SwedenRock-Festival (06.-09.06.2018, Sölvesborg (S)) - Samstag, 09.06.2018

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Samstag, 09.06.2018

THE NEW ROSES (4 Sounds Stage)
Für die weniger bekannten Gesichter der deutschen Absendung blieb lediglich der Openerslot vor zwölf Uhr, einem Zeitpunkt, zu dem die meisten noch mit dem Gang zum Gelände beschäftigt waren. Doch die Wiesbadener ließen sich davon gar nicht aus der Ruhe bringen und legten gleich ordentlich los. Ihre hemdsärmelige Version des traditionellen Hard Rock war genau das richtige zu einer eher unwirtlichen Zeit an einem letzten Festivaltag. Immerhin konnte die Formation schon im Vorprogramm von Liveabräumern wie ACCEPT und Y&T bestehen.
So war ihr Ruf auch schon bis nach Skandinavien durchgedrungen, denn ein paar Fans in der ersten Reihe schienen mit ihrem Material recht vertraut. Zum Auftakt gab es erstmal einen Reigen aus ihrem aktuellen Studioalbum "One More For The Road" mit Titeln wie "Every Wildheart" und "Dancing On A Razorblade", der deftig wie das erste Bier des Tages rockte. Auch vom Debüt gab es ein paar Stücke wie "Devils Toys", leider müssen bei solchen Gigs mittlerweile liebgewonnene Standards wie "Whiskey Nightmare" außen vor bleiben.

Am meisten Stimmung brachten "Life Ain´t Easy (For A Boy With Long Hair)" und "It´s A Long Way", bei denen die immer zahlreicher herein strömenden Zuschauer richtig mitsangen. Doch das war auch ein Verdienst der Band, welche die Leute vor der Bühne halten konnte, sie kamen einfach sehr sympathisch rüber und hatten so manche Mätzchen der Rockstars nicht nötig. Stattdessen setzten sie entgegen ihres Bandnamens auf ehrliches Handwerk, auch wenn sie durchaus eine dreckige Seite offenbarten. Die lag eher in ihren bluesigen Wurzeln verhaftet, trotz des Namens halten eher Acts wie JUNKYARD oder LITTLE CAESAR als Querverweis her.

In der Mitte gab Timmy Rough den souveränen Frontmann, der immer mit launigen Ansagen die Menge aufmuntern konnte. So erzählte er etwas augenzwinkernd, dass für ihn und seine Truppe ein Traum in Erfüllung gegangen ist, indem sie auf das SwedenRock eingeladen wurden. Lässig mit Bart und Spiegelsonnenbrille röhrte er seine Vocals heraus und suchte immer etwas Auslauf auf der engen Bühne. Sein Axtpartner poste eine Nummer schärfer, vielleicht auch weil Norman Bites etwas schärfer angezogen war.
Dabei spielte der Junge ein paar feine Soli, er war sicher der musikalisch stärkste der Band. Hinter ihnen konnten sich die beiden Sechssaiter auf die kompakte, trockene Rhythmusfraktion verlassen, bei denen Bassist Hardy wie gewohnt breitbeinig umher sprang. Mit der Leistung konnten THE NEW ROSES sicherlich ein paar neue Anhänger beim Hard Rock-affinen Publikum gewinnen. Am Ende gab es dann mit "Thirsty" die richtige Hymne für die Nachbrand-geschädigten Kehlen auf dem Gelände.

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DOC HOLIDAY (Rock Stage)
Vor sieben Jahren absolvierten die Amerikaner auch auf dem SwedenRock ihre Abschiedstournee. Doch ein Abschied muss ja nun nicht für immer sein und umso schöner präsentierte sich die Tatsache, dass die Herren aus Georgia nun doch wieder auf der Bühne standen. Obschon nur noch ein Originalmitglied, bereitete der Auftritt sehr viel Spaß. Gut, den ein oder anderen Kritikpunkt gibt es schon, aber die sind eher sekundärer Natur.
Während der ersten beiden Songs war der Gesang doch wirklich leise abgemischt, was sich glücklicherweise noch besserte und der Umstand, dass „Magic Midnight“ nicht zum Zuge kamen. Trotzdem konnte die Truppe einen guten Eindruck hinterlassen, was auch wenig verwundert, wenn man solch großartige Nummern wie „Last Ride“, „A Good Woman’s Hard To Find“, „Moonshine Runner“ oder, wie bei jedem DOC HOLLIDAY-Konzert zum Abschluss, „Lonesome Guitar“ in petto hat. Hoffentlich diese Livereunion kein einmaliges Unterfangen. (David)

