Rock am Bach 2010 - St. Wendel, Bosenbachstadion

rock-am-bach-2010.jpgEines der heißesten Wochenenden stand uns im Saarland bevor: Temperaturen über 35 Grad Celsius wurden angekündigt und eine ganz geringe Niederschlagswahrscheinlichkeit. Und genau dann sollte das mittlerweile 12. Rock am Bach - Festival über die Bühne gehen, dieses Mal auf dem neuen Gelände im alten St. Wendeler Bosenbachstadion. Hoffentlich haben die Veranstalter und Organisatoren ausreichend dafür vorgesorgt und sich auf eine bevorstehende Welle von dehydrierten und kollabierten Leuten eingestellt. Gerade im Zuge eines solchen Festivals wird ja gerne gefeiert. Da kommt zwar die Flüssigkeitszufuhr nicht zu kurz, jedoch kann übermäßiger Alkoholgenuss bei dieser Hitze auch andere Gefahren bergen.
Dennoch hingen freitags einige Wolken am Himmel, was die Durchsetzungskraft der Sonne zwar etwas minderte, aber dennoch für schwitzende Leiber sorgte. Die meisten Festivalbesucher suchten Schutz auf dem schattigen Hügel direkt gegenüber der Bühne und bildeten quasi zu den Die-Hard-Fans eine unfreiwillige Gegenveranstaltung (die Bands nannten sie liebevoll "The Hill People"). Gottlob war die Feuerwehr vor Ort, um ab und an mit Wasserfontänen für Abkühlung und Reinigung zu sorgen. Aber sowohl der Staub als auch das Wasser machten das Festival zu einem erinnerungswürdigen Ereignis, das leider anschließend durch das zu erwartende Unwetter ein jähes Ende fand. Aber noch sind wir im, Verzeihung, VOR dem heißen und furztrockenen Bosenbachstadion und suchen Einlass, denn die erste Band ist im Begriff zu spielen, jedoch bleiben die Tore verriegelt. Es ist 13:30 Uhr, die ersten Klänge ertönen aus der PA, aber erst eine Viertelstunde später erfolgt der Einlass. Das hat nicht nur mich mehr als frustriert...

 

Freitag, 09.07.

Blurred By Rain (13:30 Uhr)

Somit bleibt mir keine Möglichkeit, den Opener BLURRED BY RAIN zu fotografieren, und ich bekomme lediglich während meines Orientierungsrundgangs auf dem Gelände noch die letzten Töne ihres modernen und teils poppigen Alternativrocks vor dem noch spärlichen Publikum ab.

Sondaschule (14:10 Uhr)

Anders bei SONDASCHULE: Das Publikum strömt schon zahlreich trotz früher Stunde herbei, um ihre rar gewordenen Lieblinge endlich mal (wieder) live zu sehen. Die Stimmung ist bereits bei den ersten Songs bestens, ihr Mix aus Punk, Ska und Reggae wird lobend gefeiert, es wird mitgegröhlt und getanzt, und die Staubwolken machen den Blick zur Bühne nahezu unmöglich.

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The Haunted (15:05 Uhr)

Es folgt ein erwartungsvoller Auftritt der Thrashliga: THE HAUNTED haben mit ihren letzten Alben neue Wege bestritten und sich damit nicht nur Freunde gemacht. Jedoch direkt beim Opener „Bury Your Dead“ war klar, dass die Schweden nichts anbrennen lassen wollten und schoben eine Thrashgranate nach der anderen ins Rohr. Die gewählte Setlist stammt noch von der vergangenen Tour mit SLAYER und erwies sich als sehr erfolgreich, wie mir Gitarrist Jensen später mitteilte. Aber auch ohne SLAYER funktionierte das Liveset prächtig.

