SwedenRock-Festival (06.-09.06.2018, Sölvesborg (S)) - Freitag, 08.06.2018

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Freitag, 08.06.2018

VIXEN (Rock Stage)
Hach was haben wir sie geliebt in unserer Jugendzeit, Poster überm Bett, erste Band, die ich zweimal live gesehen habe, das komplette Fanprogramm eben. Im Zuge der Erfolge von WARLOCK und LEE AARON tauchten Ende der Achtziger haufenweise weiblich besetzte Bands in der Rockzene auf, vornehmlich im Hair Metal zuhause. Einer der talentiertesten und erfolgreichsten, deren Name bis heute ein Begriff ist, sind die vier Damen aus L.A., die heute wieder fast im Original-Line-Up unterwegs sind. Lediglich Gitarristin Jan Kuehnemund verstarb 2013 an Krebs, ihre Position nimmt mittlerweile Brittany Denaro alias Britt Lightning ein.

Schon 2005 in einem anderen Line-Up haben sie bewiesen, dass sie wie kaum eine andere Band auf dieses Festival passen, nun hatten sie den Slot in der Mittagssonne. Was die Männerherzen bei dem Wetter nun nicht gerade herunter kühlen ließ, denn auch mit Mitte fünfzig präsentierten sich die Vier optisch reizvoll. Zum Glück konnte die Zeit auch ihren Songs wenig anhaben, denn es waren vor allem die Stücke der ersten beiden Alben, weswegen sich schon so viele vor der Bühne eingefunden haben. Und von denen gab es an dem Tag reichlich zu hören, VIXEN wissen, was man von ihnen erwartet und sie hatten immer noch ihren Spaß an den Liedern.

Da gab der Opener des zweiten Albums mit eben jenem Titel den perfekten Einstieg, immerhin geht es da ums Gas geben. Und das taten die Damen auch, Sängerin Janet Gardner hatte zu Beginn noch die zweite Klampfe umgeschnallt, so dass die Riffs druckvoll aus den Boxen kamen. Und die Formation war bestens aufgelegt und spielte außerordentlich tight zusammen. Das sind alles klasse Musikerinnen, die bei einem früheren Bandstart das Zeug für ganz nach oben gehabt hätten.
Gardners Stimme ist über die Jahre sogar noch gereift, sie brachte viel Tiefe in die schon sehr kommerziellen Songs. Die weitaus jüngere Britt an der Leadgitarre rockte schön, konnte aber die teils funkigen Wurzeln der Riffs nicht ganz frei legen, begeisterte dafür mit ihren Soli. Share Pedersen drückte die vier Saiten mit den Fingern, was so manch männlicher Kollege nicht fertig bringt und brachte so noch mehr Wucht rein. An der mangelt es Roxy Petrucci ohnehin nicht, später stand sie noch mit MADAM X auf der Bühne.

So hatten sie es nicht schwer, die Menge auf ihre Seite zu ziehen, die sommerlichen Klänge lockten schnell weiter Zuschauer an. Das lag auch an der Präsentation, denn bei den Nummern, welche die gute Janet nur mit dem Mikro bestritt war sie viel unterwegs und viel um die Aufmerksamkeit der Fans bemüht. Sicher waren ihre Bewegungen nicht mehr ganz die dynamischsten, doch das machte sie mit ihrem Charme locker wieder wett.
Dafür hatte man ja jüngere Verstärkung an Bord, die immer wieder mit ihrem Spielgerät umher wirbelte. In Sachen Posing wollte sich aber Share Pedersen nicht verstecken und zog alle Register. Bei der Ashford&Simpson-Komposition durfte sie sogar den Leadgesang übernehmen, wobei man ein Cover nicht unbedingt gebraucht hätte. Das fügte sich aber gut ins Set, da man sich mit der Interpretation an den Versionen von W.A.S.P. und GREAT WHITE orientierte.

Überhaupt waren es die Stimmen der Damen, welche die Melodien großartig rüber brachten, die mehrstimmigen Refrains saßen sehr gut, wobei sie zusätzlich von Keyboarder Tyson Leslie unterstützt wurden, der etwas im Hintergrund geparkt wurde. Doch auch das Publikum erwies sich als durchaus textsicher, womit die erste Party des Tages gestartet wurde. Kein Wunder, schließlich kannten viele die Lyrics noch aus ihrer Jugendzeit, Nummern der späteren Alben blieben außen vor, kurz vor Schluss gab es aber noch einen Ausblick auf das kommende Studiowerk. Das zeigt, dass es mehr war als eine Nostalgieveranstaltung und VIXEN noch einmal durchstarten wollen.