CRASHDIET (Sweden Stage)
Es hat einige Jahre gedauert aber das Warten hat sich gelohnt. CRASHDIET sind zurück und haben mit Gabriel Keyes, nicht nur für Simon Cruz sondern auch für Dave Lepard (*1980-† 2006), einen würdigen Nachfolger gefunden. Sie starteten ihre Show mit dem Song „Tikket“ welcher schon für richtig Stimmung sorgte. Bereits bei dieser Einstiegsnummer wurde jedem anwesenden sofort klar dass der neue Frontmann den ehemaligen Originalsänger noch besser ersetzten konnte als einer seiner Vorgänger. Insbesondere merkte man dies bei den Songs die ursprünglich von Lepard eingesungen gesungen wurden, hier konnte Keyes mehr als überzeugen und die Fangemeinschaft sogleich für sich gewinnen.
Nun gut, das Wetter war großartig und schwedische Bands haben es in ihrem Heimatlang ohnehin leicht, dass Publikum auf ihre Seite zu ziehen. Doch dieser Auftritt war auch aus objektiver Hinsicht musikalisch mehr als gelungen. Obwohl das Stageacting eher statischer Natur war, kam zu keiner Zeit Langeweile auf. Bemerkenswert war zudem auch, dass auch die Stücke, die im Original von Simon Cruz eingesungen wurden, nämlich „Cocaine Cowboys“ und „Generation Wild“ den vorherigen Sänger zu keiner Sekunde vermissen ließen. Ein großartiges Comeback! (Cathrin)

SLADE (Sweden Stage)
Der Glam der Siebziger hat viel beeinflusst, was sich auf dem SwedenRock tummelt, Zeit also ein echtes Original aus jener Zeit auf die Bühne zu holen. Dabei sind die ganz großen Zeiten der Truppe sicherlich vorbei, die nicht relevant genug blieb, das letzte neue Material liegt auch schon drei Jahrzehnte zurück. Doch für Partyaction sind ihre Lieder immer noch zu haben und an einem schönen Festivalnachmittag gehen diese ohnehin. Dabei wollte vor allem Urgestein Dave Hill hier noch die große Show abreißen, weswegen er auch gleich drei Podeste vorne platziert hatte, die er abwechselnd, wenn auch etwas schwerlich bestieg.

Nur hätte man sich zum Einstieg etwas Bekannteres als “Gudbuy T´Jane“” gewünscht, bei dem auch die nicht ganz so eingefleischten Zuschauer gut in das Konzert rein finden. Auch wenn Nummern wie die Ballade “Everyday” von vielen beklatscht wurden, ebenso vielen sagte der an sich sehr schöne Titel gar nichts. Das galt auch für das beschwingte “Coz I Luv You”, bei dem John Berry zum ersten Mal die elektrische Geige auspackte. So dauerte es bis fast bis zur Mitte des Sets, als die ersten großen Hits gespielt wurden, bis richtig Stimmung aufkam.
Die Fidel konnte gleich draußen bleiben, es war Zeit zum Hüpfen, der Achtzigersmasher “Run Runaway” hat zwar den mitunter sinnfreiesten Text, doch auch nach all den Jahren macht er immer noch richtig Spaß. Vom Namen her ziemlich identisch bot das einstige Jeans-Werbejingle “Far Far Away” dann beschwingtes Hippieflair und sorgte so für reichlich Mitsingalarm. Plötzlich ging etwas im Publikum, kein Wunder, wenn sich die Kehlen bei dem Seventies-Glanzstück erst richtig warm gemacht hatten.

Doch Folgenummern wie “My Baby Left Me” belegten das Dilemma, dass SLADE nur von ihren großen Erfolgen zehrten, Material aus der zweiten Reihe aber keine Abnehmer fand. Dabei war da musikalisch gar nichts zu bemängeln, alles wurde sehr sauber gespielt, die raueren Vocals übernahm Rhythmusgitarrist Mal McNulty, während die anderen von Bassist Berry kamen. Hinten gab Don Powell den kraftvollen Antreiber wenn auch die Beats recht simpel gestrickt waren. Und Hill selbst gab bei seinen Soli auf den Rampen immer alles, und ließ ab und an mal ein bisschen den Blueser raushängen.

