrer Frontfrauenrolle und hielt sich sowohl beim Stageacting als auch bei den Ansagen merklich zurück. Dabei hätte ihre große, schmale Erscheinung schon ein paar kraftvollen Gesten bedurft, um zu wirken.
Wenn sie sich dann zwischen den Songs zu Wort meldete, kamen ihr zwar viele Dankesbekundungen, aber wenig Informatives über Liedinhalte über die Lippen. Dabei konnte sie stimmlich durchaus überzeugen, ihre Melodien trug sie klar vor, zeigte ein gewisse Variabilität, auch hier ein bisschen Verunsicherung durchschimmerte. Am aktivsten war noch Gitarrist Daniel Maurizi, der seine modernen Riffs mit Wucht von der Rampe brachte und auf der linken Seite viel in Bewegung war. Auch sein Spiel war sehr vielfältig, immer wieder baute er schön sphärische Passagen ein.

Das traf auch auf das Material zu, welches ausschließlich vom letzten Album "Angels Cast Shadows" stammte. Auch wenn die Stücke wie der Titeltrack, "Embracing The End" oder "Worth The Fight" durchaus zu gefallen wussten und interessant gestaltet waren, so erschwerte die stilistische Bandbreite den Zugang zusätzlich. Natürlich ist es interessant, wenn eine junge Formation so frei und unbekümmert drauf los komponiert, doch eine Identifikation fällt dadurch recht schwer.
In den ersten Liedern klangen die modernen Gitarren in Verbindung mit weiblichen Vocals nach LACUNA COIL, dann wieder kam das Ganze späteren THE GATHERING nahe. Da versuchte man unter den kompakten Arrangements ein paar progressive Töne heraus zu hören, gerade die angesprochenen sphärischen Saitenklänge erinnerten wiederum an aktuelle FATES WARNING. Das alles wurde wirklich gut in Szene gesetzt, doch für einen Liveauftritt überforderte es das wenige Publikum bisweilen. Schade, hätte man auf der Bühne den Mut wie im Studio gezeigt um die Leute wirklich mitzureißen, wäre da mehr drin gewesen als Höflichkeitsapplaus.

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BLACK THREAPY
Danach wurden die Anwesenden einer schwarzen Therapie unterzogen, wobei es hier eindeutig der Sound des Headliners war, dem eine gewisse Schwärze injiziert wurde. In Sachen Leadarbeit ist der Ruf von Göteborg bis nach Südeuropa gehallt, denn was die beiden Neuen Andrea Mataloni und Davide Celetti hier lieferten, war doch von erkennbarer Handschrift. Doch ganz abkupfern taten BLACK THERAPY nicht, denn wie schon erwähnt, hatte das Material einen leichten Black Metal-Einschlag, was sich vor allem im Gesang von Guiseppe Massimiliano Di Giorgio ausdrückte. Überhaupt war es schon erstaunlich, was der spindeldürre Frontmann da so aus seinen Lungenflügeln presste, von tiefen Growls bis zu Gekeife saß da alles.

Wenigstens konnten die Zuschauer mit dem stilistischen Gebräu etwas mehr anfangen, weswegen diese sich auch bemerkbarer machten, was nicht nur an der gestiegenen Mannstärke lag. Ein paar Köpfe mehr nickten da mit und die Fünf auf der Bühne taten auch wesentlich mehr, um jene in Bewegung zu bekommen. So war Di Giorgio oft am vorderen Rand der Bühne zu finden, und die Saitenfraktion machte mächtig Dampf. Bei den typischen Leads standen Mataloni und Celetti oft zusammen und ließen gemeinsam die Finger über das Griffbrett flitzen. Mataloni konnte dann auch noch das ein oder andere klassische Metalsolo beisteuern, was den Songs eine zusätzliche Facette verlieh und auch Hauch von finnischen Wäldern versprühte.

Dabei lag auch bei der zweiten Gruppe des Abends der Fokus auf dem derzeit aktuellen Langspieler, der ähnlich lange schon auf dem Markt ist wie der von MIRACLE FLAIR. Dafür fallen die Songs wie angesprochen homogener aus, wobei vor allem "Stabbed", "She, The Weapon" und das ansatzweise sphärische "Voices In My Head" am meisten überzeugen konnten. Mit eindeutig mehr Druck hinter den Kesseln, mehr Zug zum Publikum und einem insgesamt engagierteren Auftreten gingen die Römer klar als Sieger der Opening Acts hervor. Das Haupthaar sowohl auf als auch vor der Bühne kam ins Rotieren, so durfte es weitergehen.