Setlist VIXEN:
Rev It Up
How Much Love
One Night Alone
Cryin´
I Want You To Rock Me/Perfect Strangers
Streets Of Paradise
I Don´t Need No Doctor
Love Is A Killer
Love Made Me
Big Brother
Edge Of A Broken Heart

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PRETTY MAIDS (Festival Stage)
Etwa zur selben Zeit wie die vier Ladies waren auch die Dänen auf ihrem Zenit, im Gegensatz zu ihnen waren sie aber seitdem permanent aktiv. Aus der einstigen Hoffnung ist jedoch ein Act geworden, welcher den Zeiten ebenso hinterher jagt, wenigstens haben sie seit Jahren mal wieder eine stabile Besetzung. Doch sie wollen immer noch als relevanter Act wahrgenommen werden, weswegen sie auch mit Auszügen aus ihrem aktuellen Longplayer „Kingmaker“ ins Set starteten. Schon beim Erblicken des Backdrops mit dessen Artwork war dies ja klar, so zerschlugen sich die Hoffnungen auf eine weitere Tribute-Show für ihr Meisterwerk „Future World“.

Dieses wurde ja zuletzt zum dreißigjährigen Jubiläum öfter live komplett durchgezockt. Man muss es PRETTY MAIDS sicher zugestehen, dass sie auch aktuelles Material bringen wollten, doch gerade bei einem Festival wäre das ein nettes Bonbon gewesen. So bestand die Setlist zu gleichen Teilen aus Liedern der letzten drei Alben und den Hits der beiden ersten Werken, wobei „Red, Hot And Heavy“ recht schnell abgearbeitet wurde. Die Phase dazwischen wurde komplett ausgespart, auch wenn da besonders auf „Jump The Gun“ oder „Spooked“ einiges zu entdecken gewesen wäre.

Dass sie noch lange nicht zum alten Eisen gehören, zeigten sie schon beim Einlaufen auf die Bühne, wobei vor allem Bassist Rene Shades und Sänger Ronnie Atkins die Party rockten. Der Viersaiter mit dem Slash-Gedächtniszylinder war ein echtes Energiebündel, hüpfte ständig herum und suchte den Augenkontakt zu gefühlt jedem einzelnen Zuschauer. Er wird zu den Gesellen gehören, die den Catwalk der Hauptbühne vermissen, den er beim letzten Gastspiel so ausgiebig beschritt.
Sein Frontmann stand dem in nicht viel nach und ging auch ganz nach außen auf den Brettern, was an dem Tag aufgrund der fehlenden Aufbauten von IRON MAIDEN möglich war. Er wusste die Menge zu nehmen, ihr im richtigen Moment das geeignete Material zu servieren und sie immer bei Laune zu halten. Sein charakteristisches Organ hat wenig von seiner Kraft eingebüßt, auch wenn er manchmal etwas angestrengt wirkte beim Singen. Kein Wunder dass er sich bei dem Wiedererkennungswert immer wieder für Produktionen wie AVANTASIA empfiehlt.

Dahingegen blieb Gitarrist Ken Hammer von Stageacting her wie gewohnt blass, er stand meist in der Nähe des Drumrisers und blickte unter seinem Cowboyhut hervor. Aufgrund seines restlichen Outfits schien es fast, als wäre er komplett in deren Welt angekommen, in einer Countryband wäre er nicht aufgefallen. Doch was so lässig aussieht hat beim Spiel Feuer dahinter, gerade bei den schnellen Songs und vor allem den Soli gleiten seine Hände wieselflink über das Griffbrett.
Unterstützung bekam er ab und an von Chris Laney, der immer zwischen Tasten und Rhythmusgitarre wechselte und dabei den Sound richtig fett machte. Immerhin wurden ja die alten Titel mit zwei Gitarren eingespielt, so dass auch die Headbangerfraktion auf ihre Kosten kam. Wenn er seinen Bewegungsdrang hinter seiner Keyboards drosseln musste, waren diese erfreulich prominent heraus gemischt, so dass sich die Atmosphäre entfalten konnte.

Damit konnte man natürlich die Menge für sich gewinnen, der gute Ronnie bekam die Singalongs, die er haben wollte, selbst beim aktuellen Material. Natürlich waren die Reaktionen auf die altbewährten Titel größer, doch viele haben damals PRETTY MAIDS noch gar nicht auf der Rechnung, was zeigt, dass sie immer noch Fans generieren können. Leider gingen sie schon vor Ende der Spielzeit von der Bühne, da hätte sie sich besser was von H.E.A.T. abgeschaut. Zeit für mindestens eine Nummer wäre noch gewesen, zumal ich erneut „Yellow Rain“ schmerzlich vermisst habe. Die Partyattitüde des Showstoppers in allen Ehren, aber in Zeiten wie denen wäre ein Antikriegssong sicher angebracht gewesen.