Doch das Stageacting, die Art, das Publikum zu animieren, war bisweilen sehr altbacken und wirkte einfach aus der Zeit gefallen. Bei aller Liebe war das einfach sogar vom Retro-Zeitgeist überholt, solche Sachen wie mit den Füßen stampfen sind im besten Fall nostalgisch. Vieles hatte auch Fünfzigercharme, dieses naive Rock´n´Roll-Feeling kam damals wieder auf. Doch was seinerzeit vielleicht noch als gefährlich galt, hat sich auf Festivals, bei denen extreme Bands am Start sind relativiert, auch hier geht es verstärkt Richtung Oldieabend.

Das war schade, denn Lieder wie “Look Wot You Don” oder “Take Me Bak ´Ome” wussten eigentlich zu gefallen. Am Ende gab es dank “Mama, Weer All Crazee Now” dennoch Zugabe-Rufe, ein paar Klassiker auf die alle gewartet haben, standen ja noch aus. “My Oh My” ist heute noch ein wunderschönes Lied, das zu Herzen geht, bei dem alles mitsang und die Hände im Takt wog. Der gute Dave hatte in der Coda noch einen starken Moment, bevor er dann die absolute Hymne “Cum On Feel The Noize” anstimmte. Zum Abschied wurde der Partylevel nochmal hochgeschraubt, so dass jeder zufrieden sein konnte.

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STEELHEART (Festival Stage)
Die Kernkompetenz Hair Metal fand auf der diesjährigen Ausgabe des Events leider nur wenig statt, von den US-Bands konnte lediglich die Truppe um Goldkehlchen Mike Matijevic verpflichtet werden. Das war allerdings ein Bonbon für Anhänger dieser Spielart, sind die Jungs nur sehr selten auf europäischen Bühnen anzutreffen. Witzigerweise erlangte der Mann weit mehr Berühmtheit durch seine Rolle im Film "Rock Star" mit Mark Wahlberg und Jennifer Aniston als mit seiner Hauptband. Mit zwei Nummern von der fiktiven Filmband ging es denn auch los, wobei Matijevic vor allem beim stampfenden Opener mächtig Unterstützung mit den Gangshouts seiner Backingband bekam. Natürlich durfte die Frage nicht fehlen, wie sich Setkumpel Zakk Wylde am Vorabend schlug.

Die ersten richtigen Bandsongs stammten von dem superben Debüt, das seinerzeit mehr versprach, dass der Zweitling komplett außen vor blieb, sagt allerdings auch einiges aus. Und da stieg die Stimmung nochmals, auf diese Lieder haben viele ewig gewartet, unter anderem der Verfasser dieser Zeilen. Die Menge vor der Bühne hüpfte und sprang und der Frontmann legte sich auch mächtig ins Zeug, um die Leute noch mehr anzustacheln. Das Jogi Löw-Lookalike mimte immer noch der Rockstar par excellence mit allen dazu gehörigen Posen. Ausflüge an beide Ränder der Bühne gehörten ebenso zum Repertoire wie das Flirten mit den vorderen Reihen.
Bei einem Song der neuen Scheibe stieg er in den Photograben hinab, schüttelte viele Hände und sang dann in dessen Mittelgang auf einem Stuhl stehend weiter. Die ganz große Geste packte er auch aus, indem er weit nach hinten lehnte, sein Mikro hochhielt und mit seiner Stimme Höhen erreichte, die auf keiner Skala verzeichnet sind. Dieses Organ hat ihn berühmt gemacht und von seiner Power hat es bis heute nichts verloren, dazu wusste er gesanglich auch in allen anderen Lagen zu überzeugen. Ob hart zupackend oder gefühlvoll in den Powerballaden, in denen er die Dynamik explodieren ließ, da saß jeder Ton.

