paradiselost tourflyerMit den letzten beiden Alben konnten die Briten wieder einige ihrer alten Fans zurück gewinnen, da sie stilistisch vermehrt zu den Anfangstagen gingen. Ob sie damit Anhänger im Gothicmetier, ihrem zweiten Standbein, verloren haben kann nicht so genau beantwortet werden, denn gerade das aktuelle "Medusa" lief wieder recht gut. Die Zeiten für die Düsterpioniere waren zwar schon mal besser, wie für das gesamte Genre, doch sie stehen in dieser Szene immer noch ganz oben. Mit der neuen Scheibe im Gepäck lässt es sich natürlich gut auf Tour gehen, dort kann man auch alle Anhänger der jeweiligen Phasen zufrieden stellen. Dieses Mal stand Saarbrücken schon beim ersten Abschnitt auf der Reiseroute. Unterstützt wurden PARADISE LOST dabei von PALLBEARER aus den Staaten, den Doomaufsteigern des Jahres sowie den portugiesischen Sludgedoomern SINISTRO.

SINISTRO
Als ich die Halle betrat, war der Gig gerade zu Ende gegangen, es lief noch ein seltsames Outrotape, welches auf eine eher entrückte Stimmung hindeutete. Leider war der Gig sehr früh angesetzt, da der Curfew am Wochenende nicht später, sondern wegen Discoveranstaltungen sogar früher war. Allerdings hätte man die Umbaupausen etwas kürzer gestalten, und so eine halbe Stunde später anfangen können. Für die Band muss das sicherlich keine leichte Aufgabe gewesen sein, denn das ohnehin verkleinerte Venue zeigte sich gähnend leer.

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PALLBEARER
Etwas voller waren die Reihen, als die Herren aus Arkansas in ihren Gig einstiegen, und sofort war der Raum mit schwerem Dröhnen gefüllt. Ich weiß nicht, ob das beabsichtigt oder dem immer ein wenig zweifelhaften Klang der Garage geschuldet war, aber Feedback und andere Soundüberlappungen zogen sich durchs ganze Set. Dazu war es sehr laut, was diese Effekte sicher noch verstärkte, aber womöglich war das auch ganz im Sinne der Formation.Vor allem beim Schlussakkord war das oft nur noch eine Soundkulisse aus übereinander gelagerten Schichten zu vernehmen, die total vernebelten.

Die Herren schienen in ihren Soundwogen regelrecht aufzugehen und suhlten leidenschaftlich darin. Massive Riffungetüme walzten alles platt, bevor die entrückte Atmosphäre durch den Raum flirrte. In den oft schier endlosen Kompositionen spielte der Gesang eher eine untergeordnete Rolle. Dabei bewiesen sich weder Bassist Joseph D. Rowland noch Gitarrist Bratt Campbell als begnadete Vokalkünstler. PALLBEARER setzten die Akzente woanders, in ihrem Zusammenspiel, das zwar nicht unbedingt tight war, aber sich schwer im Nacken der Zuschauer festsetzte.
Diese waren gut durchmischt, in allen Altersklassen und Stilrichtungen vor Ort. So sah man traditionelle Metaller, in die Jahre gekommenen Gothics oder gut situierte Neunziger-Mitläufer, die ihre Jugendzeit feiern wollte. Den größten Zuspruch bekamen die Epic Doomer von der Barträgerfraktion. Ob es nun Zufall ist oder ob der Schlagzeuger in der entschleunigten Szene mittlerweile gerne seinen Platz zwischen den Frontleuten hat, konnte der Verfasser dieser Zeilen nicht klar definieren. Ein wenig Platz nahm Mark Lierly seinen Vorderleuten schon weg, was vor allem Vorzeige-Hipster Rowland störte.

Natürlich stand das neue Langeisen „Heartless“ im Vordergrund, mit dem sie in dem Jahr einen großen Schritt nach vorne machten. Doch neben Titel wie „Thorns“ oder „Dancing In Madness“ gab es auch ältere Lieder zu hören. Was auffiel war, dass gegen Ende des Gigs der Anteil an melodischen Leads höher wurde. Hier konnte sich Devin Holt sehr gut mit Campbell ergänzen, wobei sie für so manche Gänsehaut sorgten. Vom guten Mann auf der linken Bühnenseite sah man aber nur selten das Gesicht, so sehr war er hinter locken und Bart in sein Spiel vertieft. Eine feine Doombreitseite, die belegt, dass PALLBEARER ihren Vorschusslorbeeren gerecht wurden.