Setlist PRETTY MAIDS:
Mother Of All Lies
Kingmaker
Fortuna Imperatix Mundi/Back To Back
Red, Hot And Heavy
Pandemonium
Bulls Eye
Rodeo
Little Drops Of Heaven
Future World
Love Games

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FOCUS (4 Sounds Stage)
Bedingt durch den diesjährig dilettantisch durchgeführten Getränkeausschank konnte es der geneigte Rezensent erst Mitte des ersten Songs vor die Bühne schaffen. Doch diesen kurzen Moment der Ärgernis erst einmal verdaut bot sich mich das wahrhaft positive Bild eines recht gut gefüllten Geländes vor der 4 Sound Stage. Nun sind FOCUS wirklich alles andere als Leichtgewichte im Hard´n´Heavy-Genre, aber Instrumental Prog ist bislang ja nun wirklich nicht massenkompatibel.
Die Band, die mit Thijs van Leer lediglich über ein verbleibendes Originalmitglied verfügt, wusste von Beginn an das Publikum auf seine Seite zu ziehen. Dabei agierten sie durchaus klug, „Eruption“ bereits als zweiten Song zum Besten zu geben. Auch darüber hinaus hatte man das Auditorium immer in der Hand, allen voran bei „La Cathedrale De Strasbourg“ oder selbstverständlich bei „Hocus Pocus“, als alle Dämme brachen und das gesamte Publikum eine wilde Party feierte. (David)

GRAVEYARD (Rock Stage)
Zeit zu entschleunigen, wenn die Sonne am stärksten brennt, da kamen die Klänge der Jungs aus Göteborg, die so gar nicht nach der westschwedischen Metropole klingen. Mit ihrem Zweitwerk zu einer der Führungskräfte der Retro Rockbewegung aufgestiegen, bekamen sie anschließend so manches nicht in den Griff, weswegen sie sich zwischendurch kurzfristig auflösten. Nun sind sie mit ihrem neuen Album „Peace“ zurück, das wenige Tage vor dem Gig erschien.
Während das etwas deftiger ausgefallen ist und eher die holprige Seite der Band offenbart, startete diese mit „Slow Motion Countdown“ von „Lights Out“ eher gemächlich in ihr Set. Diese kurz angeschlagenen Akkorde mit dem langen Nachhall sind typisch für diese Band und ließen einen so richtig in der Spannung der Kompositionen versinken. Hier stand endlich mal eine Combo auf der Bühne, die es verstand den Sound, der vor Jahrzehnten entwickelt wurde zu spielen ohne sich allzu sehr bei den Vorbildern zu bedienen.

Doch gerade mit dem neuen Langeisen müssen sie mit rockigen Tracks wie „Please Don´t“ aufpassen. Die zeitgemäße Weiterentwicklung von Siebzigerroots mündete schon einmal im Grunge, eine Richtung, die „Peace“ mit dem etwas schrammeligen Klang nicht fremd ist. Doch GRAVEYARD sind noch immer eindeutig zu identifizieren, weil sie so eigenständig agieren. Wenn ihre Songs dynamische Steigerungen anboten wie in „Bird Of Paradise“ oder „Uncomfortably Numb“ wussten sie am meisten zu überzeugen und mitzureißen.
Wobei das mit dem mitreißen schon ein wenig übertrieben ist, die Zuschauer schwelgten eher und tauchten tief in die Materie ein. Dazu bot sich das Wetter ja auch an, die durchaus hippieske Stimmung versprühte einen Hauch von Summer Of Love, auch wenn die Angelegenheit hier erst nach der nächsten Sintflut so matschig wie in Woodstock werden würde. Nach den Songs oder je nachdem zu deren Einstieg brandete Jubel auf, währenddessen gab man sich den beseelten Liedern hin.

Die Vier taten ihrerseits auch wenig, um die Leute richtig aus der Reserve zu locken, eher unbeweglich standen sie hinter ihren Mikrofonen herum. Dabei teilten sich Gitarrist Joakim Nilsson und Bassist Truls Mörck die Leadvocals, während Jonathan Ramm nur bei ein paar gekonnten Harmonien einstieg. Überhaupt war der Auftritt vor allem wegen ihrer Musikalität ein Erlebnis, dennso ein tiefes Bluesfeeling hatten nur wenige auf diesem Festival, auch wenn sie ihre Blueswurzeln mittlerweile in ihrer eigenen Stilistik komplett aufgeweicht haben. Ihr Vermögen mit wenigen Tönen viel zu sagen, war schon sehr beeindruckend, doch sie verstanden es auch zu rocken.

Nur dass sie selbst hierbei kaum aus sich heraus gingen, lediglich bei seinen Soli taute Ramm etwas auf. Viel lieber entschwanden sie in ihrer eigenen Welt und improvisierten gerne mal, um den psychedelischen Touch noch mehr zu verstärken. Dazu wählten sie ein ausgewogenes Programm, bei dem alle Alben bis auf das Debüt zum Zuge kamen. Den Abschluss bildete ein Triple vom erwähnten Durchbruchswerk, wobei vor allem das finale „The Siren“ wunderbare Emotionen weckte. Erst danach konnte die Menge wieder aus dem herrlichen Trip erwachen, auf den sie sich in diesen 75 Minuten eingelassen hat.