So hatte er die Menge stets im Griff, auch weniger populäre Songs von den jüngeren Veröffentlichungen wurden begeistert aufgenommen. Das Zeug rockte einfach und sorgte für viele geschüttelte Mähnen im Publikum, auch wenn mit Joe Passia nur ein Gitarrist an Bord war. Dieser wusste aber vor allem mit seinen tollen Soli zu überzeugen und sich in Szene zu setzen. Dazu reihte er sich wie bei den ähnlich gelagerten Formationen in die schicke Aufmachung ein, sein Sänger stand da mit weit offenem Hemd ebenfalls in Nichts nach.
Auch der schwedische Bassist Martén Andersson hatte sich ganz dem Glamstyle der Eighties verschrieben, blieb aber unauffällig im Hintergrund. Nur einmal hatte er seinen großen Auftritt als er die schwedische Nationalhymne kurz auf seinem Langholz anstimmte und auch drei Tage später noch einige dazu einstiegen. Von hinten schob Mike Humbert das die Kompositionen mit seinen knalligen Breaks an, und hatte dabei einige Kunststückchen wie wirbelnde Sticks auf Lager. Am Ende gab es noch mehr Hits vom Erstling sowie zum Abschluss den stärksten Titel von "Wait", die mächtig abgefeiert wurden.

Setlist STEELHEART:
Blood Pollution
Livin´The Life
Gimme Gimme
Like Never Before
Cabernet
  -Drumsolo-
You Got Me Twisted
Never Let You Go
Everybody Loves Eileen
My Dirty Girl
She´s Gone
We All Die Young

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STRATOVARIUS (Sweden Stage)
Wenn schon das überlebensgroße Vorbild auftritt, darf eine der Speerspitzen der europäischen Power Metalbewegung zu Beginn des Jahrtausends nicht fehlen. Auch wenn man personell inzwischen stark verändert auftritt, sind die Finnen immer noch gut im Geschäft. So schafften es auch mal die Kuttenträger vor den Headlinern von ihrem Lagerfeuer weg, um sie anzufeuern. So war dann auch der Platz gut gefüllt, als die Fünf zu bombastischen Klängen einliefen. Nicht weniger bombastisch war der Sound, den sie dann eine Stunde lang fuhren.
Allerdings in einem deutlich gehobenem Tempo, denn mit dem Opener ritt die Truppe gleich mal im gestreckten Galopp los. Überhaupt verlegte man sich verstärkt auf Songs mit dem Geschwindigkeitslevel, was natürlich bei der Kuttenträgerfraktion sehr gut ankam. Die eher epische Seite ihres Fundus kam ein bisschen zu kurz, ein „Kiss Of Judas“ fehlte vielleicht, obwohl gerade vom „Visions“-Album viel gebracht wurde. Es schafften ohnehin nur fünf Alben in die Setlist, neben den beiden letzten wurde vor allem Material aus ihren sicherlich stärksten Veröffentlichungen zum Besten gegeben.

Den Headbangertakt gab vor allem Mathias Kuipiainen vor, der permanent seine endlos lange Matte schüttelte. Dabei blieb er aber zumeist auf seiner linken Seite stehen, wo er seine schnellen Läufe heraus ballerte oder sich mit Jens Johansson bei den Soli duellierte. Daneben harmonierten die beiden aber auch sehr gut und brachten so den präzisen Speed mächtig nach vorne. Der Meister an den Tasten ließ sich mit seinem nach vorne geneigten Keyboard auch gerne in die Karten schauen, was vor allem bei den Technikfreaks gut ankam. Für die war es dann schade, dass von Rolf Pilve nur das Sperrfeuer mit den Armen zu sehen war, aber nicht das Durchtreten der DoubleBass.

Die Show hingegen überließen sie den beiden anderen das Feld in der Disziplin, wobei sich von den Instrumentalisten speziell Lauri Porra sehr um die Kommunikation verdient machte. Meist lehnte er cool über den Frontmonitoren und musterte das Publikum sehr genau, als ob er nach irgendetwas Ausschau hielt. Fragt sich nur nach was und ob sein freundliches Lächeln die richtige Adresse fand? Wenn gerade mal keine Monitorbox zur Verfügung war, auf die er seinen Fuß stellen konnte, während er lässig die dicken Saiten zupfte, dann war da ja noch der Keyboardständer von Kollege Johansson.
Tonangebend war natürlich Timo Kotipelto, der wie immer mit interessanten Ansagen durch das Programm führte. Das jugendliche Aussehen wie zur Hochphase der Band hat er zwar nicht mehr ganz, doch von seinem Elan hat er nichts verloren. Und seine Stimme hielt die Höhe über die komplette Spielzeit den kleinsten Wackler. Dabei war es egal, ob er eine neues Stück oder einen Klassiker ankündigte, alles wurde bejubelt. Zum Abschied war der Applaus dann doch bei einem Lied größer als bisher, der größten Gassenhauer wurde vielfach mitgesungen, teilweise war das Publikum ohne Kotipelto laut genug.