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Crowbar (16:05 Uhr)

Jetzt stand bereits das erste Highlight des Tages an, was sich meines Erachtens sogar als Gesamtsieger herausstellte: CROWBAR aus New Orleans betraten die Bühne, die sie, zumindest mal in unserer Gegend, schon sehr lange nicht mehr besuchten. Zwischenzeitlich mal fernab seiner anderen Bands zeigte sich Meister Kirk Windstein nicht nur in allgemein heiterer Laune, sondern auch bei beeindruckend guter Stimme, die man live so kaum gehört hat. Ein Klassiker nach dem anderen reihten sich durch das schwere und zähe Set, und nicht nur ich ließ mich von diesem Erlebnis mitreißen. Die doomhungrige Meute zollten den verdienten Tribut an die Mannen aus New Orleans und bewiesen, dass ein neues Album mehr als notwendig ist.

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Alexisonfire (17:05 Uhr)

Die nachfolgenden ALEXISONFIRE waren dann wohl eher was für das weibliche Publikum. Ihr moderner Emocore war allerdings nicht jedermanns Sache. Auch wenn die Band eigentlich durch ihre zahlreichen Tätowierungen einen eher rockig-asozialen Eindruck machte, sprach sie doch mehr ein junges und modernes Publikum an, das gerade für Sänger Georg Pettit mehrere spitze Schreie der Begeisterung übrig hatte. Reine Geschmackssache.

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Converge (18:20 Uhr)

A propos bunt tätowiert: eine der schillerndsten Figuren des unkonventionellen Hardcores ist garantiert Jacob Bannon, nicht zuletzt wegen seiner zahlreichen kunstvollen Tattoos. Der Sänger von CONVERGE gab mal wieder alles, sowohl stimmlich als auch körperlich. Wie ein Derwisch maß er jeden Quadratzentimeter der Bühne ab, schleuderte das Mikro umher und schrie sich die Seele aus dem Leib. Seine Mitmusiker standen ihm kaum nach und konnten vor allem musikalisch sowohl bei der Darbietung der neuen Songs vom Album „Axe To Fall“ als auch bei den älteren Klassikern auf ganzer Linie überzeugen. Was hier auf der Bühne abging, sucht seinesgleichen. Ein ehrfurchterregender Auftritt.

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Danko Jones (19:35 Uhr)

DANKO JONES hingegen ging es etwas ruhiger, aber dennoch rau und dreckig an. Die Rock-Ikone stellte sein neues Album „ Below The Belt“ vor, dessen Songs sich nahtlos in die Klassiker des restlichen Liverepertoires einreihten. Mr. Jones ist weiterhin der sympathische Motherfucker, der auf der Bühne immer wieder was zu sagen hat und die Massen mitreißt. Auch wenn die Alben für manchen zu sauber sind, ist die Band live immer wieder empfehlenswert.

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Wizo (21:00 Uhr)

Punk’s Not Dead. So auch nicht eine der bekannteren deutschen Vertreter namens WIZO, die sich nach langjähriger Pause wieder mal auf die Bühnenbretter wagten und ihre Evergreens ins deutschpunkige Publikum schmetterten. Von Alterserscheinungen keine Spur, und so kamen die Fans voll auf ihre Kosten.

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Flogging Molly (22:40 Uhr)

Der erste Headliner des Festivals hieß FLOGGING MOLLY. Die siebenköpfige Formation aus Irland ist bereits überall bekannt für ihre stimmungsverheißende folkgeschwängerte Musik, die sie mit den unterschiedlichsten, teils keltischstämmigen Instrumenten darbietet, und auch in St. Wendel hatten sie das Publikum auf ihrer Seite. Auch wenn die Mannen und Frauen teilweise nicht mehr zum jüngsten Eisen gehören, so gelang es Fronter Dave King jedoch im Handumdrehen, das Publikum zum Mitsingen und Tanzen zu animieren. Somit hatten die Iren das Publikum schnell auf ihrer Seite, und für Band und Publikum endete ein heißer und erfolgreicher erster Festivaltag.

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Samstag, 10.07.