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MADAM X (Sweden Stage)
Vor vier Jahren verpasst, war ich nun wirklich glücklich, diese Combo doch noch einmal live sehen zu können. Interessant war hierbei, dass Schlagzeugerin Roxy Petrucci, bedingt durch Show mit VIXEN ein paar Stunden zuvor, an dem Tag zweimal innerhalb kurzer Zeit ran musste, was sie aber gut wegesteckte. Die Gruppe besteht noch immer aus allen Originalmitgliedern, die sich vor ein paar Jahren reformiert haben.
Gut eingespielt konnte sie von Beginn an überzeugen und begann sogleich mit zwei Songs ihres Klassikers „We Reserve The Right To Rock“. Danach wurde es zunächst verhaltener, da Songs neueren Datums zum Zuge kamen. Allerdings ist dies auch nur allzu verständlich, sind die aktuelleren Songs wirklich eher untypische MADAM X-Kost. Dennoch blieb jeder tapfer bis zum Ende stehen und durfte sich dann noch - wie sollte es auch anders sein - über „High In High School“ freuen. (David)

THE DARKNESS (Festival Stage)
Ungewohnt schüchtern betraten die einstige Rocksensation mit „Solid Gold“ die Bühne. Dies wirkte dann doch recht seltsam bedenkt man, dass die Gruppe bereits zum dritten Mal auf dem SwedenRock zu Gast war. Glücklicherweise legte sich diese Scheu nach dem dritten Song und die Band besann sich auf ihre typischen Stärken, nämlich einen ausgelassenen Party- und Glamrock. Dabei überraschte es, dass das Quartett kaum Songs vom aktuellen Album „Pinewood Smile“ spielte.

Gerade Songs wie „All The Pretty Girls“ oder „Happiness“, welches die aktuelle Single figuriert, hätten sich hierfür doch geradezu angeboten. Allerdings entschloss sich THE DARKNESS dann doch eher ganz auf Nummer sicher zu gehen und vornehmlich Tracks ihres Debuts zum aufzubieten. An sich wirklich kein kritikwürdiger Schritt, jedoch erwies es sich als sehr schade, dass an diesem Freitag eben nicht „Friday Night“ gespielt wurde. Dennoch wusste die Band zu überzeugen und haute am Ende ihres Sets, selbstverständlich „I Believe In A Thing Called Love“ und „ Love On The Rocks With No Ice“ heraus. (Catrin)

BERNIE TORMÈ (Rockklassiker Stage)
Der Dublin Cowboy lässt sich außerhalb der Britischen Inseln kaum blicken. Umso schöner, als er fürs SRF bestätigt wurde. Und diese Chance wusste er auch voll zu nutzen. Mit „Wild West“ stieg er ein und präsentierte einen Querschnitt all seiner Songs, ob nun bekannter oder unbekannter. Interessant und schön zugleich demonstriert sich der Umstand, dass auch „Star“ vom „Back To Babylon“-Album zum Zuge kam oder aber zwei Stücke aus GMT-Zeiten. Der mittlerweile auch schon 65-jährige Ire bedankte sich am Ende seines Sets nochmals überschwänglich bei den Fans und den Veranstaltern, denn damit dass so viele Leute vor der Rockklassiker-Stage vorstellig sein würden, hatte wohl niemand gerechnet. (David)

URIAH HEEP (Sweden Stage)
Und noch ein Siebzigerurgestein, welches den Weg nach Sölvesborg gefunden hat, wobei ich sie bereits das dritte Mal auf dem heiligen Rasen am Ostseestrand sah. Interessanterweise immer auf der gleichen Bühne, doch die sollte sich gerade bei der Formation bewähren. Die Briten haben ja für den kommenden Herbst ihr vierundzwanzigstes Studioalbum angekündigt, weswegen die Fans auf die Setlist gespannt ein durften. Beim letzten Stelldichein hatte man zwei Stücke des gerade erschienenen „Outsider“ im Gepäck, doch schon das Wah Wah-Intro des ersten Songs des ersten Albums machte klar, dass man hier mit einem Best Of-Set angetreten war. Lediglich einer der stärksten Titel der Neunziger, bei dem wunderbar mit der Dynamik Emotionen erzeugt wurden stammte nicht aus den frühen Siebzigern.

Man muss kein Prophet sein, um zu erahnen, dass dies genau das war, was die Anhängerschaft hören wollte. Sicher war da der ein oder andere immer aufgebotene Standard dabei, doch nicht jeder hat die Legende ein Dutzend Mal live gesehen wie der Verfasser dieser Zeilen. Doch sie kann immer noch überraschen, denn mit dem titelstiftenden Longtrack des fünften Albums hatte keiner gerechnet. Dieser wurde als Ode an die Hochzeit des Progressive Rock komplett mitsamt minutenlanger Gitarren – und Drumjam auf die Bühne gebracht, was sogar für Szenenapplaus sorgte. So war auch die Stimmung an diesem lauen Vorsommerabend prächtig, alte und auf jüngere Fans feierten ihre Helden. Die verließen sich auch nicht auf ihren Fundus an Rockklassikern, es war viel mehr die Art und Weise, wie diese zelebriert wurden.

Ihrem Ruf als exzellente Liveband wurden URIAH HEEP mehr als gerecht, bei der Form darf man Großes vom kommenden Longplayer erwarten. Die Spielfreude mit der die Herren zu Werke gingen war unglaublich, der Spaß war ihnen in jeder Faser anzumerken. Allen voran natürlich Obersympath und Mitbegründer Mick Box, der die Maschine seit fünf Dekaden am Laufen hält. Noch immer spielt er eine feurige Axt und haucht seinen Riffs Schärfe ein. Das Dauergrinsen war ihm offenbar ins Gesicht gemeißelt, er hatte auch allen Grund dazu, die Kommunikation mit seinem Publikum fiel sehr positiv aus. Um dieses noch besser zu unterhalten malte er mit der rechten Hand immer wieder Figuren in die Luft, während er die linke über den Hals seiner Gitarre wandern ließ.