Setlist STRATOVARIUS:
Forever Free
A Million Lights Years Away
Speed Of Light
Dragons
My Eternal Dream
Paradise
Shine In The Dark
Black Diamond
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Unbreakable
Hunting High And Low

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YES (Festival Stage)
Der progressive Rock wurde in diesem Jahr etwas stiefmütterlich behandelt auf dem SwedenRock, doch ein ganz besonderes Schmankerl hatte man für die Freunde dieser Spielart übrig. Dabei schwelt ja schon länger der Streit um die Namensrechte, zumal die alte Formation nach dem Tod von Chris Squire ein Argument weniger hat. Wie zum Trotz wurden vorm Konzert Fahnen gereicht, auf denen "ARW=YES" prangte, weswegen ich das jetzt mal so übernehme. Ob man nun die Achtziger hinzu zählen möchte oder nicht, schon die beiden eröffnenden Stücke des "90125"-Hammers machten klar, dass diese auf keinem YES-Konzert fehlen sollten.
Gerade in der Livebearbeitung klingen sie deutlich mehr nach dem Erbe der Band als in der polierten Studiofassung. Doch ein Element aus diesem Klangspektrum war an dem lauen Abend das gewisse Etwas im Vortrag dieses erweiterten Trios. Der kantige Gitarrensound, diese Riffs machen die Songs flotter, rockiger, ohne ihnen auch nur das Geringste ihrer Grundstimmung zu nehmen. Zudem verlieh ihnen Trevor Rabin noch eine ungeahnte Griffigkeit, was vor allem für das weniger vertraute Publikum besser wahrzunehmen war. Mit dem Mann ist diese Ausführung sehr gut für die weitere Zukunft gerüstet, zumal er spieltechnisch brillierte.

Doch das Kompliment muss man allen Fünf machen, die da auf der Bühne standen, zusammen mit Louis Molino III am Schlagzeug und Ausnahmeviersaiter Lee Pomeroy zauberte sie den musikalisch klar besten Auftritt des gesamten Festivals hin. Da stimmte jede Note auf den Punkt, dass es schlicht atemberaubend war, da zuzuhören. Dazu verfügten sie über einen derart plastischen und wohl ausbalancierten Sound, der jedes Detail zur Geltung brachte. Das fing schon bei den Satzgesängen an, einer der größten Hürden der YES-Musik, in denen sich auch Pomeroy sehr gut einbringen konnte. Dass er nicht ganz den knarzenden Ton von Squire besaß, machte die Sache vielleicht noch runder. So kamen auch die Siebziger-Stücke in allerbesten Versionen rüber, nur eben vielleicht ein bisschen entstaubt.

Was Rabin da auf der Gitarre zauberte, war einfach großartig, er traf genau den richtigen Ton, wusste auch seine härteren Anschläge exakt zu dosieren. Dazu brillierte er in den Soli und brachte da seine eigene Note mit ein, er hat einfach einen unverwechselbaren Ton. Mit unheimlich viel Gefühl zelebrierte er selbst die abgefahrensten Kaskaden, und zeigte dabei eine unfassbare Präzision. Mit seinem grünen Seidenhemd sah er etwas grenzwertig auf, ansonsten für sein Alter noch äußerst frisch. Vom gewöhnungsbedürftigen Outfit her wurde er noch von Rick Wakeman übertroffen.
Seine Glitzermäntel ist man ja gewohnt, doch eine Khaki-Hose und ein orangenes Shirt sorgten schon für Augenschmerzen. Doch wenn man eben Rick Wakeman heißt, ist das völlig egal, auch ob man stets etwas mürrisch dreinblickt. Wenn der Mann nur die Hand an einen seiner acht Synthesizer oder zwei Mini-Moogs legte, war Gänsehaut garantiert. Alleine schon wie butterweich er die analogen Synthtöne in der genialen Ballade von "Close To The Edge" empor steigen ließ, war magisch. Er schichtet Spur über Spur, bediente meist mehrere Keyboards gleichzeitig und errichtete wunderbare Klangkathedralen.