Parachutes (13:00 Uhr)

Ebenso wie ihre Kollegen von BLURRED BY RAIN gewannen PARACHUTES den Vorentscheid und durften als lokaler Act den 2. Tag des Festivals einläuten. Energiegeladen und hochmotiviert ging es auf der Bühne zu trotz noch unbarmherzigerer Sonne und den wenigen anwesenden Leutchen, die sich aber nahezu alle als echte Fans zu erkennen gaben. Das musikalische Programm gestaltete sich recht abwechslungsreich, von hart bis zart, was Sänger Stefan Kinn nicht sonderliche Mühe abverlangte. Den Anhängern gefiel es, und jeder Versackte rund ums Gelände wusste nun, dass es wieder musikalisch weitergeht.

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The Mahones (14:00 Uhr)

Mit anfänglichen und zwischenzeitlichen technischen Schwierigkeiten schlugen sich die Iren THE MAHONES wacker auf der Bühne durch, die immerhin auf dieser Tour ihren 20. Geburtstag feiern. Im kleinen Rahmen wurde hier Irish Folk mit Schmackes angeboten. Nicht nur als Blickfang, sondern auch instrumentell fiel Akkordeonspielerin Katie McConnell auf, die der musikalischen Darbietung das folkloristische Kleeblättchen verlieh. Am Ende stieg die Stimmung immer weiter an, und die Sonne im musikalischen Herzen schien schon heller als am wolkenlosen Himmel.

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Gama Bomb (14:50 Uhr)

Time to thrash! Zurückversetzt in die wilden 80er, der Hochzeit des traditionellen Thrash Metal, durchforsteten GAMA BOMB ihr Set, die nicht nur musikalisch, sondern auch optisch keinen Zweifel daran ließen, wo ihr Herz schlägt. Wie ihre Landsmänner davor musste man sich natürlich auch als Englandgegner für den Rauswurf der Engländer aus der WM durch die Deutschen bedanken. Der Auftritt machte Spaß, und trotz fehlender bierernster Metalattitüde bekam man hier musikalisch ordentlich aufs Säckchen.

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Evile (15:50 Uhr)

EVILE aus dem Vereinigten Königreich knüpften dort an, wo GAMA BOMB aufgehört haben und nahmen den roten Faden standesgemäß auf, wenn auch eine Spur härter und ernster. Die Kritiken schießen ja in den grünen Bereich bei dieser Band, aber ich konnte leider nicht unbedingt das Besondere dieser Band ausmachen, auch wenn sie beileibe eine solide Thrashdarbietung leisteten. Aber vielleicht war ich auch einfach in dieser Zeit nicht mehr aufnahmebereit bzw. gedanklich schon bei den noch kommenden Bands.

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Maroon (17:00 Uhr)

Die deutschen Deathcore-Helden MAROON habe ich leider größtenteils verpasst, dennoch kann ich behaupten, dass diese Band nicht enttäuscht hat. Die Kommunikation mit dem Publikum stimmte, ihr teils grooviger, teils schneller brutaler Sound entsprach der Mehrheit des anwesenden Publikums, und die geforderte Zugabe bewies, dass die Fans nach ihrem Auftritt noch lange nicht genug hatten.

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Napalm Death (18:15 Uhr)

Ein erneuter Leckerbissen im Lineup: NAPALM DEATH gaben sich im Rahmen ihrer Sommerfestivaltour auch im Saarland die Ehre und lehrte das kleine Bundesland eine Lektion in Sachen Grindcore. Leider war zumindest anfangs der Sound sehr bescheiden, obwohl dieser für ein Festival eigentlich durchgehend mehr als gut war. Dennoch stemmten die Godfather Of Grind ihr historisches Set meisterlich und souverän, Frontmann Barney gab sich wieder mal durchaus freundlich und redefreudig, versuchte sich gut in deutschsprachigen Dankesreden und gab wieder Statements ab, die die schwitzende und schlammbesudelte Masse frenetisch aufnahmen.