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EQUILIBRIUM
Ging es auch, allerdings war nach einem Song erstmal Schicht im Schacht, denn die Technik streikte bei den Bayern, wobei nicht ganz klar war, was den genau kaputt war. Was allerdings erheblich störte, war der Umgang der Mannen mit der Situation, die irgendwie von einer Mischung aus Gleichgültigkeit und Hilflosigkeit geprägt war. Das war leider nicht das einzige, was massiv an dem Auftritt der Pagan Metaller gestört hat, denn so mancher dachte nicht nur in dem Moment kurz an MANOWAR. Ja, es hatte schon etwas von einem Soundcheck während des Konzerts und die Ansagen von "Robse" Dahn waren nicht nur da etwas grenzwertig.
Doch schon zuvor zog sich der Fünfer den Unmut meiner Empfindsamkeit zu, denn eigentlich hätten sie zu sechst auf die Bühne gehen sollen. Wenn eine Band so eine massive Wand an Keyboards und Orchestrationen in ihren Songs verwendet, dann sollte sie wenigstens einen Mann für die Tasten mit auf Tour nehmen, damit nicht die Hälfte vom DAT kommt. Steckenweise klang das schon nach Gitarrenuntermalung für ein Playback, wobei ja das jüngere Material ohnehin mit Elementen aufwarte, die nicht jeder Fan goutiert. Der Schreiber dieser Zeilen hat sich jedenfalls nach dem ersten Album von der Combo weg bewegt, weil er  mit den Beats und Bierzeltschunkeleien nicht mehr viel anfangen konnte.

Überhaupt ist von der Ursprungsformation wenig übrig geblieben, sogar Hauptsongschreiber René Berthiaume wurde an dem Abend vermisst. Natürlich muss man jedem Künstler seinen Weg zugestehen und der Erfolg gibt ihnen Recht, aber folgen kann ich dem nicht mehr. Wenigstens blieb "Turis Fratyr" dieses Mal nicht komplett außen vor, "Met" wurde allerdings nicht gebracht. Ein wenig Ironie steckt da schon drin, denn die Kritik an dem frühen Hit kann man gegenüber einigem, was an dem Abend gespielt wurde, viel berechtigter anbringen. Das Hauptaugenmerk lag auf dem Zweitwerk "Sagas", welches ja sein zehnjähriges Jubiläum feiert, und dem aktuellen Longplayer "Armageddon".
Auch das Stück nach der Zwangspause stammte aus dem 2016er Werk und ließ die ein oder andere Augenbraue mahnend nach oben gehen. Ist der Songtitel "Heimat" schon etwas negativ konnotiert, wird er in Verbindung mit anderen Schlagworten wie stolz schon bedenklich, Südstaatenrock "Made In Germany" vielleicht? Ohnehin fiel das Erscheinungsbild des Frontmanns schon ein wenig prollig aus, vor allem das gewollt lässige Herumstolzieren wirkte auf mich wenig sympathisch, wer nun an die Comebackrolle von Mickey Rourke denkt, liegt so falsch nicht. Allerdings ist es schon schade, denn wenn er vorne an der Rampe seine Grunts raushaut, hat das schon was mächtiges und einnehmendes, im positiven Sinne der Worte.

Ohnehin war die Band sehr aktiv, vor allem Gitarrist Dominik Crey verdiente sich dabei gute Noten, war viel vorne zu finden und der Spaß an der Sache war ihm anzusehen. Hinter ihm schüttelte Markus Riewaldt unablässig sein Haupthaar über dem Undercut, hielt sich aber in Sachen Interaktion merklich zurück. Spaß an der Sache hatten auf jeden Fall die Zuschauer in der guten Stunde, von denen die meisten anscheinend über die zahlreichen Kritikpunkte hinweg sehen konnten. Viele waren auch extra wegen EQUILIBRIUM angereist, vor allem die französischen Grenzgänger, immerhin ist Pagan Metal bei unseren Nachbarn noch weitaus populärer als hier. So wurden Songs wie "Unbesiegt", "Blut Im Auge" oder "Der Sturm" abgefeiert, die Menge ließ sich gerne von "Robse" dirigieren und war bei jeder Aufforderung zum Hüpfen massiv in Bewegung, sogar die ersten Crowdsurfer des Abends wurden gesichtet. Allerdings wurdedie "Wall Of Death" vom Publikum eingefordert, die Band wollte dem Wunsch nicht im Wege stehen. Große Resonanz gab es jedoch nicht, vielleicht auch ein Hinweis, wie sehr EQUILIBRIUM in der Klischeefalle gefangen sind.

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DARK TRANQUILLITY
So hatten die Schweden nach erfreulich kurzer Umbaupause wenig Mühe den gut vorgeheizten Saal auf Betriebstemperatur zu bekommen, hier war die Stimmung von Beginn an oben. Dabei gab es erstmal Futter vom neuen Album, welches im Set sehr prominent vertreten war, während es von den beiden Vorgängern nur eine einzige Kostprobe gab. Sicher ein Indiz dafür, dass man sich nach längerer Durststrecke auch songwritingtechnisch gefangen hat, weswegen man auf die neuen Stücke baute, live war der Sechser ohnehin seit jeher eine Bank. Natürlich war es nach einem Klassiker wie "Fiction" schwer nachzulegen, doch nun geht es mit voller Kraft weiter, wobei abzusehen sein wird, wie sich das endgültige Aus von Niklas Sundin in Zukunft auswirken wird.