Das Verständnis mit den beiden neuen Musikern war ebenso vorzüglich, auch was die Kommunikation auf der Bühne angeht. Molino und Pomeroy setzten die idealen rhythmischen Kontrapunkte zu den großen Melodien. Für die war der einzig wahre YES-Sänger zuständig, über dessen Gesundheitszustand in den letzten Jahren viel debattiert wurde. Aber an seinen stimmlichen Fähigkeiten kann es sicher nicht gelegen haben, dass ihn seine früheren Mitstreiter vor die Tür setzten. Klar und ungemein melodisch setzte Jon Anderson dem Ganzen die Krone auf, sein emotionaler Ausdruck zog einen immer noch in seinen Bann. Dazu gab er wie immer eine Mischung aus Prediger und dem größten Hippie des Festivals neben GLENN HUGHES, seine spirituelle Aura manifestierte sich ebenso in seinem weißen Jacket.

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Dieses beschwörende Element zog sich durch das gesamte Set, man kam sich fast vor wie auf einer Messe, ebenso feierlich wurde auch die Musik kredenzt. Aus der ersten Rabin-Ära gab es sogar noch einen Song vom 87er "Big Generator", während es auch sonst ein paar Überraschungen gab. Vom "Yes Album" bekamen andere Titel den Vorzug gegenüber "Starship Troopers" den Vorzug, vom wohl größten Progwerk aller Zeiten gab es nur die bereits angesprochene Nummer, während Anderson noch viel in seinem Lieblingsalbum "Fragile" wilderte. Den größten Brocken gab es zur Freude der Zuschauer natürlich von "90125", die ein Wiedersehen mit lange nicht mehr gehörtem feierten.
Die ganz große Stimmung kam nicht auf und auch der Platz vor der Bühne war eher mäßig gefüllt, doch diejenigen, die tief in die Materie eintauchen konnten spendeten reichlich Beifall, teilweise gab es sogar Szenenapplaus. Besonders beim größten Hit der Formation, in dessen Mittelteil noch kräftig gejammt wurde. Neben der sensationellen Gitarrenarbeit von Rabin lieferte er sich ein Duell mit Wakeman, für das dieser die Achtziger-affine Keytar auspackte, als ob er nicht genug Tasten auf der Bühne gehabt hätte. Die übersprudelnde Musikalität offenbarte sich auch darin, wie die Band fast beiläufig die Rockklassiker "In-A-Gadda-Da-Vida" und "Sunshine Of Your Love" einflocht.

Ein ganz großer Abend, der die üppige Spielzeit von mehr als eineinhalb Stunden gerne hätte noch übersteigen dürfen. YES, oder auch ARW hätten Material für einen solchen Gig an jedem Abend in der Hinterhand. Wie erwähnt war dies keine Abgehmucke, doch der ideale Soundtrack für die fortgeschrittene Stunde des letzten Tages vor den Headlinern. Da liegt ohnehin immer so ein Hach von "Peace&Love" in der Luft und Jon Anderson war der perfekte Moderator für diese Stimmung.
Dass er und seine Mannen obendrein ein Feuerwerk höchster Güte abbrannten, brachte viele noch mehr zum in sich gehen und wegschweben. Wie es nun in deren Lager und dem der Konkurrenz weiter geht, weiß keiner zu sagen, doch jede Formation ist in der Lage der Rockwelt immer noch viel zu geben, nur ein "Union"-Debakel sollte man sich diesmal ersparen, die war ein authentisches YES-Erlebnis, das jeden Musikliebhaber in Verzückung versetzte. Selbst STEELHEART-Drummer Mike Humbert stand die ganze Zeit neben der Bühne und schaute voll Bewunderung auf.

Setlist YES:
Cinema
Hold On
South Side Of The Sky
I´ve Seen All Good People
Changes
And You And I
Rhythm Of Love
Heart Of The Sunrise
Owner Of A Lonely Heart
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Perpetual Change
Roundabout

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JUDAS PRIEST (Festival Stage)
Wie schon vor drei Jahren stand der Gig im Vorfeld unter keinem guten Stern. Zwar hatten die Wegbereiter des Achtziger-Outfits mit „Firepower“ ein sehr starkes Album vorgelegt, doch kurz nach Veröffentlichung wurde bekannt gegeben, dass Glenn Tipton wegen seiner Parkinson-Erkrankung keine Konzerte mehr spielen kann. Somit steht die Truppe ohne ihren Hauptsongwriter und Motor da, und keiner weiß so recht, was die Zukunft bringen wird. Als Ersatz wurde Produzent Andy Sneap verpflichtet, der schon bei HELL und SABBAT zeigen konnte, wie er die sechs Saiten beherrscht. Die Frage war natürlich, ob die Briten überhaupt noch existieren können, da jetzt beide Teile des legendären Gitarrenduos nicht mehr dabei sind. Und mit IRON MAIDEN hatte die direkte Konkurrenz zwei Tage zuvor ziemlich vorgelegt. Doch wie 2015 schlugen sie alle Zweifel in den Wind: „Saturday Night In Sölvesborg, Sweden And The Priest Is Back!“.