Da brauchte es schon einen Frontmann, der sich da showtechnisch durchsetzen kann, doch seit mehr als dreißig Jahren turnt da Glücksgriff Bernie Shaw über die Bretter. Dessen Rastlosigkeit ist beeindruckend, er unterhielt nicht nur seine eigenen Leute, sondern vor allem die Menge da draußen und war an jeder Ecke der Bühne wiederzufinden. Sein elegantes Tänzeln, seine Mikroakrobatik hatte durchaus Rockstarattitüde, wirkte aber nie aufgesetzt. Dazu forderte er die Zuschauer immer wieder auf, noch mehr zu geben, wozu die sich nicht lange bitten ließen. Stimmlich war er ebenso in bester Verfassung, brachte die wunderbaren Melodiebogen perfekt rüber und meisterte sogar die ein oder andere hohe Klippe.

Doch es war keine Egoshow, hier stand eine Band auf der Bühne, die den Begriff verdient und miteinander agierte, da herrschte sehr viel Kommunikation auf der Bühne. Die fiel scheinbar öfter in kleinen Scherzen statt, so dass die Fünf bester Laune war, manchmal möchte ich schon wissen, was sie sich da gegenseitig zustecken. Der neue Bassist Davey Rimmer ist mittlerweile fest in der Band angekommen und mit ihm saßen auch die großen Chöre, welche den Sound von URIAH HEEP mittragen. Selbst ein Phil Lanzon im Hintergrund an den Tasten tat sich mit weitaus ausfallenderer Gestik hervor als so mancher Frontmann. Dazu ließ er seine Orgel röhren und hatte auch am Piano und Analogsynthesizer immer wieder sehr schöne Einsätze.

Hinten gab dann Russell Gilbrook den Motor, der die Songs mächtig nach vorne peitschte, für meinen Geschmack etwas zu sehr. Ich verstehe die Musiker voll und ganz, wenn sie sagen, dass er mit seinem Einstieg frischen Wind herein gebracht hat, schließlich ist das vierte Studiowerk innerhalb von zehn Jahren mit ihm im Kasten. Doch ab und an sollte man den Mann mit den kräftigen Oberarmen etwas an die Kette legen und ihn manche Passagen etwas gefühlvoller spielen lassen. Mit seiner Performance wäre er bei den meisten härteren Vertretern auf dem Festival gut aufgehoben gewesen.
Doch das war das einzige Manko eines Auftritts, der von der Menge begeistert aufgenommen wurde. Hier machte sich das nach hinten hochlaufende Gelände der Sweden Stage bezahlt, das so etwas wie Stadionatmosphäre zauberte. Da kamen die Gesänge der Anhänger noch mächtiger, nach manchen Titeln wurde gar die Leadmelodie noch lange mit „Ohoh“-Chören weitergeführt. Und dabei rede ich nicht mal von der Heavy Metal-Folkballade, wie Box sie nannte, die selbstverständlich am Ende auch noch kam. So geht altern mit Würde, bei der Formation ist der letzte Akkord noch lange nicht gespielt.

Setlist URIAH HEEP:
Gypsy
Look At Yourself
Stealin´
Sunrise
The Magicians Birthday
The Wizard
Between Two Worlds
July Morning
Lady In Black
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Easy Living

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INGLORIOUS (4 Sounds Stage)
Auf diese Jungs waren viele gespannt, kaum eine andere Band hat in letzter Zeit so viele überschwängliche Kritiken eingefahren wie die Briten mit schwedischem Gitarristen. Ihre zwei Alben wurden als die Zukunft des traditionellen Hard Rock gepriesen, nun musste sich der Sechser auf der Bühne beweisen. Das taten sie mal stilecht, wer den Bericht aufmerksam verfolgt hat, weiß wie sehr ich Bands schätze, die etwas auf ihre Optik geben, die sogar kurz vorm Auftritt nochmal das Haar durchföhnen, selbst wenn sie Hut tragen. Malmsteen-Gedächtnisjäckchen, Schmuck und sonstige Accessoires machten die Spätachtzigerehrerbietung perfekt.
Wobei so ganz in den Achtzigern sind die Jungs musikalisch nicht zuhause, die Siebziger schwingen immer mit. So etwa könnten WHITESNAKE klingen, wenn sie ihre Alben in Originalbesetzung heute neu einspielen würden. Man kann INGLORIOUS auch gerne als die Fortführung der Mission der einst so vielversprechend gestarteten BADLANDS ansehen. Wie die genannten Bands waten auch die Newcomer knietief im Blues und der Geist des Luftschiffs ist ohnehin allgegenwärtig. Doch das war er auch in der Zeit, in welche uns die Jungs katapultierten, damals als LED ZEPPELIN wieder als Einfluss galten und bis heute tun.