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Suicidal Tendencies (19:45 Uhr)

Mit welchem Song beginnen SUICIDAL TENDENCIES wohl ihren Set? Was für eine Frage, natürlich mit dem Klassiker „You Can’t Bring Me Down“. Aber bei diesem Evergreen sollte es nicht bleiben, aus den Frühzeiten wurde fast jeder Hit ausgepackt, und bei jedem dieser Songs verglichen mein Kollege und ich unsere Gänsehautstärke. Ein Basser und ein Drummer, die musikalisch ihresgleichen suchen, sorgten ebenso für weit offene Münder sowie das Schnellredetalent von Chef Mike Muir alias Cyco Miko, und als am Schluss des Sets auch noch das halbe Publikum auf die Bühne gefordert wurde, kochte schließlich die Begeisterung über, die in nie enden wollenden „ST“-Chants anhielt.

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Sick Of It All (21:15 Uhr)

Auch diese Band hat jede Menge Klassiker, aber auch ein neues Album im Gepäck, und nicht nur das, trotz stetig steigenden Alters der New Yorker Haudegen nimmt die Bühnenpräsenz von SICK OF IT ALL immer weiter zu. Sänger Lou Koller brüllt sich bei jedem Song inklusive Ansage weg und misst die Bühne ab, während sein Bruder Pete an der Gitarre auch noch die dritte Dimension beansprucht und ebenso häufig in der Luft steht. Diese Jungs kommen nie außer Atem, da gibt es keinen Rückschritt, hier gelten nur über 100% konstante Bühnenshow und keinen Deut weniger. Respekt. Das Publikum dankte die erstaunliche Ausdauer mit einem der größten Moshpits überhaupt, der sogar bis um den FoH-Turm ging und nicht nur bildlich jede Menge Staub aufwirbelte.

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Killswitch Engage (22:45 Uhr)

Wenn auch für mich schon mehr als ein Headliner seinen Auftritt hinter sich hatte, kam nun das Finale in Form der durchaus erfolgreichen jungen Band KILLSWITCH ENGAGE. Oder auch nicht? Fast eine Stunde lang ließ man die Spannung der nun vollzählig sich vor der Bühne tummelnden Fans am Kochen, denn der Headliner wollte nicht nur erst die eigene Monitoranlage aufstellen, sondern auch sein eigenes Licht und einige andere zeitintensive Extrawürstchen wie zusätzliche Bühnenelemente auf der Bühne etc.. Was das noch mit Rock’n’Roll zu tun hat, ist mir schleierhaft, aber irgendwann war es dann doch tatsächlich nach einem unkonventionellen Intro soweit, dass die langersehnten Helden die Bühne betraten. Direkt mit Vollgas und Hit an Hit hatten die Amis das Publikum auf ihrer Seite, Sänger Howard Jones bewies seine stimmlichen Fähigkeiten zwischen melodiösem Gesang und aggressivem Geschrei, während Aushängeschild Adam Dutkiewicz an der Gitarre wie gewohnt den Großteil der Show an sich riss und mit reichlich Grimassen und Gesten die Massen begeisterte. Als Zugabe gab es dann auch noch standesgemäß als Huldigung an den kürzlich verstorbenen Meister Dio’s „Holy Diver“, wo den Fans noch einmal alles abverlangt wurde und jeder, der es noch konditionsmäßig hinbekam, die allbekannten Zeilen mitskandierte. Dio selbst gefiel es wohl nicht so sehr, denn er schickte jede Menge Blitze vom Himmel. Hoffentlich haben wir ihm nicht auch das Unwetter zu verdanken, das ja teils verheerende Ausmaße annahm.

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Als Fazit bleibt nur zu sagen, dass auch trotz mancher organisatorischer Mängel ein geiles Wochenende zu Ende ging mit jeder Menge hochkarätigen Bands, lustigen Leuten und einem RaB-Team, das ein großes Lob verdient hat. Gerade die Security hat sich vorbildlich verhalten und nicht wie bei manch anderen Gesellschaften ein Ärgernis dargestellt. Danke dafür. Wir warten auf eine Fortsetzung in 2011.

Mehr Bilder gibt es in der Galerie.

(Jochen)

Kategorie: Festivals