Bereits als die ersten Riffs des titelgebenden Openers des aktuellen Werkes aus den Boxen knallte, war klar, wer hier wieder alles regeln würde. Die Energie, die Leidenschaft, welche mit dem Longplayer zurückgekehrt ist, zeigte sich auch in der Livedarbietung. Die Maschine war geölt, die Rhythmen drückten unbarmherzig nach vorne und die Kreatur vom Cover schnaubte Feuer speiend über die großen Leinwände. Dieses Inferno sollte sich die ganzen neunzig Minuten fortsetzen, die Riffs peitschten in die Menge und zersägten alles, was sich ihnen in den Weg stellte. Bei bestem Sound zerberstete jeglicher Widerstand, das war purer Stahl, der sich heiß schmelzend in die Norje Bucht ergoss.

Dabei brauchten JUDAS PRIEST gar kein großen Effekte, ihre Songs sprachen für sich, Songs, welche dieses Genre wie keine anderen definiert haben. Nur ein paar Leinwände, die oft lediglich das Albumartwork zeigten , damit die Fans schon während der Ansagen rätseln durften, was ihnen als nächstes die Hirnrinde zerlegen wird. Natürlich durften Bilder von ausschweifenden Motorradtouren bei ihrem Image nicht fehlen wie ein paar gelungen Animationen, die die Atmosphäre unterstützten. Gerade bei den düsteren Nummern kamen diese perfekt zur Geltung und gestalteten die Stimmung noch unheilvoller. Dann wiederum wechselten simple Bilder punktgenau im Stampftakt und erzeugten so eine Sogwirkung, die alles zermalmte und aus der es kein Entrinnen gab.

Hauptverantwortlich für diesen Orkan war vor allem der nicht mehr so neue Mann Richie Faulkner, auf dem nun die Last der Verantwortung für die Bühnenshow lastet. Doch mit dem über die Jahre gewonnenen Selbstvertrauen wuchs er immer mehr zum Showman der Band heran und verfügt nun über die Ausstrahlung diese Rolle adäquat zu besetzen. Das ist eben genau das, woran Tim „Ripper“ Owens seinerzeit scheiterte, denn er verfügte nicht über die Erhabenheit, die man für Priest einfach mitbringen muss. Auch Faulkner agierte ein paar Jahre zu wild, weiß aber nun seine Energie in den Dienst der Sache zu stellen.
Wenn er in die Saiten haute, dann erbebte alles, er hat einfach das gewisse Händchen für den schneidenden Sound von JUDAS PRIEST. Bei seinen Soli zeigte er, dass er zur Riege der ganz großen Saitenartisten aufschließen kann, er haucht auch den schnellen Läufen ein notwendiges Maß an Gefühl ein. Die Art, auch wie er eine Beiträge heraus haut, hat etwas wirklich Mächtiges, seine Art sich zu bewegen ist ebenso von Lässigkeit wie von Euphorie geprägt. Alleine wie er einmal am Ende eines Solos sein Plektrum ins Publikum schleuderte war die ganz große Geste.

Diese besitzt natürlich ohne Frage sein Frontmann, der sich die Führungsrolle mit ihm teilte. Da bedurfte es nicht viel, ein Fingerzeig, ein Wehen mit dem stählernen Mantel und schon reagierte die Menge darauf. Er ist einfach die Eminenz der Szene, der Hohepriester des metallischen Glaubens und sein Anhänger folgten ihm nur bereitwillig. Bei vielen Refrains musste er gar nicht selbst zum Mikro greifen, sein Publikum erledigte diese Aufgabe zehntausendfach. Zwischendurch prüfte der Meister die Stimmgewalt seiner Schäfchen mit dem guten, alten „Shout! Oh Yeah!“ Die Judasjünger standen dicht gedrängt vor der Bühne und feierten die harte Messe nach allen Regeln der Kunst ab, schon lange vor Konzertbeginn war nach vorne kein Durchkommen mehr.