Bei aller Lässigkeit drückten schon bei der Eröffnungsnummer „Read All About It“ die schweren Riffs tief in die Magengrube. Für die ganz tiefen war Colin Parkinson zuständig, der seinen Bass auffallend hoch umgeschnallt hatte und die ganze Zeit seine Mähne schüttelte. Seine Kollegen an den sechs Saiten wechselten sich bei ihren Leads, wie etwa in „High Class Woman“, und Soli stets ab und spielten sehr gekonnt miteinander. Das notwendige Feeling brachten sie auf alle Fälle mit, wobei Andreas Eriksson der etwas aktivere der beiden war. Hinten gerbte der bärtige Phil Beaver mächtig die Felle, und hatte immer die nötige Dosierung zwischen forderndem Beat und offenen Arrangements, um dem Gefühl Raum zu geben. Davon profitierte auch der Gastkeyboarder, den sie neben der Backline geparkt hatten, um die feinen Orgellinien unter die Songs zu legen.

In dieser Qualität hatte man solche Musik schon lange nicht mehr gehört. Klar existieren reihenweise Hair Metalepigonen, doch die schaffen nicht den Sprung zu solch erwachsenen Kompositionen, ohne dabei an Dampf zu verlieren. INGLORIOUS hingegen schöpfen ihre Power erst aus dem Blues, der die ruppigen „Warning“ oder „Breakaway“ erst erdet. Sie beherrschen die gesamte Palette, ob angefunktes wie „I Got A Feeling“ oder getragene Hymnen wie „Holy Water“ und „Until I Die“ mit all ihrer Dynamik. Den echten Blues kredenzte die Formation in „I Don´t Need Your Loving“, während sie mit „High Flying Gypsy“ etwas zu nahe in die Umgebung von „Kashmir“ kamen.
Da braucht es schon einen gestanden Sänger, der diese Lieder auch ehrlich rüber bringt. Nathan James stand schon für das TRANSIBERIAN ORCHESTRA und ULI JON ROTH hinterm Mikro und brachte einiges an Erfahrung mit. Dennoch war es verblüffend mit welcher Inbrunst und Hingabe er die Nummern präsentierte, jede Phrasierung saß absolut auf den Punkt. Klar verfügt der Mann über einen mächtigen Klangkörper, die Tiefe in seinem angenehm rauchigen Timbre ist großartig. Dazu wusste er die Show mit seiner Präsenz an sich zu reißen, mit einem solchen Frontmann können weit größere Bühnen genommen werden. Ich freue mich jetzt schon drauf!

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STONE SOUR (Festival Stage)
So kamen wir noch kurz vor Ende zum Co-Headliner des Abends, als dieser gerade die Ballade „Through Glass“ intonierte. Hierbei machte Sänger Corey Taylor eine gute Figur und zeigte wie sensibel er stimmlich agieren kann, die umgeschnallte Akustische stand ihm ebenso gut. Die Emotionalität war schön zu spüren, ab und an nahm der SLIPKNOT-Frontmann seine Klampfe auf den Rücken und kniete andächtig auf den Monitoren. Auch das Soli von Josh Rand war gefühlvoll, auch wenn man den Musikern ansah, dass sie diese Zurückhaltung eher weniger mögen.
Da hatten sie beim folgenden „RU 486“ deutlich mehr Spaß an der Sache, der bärtige Johny Chow Am Bass und der neue Gitarrist Christian Martucci sprangen wie wild auf der Bühne herum, als die Post wieder abging. Die Riffs mahlten sehr amtlich und kamen sehr druckvoll und tight eingezockt aus den Boxen. Taylor legte sich ebenso voll rein, brüllte seine Vocals wie ein Berserker heraus und wand sich dabei auf der Bühne. Zum Glück fanden alle rechtzeitig zu ihren Mikrofonen zurück, um die fetten Gangshouts des Refrains anzustimmen.

Die hätte im Notfall ja noch das Publikum übernehmen können, das seinerseits voll mitgrölte und nach der kurzen Verschnaufpause voll abging. Überall fingen die Pits wieder an zu kreiseln, wobei ich ja Circle Pits nie verstanden habe, Begeisterung in allen Ehren, aber hier wird es für Nebenstehende eng. Dazu frage ich mich, was Menschen, die gleichförmig im Kreis laufen, mit Rock´n´Roll und Rebellion zu tun haben. Aber jeder wie er will, und so gab es noch einmal eine Möglichkeit sich auszutoben in Form von „Fabuless“ vom aktuellen „Hydrograd“, welches ebenso derbe von der Rampe geprügelt wurde. Die aufblasbaren Figuren aus dem Video zappelten dazu auch überdimensional auf der Bühne, was zum Abschluss für einen tollen Effekt sorgte.