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PARADISE LOST
Das Gute gleich zu Beginn: Greg Mackintosh ist nicht mehr blond! Ganz ehrlich, das sah auf den aktuellen Promophotos schon ansatzweise schlimm aus, und wollte so gar nicht zu dem Mann passen. Natürlich haben die Briten wie keine andere Band haartechnisch gelitten, doch das war zu viel des Guten, auch wenn man den Matten der Frühphase nicht nachtrauert. Ob es jetzt natürlich ein Iro sein sollte, steht auf einem anderen Blatt. Immer noch besser als sein alter Kumpel Nick Holmes, der mit seinem dick wattierte Mikro ein wenig wie der Moderator einer Verkaufsshow rüber kam, und dazu Beginn auch mit dementsprechenden Elan agierte.

Der Gesang von Holmes war zu Beginn auch nicht sehr überzeugend und seine Performance brauchte ein wenig um in die Gänge zu kommen. Der große Entertainer war er noch nie, doch bei den verhaltenen Publikumsreaktionen am Anfang hätte gerne etwas mehr Engagement kommen dürfen. Da half der Hitkanon nach dem Opener vom aktuellen Longplayer schon, denn als er die Menge zum Singalong auffordern musste, löste sich ein wenig die Distanz auf. Der früher stets grimmige Frontmann schien sogar Gefallen an dem mitklatschenden Auditorium zu haben, wobei das ja nicht unbedingt zum Image passt.

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Die Saitenfraktion hielt dafür immer ihre Positionen, wobei sie aber nie untätig herum standen. Aaron Aedy wippte unaufhörlich mit seiner Gibson, die rechte Hand immer schön synchron gegen die Richtung des Oberkörpers. Dabei sang er viel mit, obgleich er gar kein Mikro hatte, während sein Bart ebenso im Takt schwang. Da er mittlerweile wohl auch bei Nichtrasur kaum Haare oben auf dem Kopf hätte, lässt er es nun unten verstärkt sprießen.
Sein Partner, Hauptsongwriter Mackintosh bearbeitete auf der anderen Seite seine Flying V fast in der Bewegungsdynamik wie Michael Schenker, den Oberschenkel zwischen die beiden Flügel gestemmt. Sein Spiel ist das Herzstück seiner Kompositionen, die Leads sind seit jeher ein Fixpunkt im Kosmos von PARADISE LOST, und diese brachte er an dem Abend erhaben rüber. Bei einigen Nummern zeigte er sogar ein bisschen Siebzigerbackground, wie beim Pedaleinsatz im einzigen „Icon“-Song am Ende des regulären Sets.
Überhaupt bestand dieses zur Hälfte aus einem bunten Mix quer durch die Geschichte, wobei die meisten Veröffentlichungen zu Ehren kamen. Lediglich das Frühwerk und die allzu poppige Major-Phase wurden ausgeklammert, dennoch vermisste man schon „One Second“ oder „The Last Time“. Die andere Hälfte bestand aus Titeln der beiden angesprochenen letzten Scheiben, wobei man hier vor allem „Fearless Sky“, der monumentale Opener von „Medusa“ fehlte.

Doch die jüngeren Stücke machten sich sehr gut im Kontext der Show, wurden sie munter mit den Klassikern vermischt, und sogar noch als Zugabe zum Besten gegeben werden. Da hatte die Stimme von Holmes endlich ihre Form gefunden, so dass auch die gutturalen Töne saßen, ebenso wie die Kontraste zum melodischen und tiefen Klargesang. Dabei profitierte er davon, dass der Sound nun deutlich mehr Tiefe und Schärfe besaß und so manches Detail besser zur Geltung kam. Das goutierte die am Ende gut gefüllte Garage mit viel Applaus, PARADISE LOST haben erneut gezeigt, dass sie immer noch die Meister des Düsteren sind. (Pfälzer)

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Setlist PARADISE LOST:
From the Gallows
Tragic Idol
The Enemy
Erase
Gods Of Ancient
Enchantment
Medusa
An Eternity Of Lies
Faith Divides Us - Death Unites Us
Blood And Chaos
As I Die
Beneath Broken Earth
Embers Fire
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No Hope In Sight
The Longest Winter
Say Just Words

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