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Seine eigenen stimmlichen Fähigkeiten hat sich Rob Halford bis ins hohe Alter von 66 Jahren bewahrt. Kraftvoll kamen die wuchtigen Melodiebogen rüber und selbst die hohen Schreie meisterte er mühelos. Klar ließ er dieses Mal die Titel mit den ganz hohen Hürden zuhause, was seine Leistung nicht schmälern soll. Er liebt seine Songs und seine Fans und holte stets alles aus sich heraus. Unablässig stolzierte er auf der Bühne herum, ging die weiten Wege und spannte bei den Screams jede Faser seines Körpers an. Und natürlich durfte der Ritt auf die Bühne mit dem dicken Motorrad nicht fehlen, immer noch einer der Höhepunkte der Show, der wie immer diese archaische Kraft ausstrahlte.

Seine Nebenleute gaben dazu ein gutes Brett vor, der Topproduzent fügte sich überraschend gut ein und konnte eine gewisse Präsenz vorweisen. Meist stand er etwas im Hintergrund zum immer an vorderster Front agierenden Faulkner, dort suchte er oft die Nähe vom Bassisten-Uhrwerk Ian Hill, der swingte und pumpte wie eh und je. Bei seinen Soloeinsätzen, die ihm seine die Kollegen zahlreich zustanden durfte er ganz nach vorne in die Mitte und wurde oft von Halford persönlich präsentiert, auch das Zusammenspiel mit Richie Faulkner sowie die Wechsel der Soli saßen perfekt. Hinter ihnen thronte Scott Travis, der mit ebensolcher Präzision seine Felle gerbte. Speziell die ultraschnellen Hi-Hat-Salven der progressiv angehauchten Siebzigerstücke ließen einem den Mund offen stehen.

Von denen gab es einige im Verlauf des Sets, welches vor allem im ersten Teil mit regelrechten Sensationen aufwartete. Der Titel vom „Stained Class“-Langeisen wurde auf der Tour zum ersten Mal überhaupt auf die Bühne gebracht und schlug voll ein. Was wiederum nur beweist, aus welchem Fundus die Formation schöpfen kann, ohne dass sich irgendwer beschweren könnte, da sticht jedes Karte. Wer kann es sich schon erlauben, auf Kracher wie „Hellion/Electric Eye“ oder „Victim Of Changes“ zu verzichten, für die 99 Prozent aller Songwriter töten würden.
Aus den Achtzigern gab es dieses Mal zwei andere Titel von „Defenders Of The Faith“, die ebenso wenig ihr Ziel verfehlten. Wie stark JUDAS PRIEST ihr neues Material empfinden, zeigt sich, dass sich eine Stück davon in die Zugabe inmitten des Hitkanons schlich und dort eine gute Figur machte. Zuvor beantwortete Travis die Frage die Frage, welchen Song die immer noch hungrige Menge hören wollte höchst selbst mit dem legendären Drumintro zum Opener des 90er Killeralbums, der das reguläre Programm beschloss.

Nach der ersten Zugabe kündigte Rob Halford einen Mann an, der die huldigen Fans vor der Bühne ebenso lieben würde wie er. Und da kam er, in Baseballcap und mit Brille, die Krankheit beim Gang schon erkennbar, doch kaum schlug er die Saiten seiner Hamer an, war Glenn Tipton ganz der Alte. Beim finalen Triple aus bestem britischen Stahl agierte die Truppe mit drei Gitarristen und brachte das SwedenRock vollends zum Kochen. Wieder war es dem guten Scott vorbehalten die letzte Nummer mit seiner Schießbude einzuläuten, ein letztes Mal hüpfte die Norje Bucht, nun endgültig im Ausnahmezustand angekommen. Die Götter hatten ihren Olymp verlassen, um dem Volke eine Audienz zu gewähren: „Saturday Night In Sölvesborg, Sweden And The Priest Is Back!“.

Setlist JUDAS PRIEST:
Firepower
Grinder
Sinner
The Ripper
Lightning Strikes
Bloodstone
Saints In Hell
Turbo Lover
Tyrant
Freewheel Burning
When The Night Comes Down
You´ve Got Another Thing Coming
Hell Bent For Leather
Painkiller
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Guardian
Rising From Ruins
Metal Gods
Breaking The Law
Living After Midnight

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