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OZZY OSBOURNE (Festival Stage)
Nun war es angerichtet für den Madman, der sich auf seine gefühlte 31te Abschiedstournee begeben hat. Das überdimensionale Kreuz über dem Schlagzeug zwischen zwei Leinwänden kündigte Großes an, oder Unheilvolles, je nach Sichtweise. Angesichts seines Lebenswandels konnte man froh sein, dass er überhaupt noch irgendwie auf eine Bühne kommt und tatsächlich lief er vor vier Jahren, als ich ihn zum letzten Mal sah etwas unrund. Doch seien wir ehrlich, dieser Watschelgang gehört zu unserem alten Recken dazu, so dass es niemanden störte als er in seiner Robe auf die Bretter gestiefelt kam.
Spätestens als der Titeltrack seines dritten Albums angespielt wurde, ging es vor der Bühne umso mehr rund, das schnelle Riff ließ die Köpfe reihenweise bangen. Da stand die lebende Legende vielleicht zum letzten Mal da oben, da darf man keine Müdigkeit zeigen. So skandierte die Menge den kurzen, prägnanten Refrain auf Geheiß des Meisters, was dieser glücksselig zur Kenntnis nahm. Den Spaß hatte er immer noch in den Backen, für ihn gibt es nichts Größeres als für seine Fans zu singen, so lange es nur irgendwie geht. Zum Glück hatte er die Schaumkanone daheim gelassen, doch der Schalk saß ihm des Öfteren im Nacken.

Wie nicht anders zu erwarten und erhofft gab es ein Hitfeuerwerk der höchsten Güteklasse. Als Adam Wakeman schon beim zweiten Song die Orgel für das Intro anwarf, gab es kaum noch ein Halten. Manch einer war beim Ansingen etwas zu früh, ein Umstand aus dem Ozzy erst recht einen Scherz machte. Hauptbestandteil des Sets waren das Solodebüt und sein letztes überragendes Werk „No More Tears“ mit je vier Tracks. Vor allem die Balladen von letzterem luden das Publikum zur Interaktion ein, mal lautstark, aber auch mal in Form von ein paar Tränchen. BLACK SABBATH-Songs durften ebenso nicht fehlen, wobei er hier nicht ganz auf Nummer sicher ging, immerhin fehlte „Iron Man“ und „Black Sabbath“. Doch kann er da bei der Auswahl überhaupt daneben greifen?

Während er wie vor vier Jahren den Ring aus den weit hinten stehenden Monitoren kaum verließ, waren seine Mitstreiter weitaus aktiver. Reverend Blasko turnte mit seinem Langholz und Bart auf der Bühne herum und spielte sein Arbeitsgerät bevorzugt senkrecht gehalten. Zusammen mit Tommy Clufetos sorgte er für viel Groove, aber leider nicht für den richtigen Druck. Das geht vor allem zu Lasten des Drummers, der mir schon bei BLACK SABBATH missfiel, er trommelt etwas zu eindimensional, immer diese weit ausholenden Schläge, die aber irgendwo verpufften und kaum Dynamik brachten.
Da kam Zakk Wylde deutlich besser auf den Punkt, seine Riffs gehen schön tief, dorthin wo er seine Gitarre hängen hatte. Wohin er ab und an verschwand war nicht immer ganz klar, irgendwie schien er nur für die Zuschauer ganz außen zu spielen, in der Bühnenmitte sah man ihn recht selten. Mit Kilt und Rockerkutte war er eher gewöhnungsbedürftig gekleidet, dazu stapfte er irgendwie wie ein Holzfäller umher, was nun wieder das Bindeglied seines Outfits sein könnte. Die Mimik war die ganze Zeit recht finster, zumindest soweit man das sehen konnte, mittlerweile weiß man gar nicht mehr, wo der Bart aufhört und das Haar anfängt.

Am Ende des zweiten BLACK SABBATH-Songs zockte er sich in einer Art Jam durch diverse Klassiker seines Chefs, um dann in den Photograben hinab zu steigen. Dort nahm er auch wieder die Außenposition in Beschlag, stellte sich auf die Tritte der Absperrung und nudelte ein etwa zehnminütiges Solo herunter. Um noch cooler zu wirken spielte er irgendwann hinter dem Kopf weiter, in der Haltung ging es, die ganze Zeit am solieren, quer durch den Graben um sich den dortigen Anhänger zu präsentieren. Am Ende nahm er die Gitarre wieder runter, um in seinem typischen Schritt auch noch den Gang durch die Menge ganz nach vorne anzutreten. Selbstredend hielt er sich da auch ein Weilchen auf, während seine Axt fast schon jaulte, hier noch ein paar Leads, da noch ein paar Leads, dann ging es wieder nach oben.