Allerdings hat man zumindest für die Bühne einen absolut passenden Ersatz gefunden, kaum einer weiß hart zu schreddern und gleichzeitig feine Leads vom Stapel zu lassen wie der frühere ARCH ENEMY-Mann. Sein Spiel war großartig, meist sehr konzentriert, sein Ton passte perfekt zu den Kompositionen von DARK TRANQUILLITY. Dafür ist Christopher Amott wie schon bei seiner alten Formation eher der introvertierte auf der Bühne, aber auch sein Vorgänger überließ das Rampenlicht gerne den anderen. Nur für die gemeinsamen Leads mit seinem Partner Johan Reinholdz kam er aus seiner Komfortzone heraus, um am vorderen Bühnenrand zu zocken, dabei suchte er auch mal den Kontakt zum Publikum.
Den suchte der zweite Gitarrist permanent, immer wieder feuerte er das Auditorium an, und gab mit seinem permanenten Headbanging die Übungen für die Leute vor der Bühne vor. Ihm war die Spielfreude und auch die Freude über die lauten Reaktionen anzusehen, sein Lächeln steckte an, er war einer der Aktivposten auf der Bühne. Dahingegen mimte der stets lässig über die Bretter schlurfende Anders Iwers die graue Eminenz der Göteborgszene. Er schien aber ebenso bester Dinge und beobachtete die Zuschauer immer sehr genau, während er immer mit einem Fuß da vorne auf der Box stand.

Chef im Ring war natürlich ganz klar Mikael Stanne, einfach der gelebte Frontmann vor dem Herrn und selbstredend bester Laune. Natürlich suhlte er sich gerne im Applaus der Menge, nahm "OhOh"-Chöre zu so manchem Lead freudig zur Kenntnis, aber man kaufte ihm eben dies angetan sein ab. Dafür gab er in den knapp eineinhalb Stunden auch viel zurück, war immer ganz vorne zu finden und fixierte jeden einzelnen Zuschauer ganz genau. Sein Stageacting, wie er mit einer Mischung aus Hingabe und Emotion über die Bühne stolziert, war wie immer eine Augenweide.
Diese exaltierte Gestik ist so völlig eigen und so großartig anzuschauen, er schien seine Songs förmlich zu leben. Dabei reichte ihm der Platz, den die Bühne bot manchmal nicht aus wenn er darauf herum tänzelte, beim epischen Rausschmeißer ihres angesprochenen Referenzwerkes stieg Stanne in den Photograben hinab, um seine Grunts den Anhängern direkt entgegen zu brüllen. Interessanterweise fand er in den vorderen Reihen eine Dame, welche die Parts, die auf Konserve von Nell Sigland stammen, in dem Gig gekonnt ergänzen konnte, wie fand er die nur?

Aber gerade dieser Titel zeigte auch, wie kompakt das Material der Truppe ist, immer wieder unglaublich, was da alles in so kurzer Zeit passiert. Leadfills, Soli, thrashige Abfahrten, tiefe Riffs, dann wieder sphärische Weiten, Mikael Stanne pendelte zwischen Kreischen und derben Grunts, packte aber immer wieder die Klarstimme aus. Das kam beim Publikum an, ebenso wie die Setlist, bei der neben der neuen Scheibe ihre wichtigsten im Fokus standen, der Reigen von "Damage Done" wurde bereits in der ersten Hälfte abgefrühstückt.
Jene Hits, die vor einem Jahr beim Supportgig für AMON AMARTH außen vor blieben, standen ebenso auf dem Programm, in welchem sich DARK TRANQUILLITY die Gassenhauer bis zum Schluss aufsparten. Da schnellten die Fäuste nach oben, die Haare flogen und die Security hatte alle Hände voll zu tun, die Lufthoheit zu erhalten, hier war klar, wer an dem Abend Chef im Ring war, auch wenn es keine Zugabe setzte. Trotz des personellen Umbaus bewiesen die Göteborger, dass sie im extremen Sektor zu den besten Liveacts gehören. (Pfälzer)

Setlist DARK TRANQUILLITY:
Encircled
Monochromatic Stains
Clearing Skies
The Treason Wall
The Science Of Noise
Forward Momentum
The Mundane And The Magic
Final Resistance
Atoma
Force Of Hand
Terminus (Where Death Is Most Alive)
Inside The Particle Storm
Wonders At Your Feet
TherinIn
Lost To Apathy
Misery´s Crown

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Kategorie: Konzerte