So etwas kannst Du Dir halt erlauben, wenn Du Zakk Wylde heißt, witziger Weise wurde ihm auch noch das Kabel nachgetragen und die Bühne ist richtig lang, da würde Jon Schaffer vor Neid erblassen. Um sich und seine Gitarre etwas abzukühlen durfte Clufetos noch ein kurzes Solo spielen, wobei er mehr überzeugen konnte als mit seinem Rhythmusspiel. Das offenbarte irgendwie, dass hier nur fünf Individualisten auf der Bühne standen und keine Band, zu keinem Moment kamen die Musiker mal zueinander, um gemeinsam abzurocken, nicht mal Wylde und Osbourne.
Das war irgendwie schade, so dass man auch viel auf Showeffekte setzen musste, wobei man den Verfasser dieser Zeilen mit Lasern immer locken kann. Ozzy hingegen war dies egal, er musste sich mehr auf seine so langsam brüchige Stimme konzentrieren. Dazu war der Fürst der Dunkelheit ohnehin in seiner eigenen Welt, in der er die Leute immer wieder aufforderte „extra, extra crazy“ zu werden. Die ließen sich das nicht zweimal sagen und gingen bei der abschließenden Zugfahrt voll mit. Doch keine Show ohne den absoluten Durchdreher, mit der nach eineinhalb Stunden die Zugabe beschlossen wurde und der Sölvesborg auf den Kopf stellte.

Setlist OZZY OSBOURNE:
Bark At The Moon
Mr. Crowley
I Don´t Know
Fairies Wear Boots
Suicide Solution
No More Tears
Road To Nowhere
War Pigs
  -Guitarsolo-
  -Drumsolo-
I Don´t Want To Change The World
Shot In The Dark
Crazy Train
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Mama I´m Coming Home
Paranoid

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Photo von SwedenRock

MESHUGGAH (Rock Stage)
Wie kann man Wahnsinn noch steigern war die Frage, die einem danach in den Sinn kam. Die Antwort war irgendwie einleuchtend, nämlich mit noch mehr Wahnsinn, und den boten die Tech Death-Götter ganze 75 Minuten lang. Die Bühne kaum beleuchtet, selbst die Scheinwerfer an der Seite waren so eingerichtet, dass man die Musiker nur schemenhaft erkennen konnte. Diese Illuminationen steigerten die gespenstische und bedrohliche Atmosphäre zusätzlich, als ob das bei dem was die Fünf auf der Bühne veranstalteten nötig gewesen wäre.
Kurz ein paar flirrende Leads, dann brach mit “Clockworks” vom aktuellen “The Violent Sleep Of Reason” der Orkan los, die Töne flogen einem nur so um die Ohren, dass man kaum zu folgen vermochte. Breakgewitter zuckten über das Feld, Thomas Haake trommelte sich komplett ins Nirvana, kaum einmal hielt er einen Rhythmus über mehrer Takte. Er war der Taktgeber, der munter durch die Tonarten ritt und mit seinem mechanischen Beat alles niederwalzte. So wenig wie man den Songstrukturen in der Nacht noch folgen konnte, konnte man auch seine Bewegungen nicht erhaschen.

Die Saitenfraktion legte dann noch schichtweise Polyrhythmen drauf, bis ein irrsinniger Sog entstand, dem man sich kaum entziehen konnte. Im einen Moment im Gleichklang, im nächsten vollkommen dissonant, da prallten harsche Attacken gegen breite Flächen, da überholten tödliche Läufe die kernig runtergestimmten Ausbrüche. Wo ein Solo begann und wo endete war kaum heraus zu hören, oft wurde auf höchstem Niveau gedudelt, um dann wieder los zu shreddern. Was Fredrik Thordendal und Marten Hagström an ihren weit mehr als sechs Saiten veranstalteten, war schier unglaublich, diese Brillanz in all das oberflächliche Chaos zu bringen, war genial.

Dabei holten sie immer wieder über die gesamte Palette aus, neben diesen brutal abgehackten Riffmonstern konnte sie auch tief bis in die Hölle grooven. Ganz besonders bei den Stücken vom “Koloss”-Langspieler wie “Do Not Look Down”, wo sie die meiste Unterstützung von Dick Lövgren bekamen, der alleine sechs von den dicken Saiten aufgezogen hatte. Und wenn Thordendal wie in “Bleed” etwas das Tempo rausnahm, um diese hypnotischen Flächen einfließen zu lassen, die einem tief unter die Haut krabbelten, war das ganz große Kunst. Doch in diesen kurzen Phasen des Innehaltens und Schwelgens war jedem bewusst, was dann folgen würde.

Alle bereiteten sie den Untergrund, auf dem die wütenden Vocals von Jens Kidman hinaus getragen wurden, er war derjenige, der als Mediator zwischen der stoischen Instrumentalwand und dem Publikum stand. Wie ein Wilder windete sich der drahtige Frontmann in jede einzelne Silbe die er schrie, grunzte oder röhrte. Auf dem Steg vorne, den er für sich beanspruchte war er höchst agil und hatte eine manische Aura. Völlig irre, wenn der Glatzkopf da stand und in diesem unmenschlichen Takt mit dem Kopf nickte.
Diese Macht übertrug sich auch auf das Publikum, dass komplett mitging und in diesem Tollhaus gefangen war. Pits tobten immer wieder über den Platz, völlig egal, ob sie dadurch den Staubsatan des Todes evozierten. Die Djent-Begründer machten ihrem Ruf alle Ehre und bewiesen, wer immer noch die intensivsten Gigs abliefert. Dabei setzten sie auf Material der letzten drei Scheiben und auf Nummern von “Nothing” wie “Rational Gaze”, mit dem sie sich endgültig vom Todesblei abhoben, um ganz andere Sphären anzusteuern.

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