FMA 2019 - Die Woche davor

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fma 2019Die Färöer sind ein kleiner Archipel im Nordatlantik, ungefähr in der Mitte zwischen Island, Norwegen und Schottland gelegen. Die Landfläche ist etwa halb so groß wie das Saarland, aber nur ein Bruchteil der Fläche wird tatsächlich landwirtschaftlich genutzt oder bewohnt. Gerade einmal 51.000 Menschen verteilen sich auf die 18 Inseln, wobei nur 17 davon bewohnt sind. Bäume findet man auf den Inseln nur in Gärten und einigen wenigen Parks, außerhalb der Ortschaften wächst kein einziger Baum. Klippen ragen senkrecht teilweise mehrere hundert Meter aus dem Meer empor und steile, getreppte, unwirtliche Berge verraten den vulkanischen Ursprung des Archipels. Dank des Golfstroms ist das Klima sehr mild, im Sommer steigt das Thermometer nur an wenigen Tagen auf über 20°C, dafür ist es im Winter aber auch selten unter 0°C. Im Sommer sind die Tage lang und hell, im Winter ist es kalt und dunkel. Stürme können verhindern, dass Fähren fahren und Hubschrauber fliegen, so dass man auch schnell mal auf seiner Insel festsitzt. Ohne Fähre oder Flugzeug kann man das Land ohnehin nicht verlassen. Was macht man also, um sich an langen Winterabenden die Zeit zu vertreiben? Musik.

Auf den Färöern gibt es eine Musikszene, die ihresgleichen sucht. Gemessen an der Bevölkerungszahl ist die Musikszene riesig, es gibt eigentlich kein Genre, das nicht vertreten ist. Von klassischer Musik über Rock, Pop, Hip Hop, Jazz, Blues bis hin zu Metal findet sich alles. Unzählige Festivals und Konzerte finden das ganze Jahr über statt. Dabei ist man durchaus innovativ, es gibt Konzerte in privaten Wohnzimmern und nur vom Meer zu erreichenden Höhlen unter den Inseln genauso wie auf Bühnen von Weltformat und in kleinen Clubs. Viele Musiker spielen in mehreren Bands. Für Metalfans ist das nichts ungewöhnliches, in der Metalszene ist es ja durchaus üblich, dass Musiker in mehreren Gruppen unterwegs sind. Auf den Färöern geht man jedoch noch einen Schritt weiter und schert sich nicht um Genregrenzen. Man kann die gleichen Musiker sowohl an einem gediegenen Jazzabend, in einer Popband und einer Black Metal-Band sehen. Unter Umständen sogar am gleichen Abend.

Die Färinger sind zu Recht stolz auf ihre Musikszene, die nicht nur weitgefächert ist, sondern auch von überragender Qualität. Ich kann hier nach wie vor behaupten, noch nie eine schlechte färöische Band gesehen zu haben. Bands, die mir persönlich nicht gefallen, ja. Aber eine Band, die ihre Instrumente nicht beherrscht, die keine Songs schreiben kann? Nein. Selbst über ein eigenes Symphonieorchester verfügt man. Und dieser besonderen, kleinen und doch großen Musikszene widmet man im März eine ganze Woche. Im Jahr 2014 hat man die FAROESE MUSIC AWARDS (färöisch: Føroysku tónlistavirðislønirnar), kurz FMA eingeführt, wo seither die Besten des Landes gekürt werden. Doch das ist nur der Höhepunkt einer Woche, die unter dem Motto „Spæl føroyskt vika“ – Spiel-färöisch-Woche – steht. In Radio und Fernsehen wird nur färöische Musik gespielt und in der Hauptstadt Tórshavn finden jeden Tag Konzerte statt, deren Besuch zum Teil kostenlos ist.

Dieses Jahr gehörte ich zu einer Gruppe von Journalisten, Bookern und Festivalveranstaltern, die zu dieser Woche und den FMA eingeladen wurden, um tief in die färöische Musikszene einzutauchen und färöische Musik und Musiker kennenzulernen. Doch nicht nur das: Auch zahlreiche Ausflüge wurden für uns organisiert, um uns auch die Inseln selbst näherzubringen. Der Wettergott war dabei auf unserer Seite und wir hatten überwiegend herrliches Wetter. Ja, am dritten Tag habe ich mir sogar einen leichten Sonnenbrand geholt.

Ich wollte die Zeit auf den Inseln optimal ausnutzen und bin daher einen Tag früher als die anderen angereist. Bei meiner Ankunft regnet und stürmt es, die Wellen schlagen hoch an die Felsen. Kein Wetter zum rausgehen. Aber ideal, um die ersten kleineren Erledigungen zu machen, eine färöische SIM-Karte zu kaufen (als Nicht-EU-Mitglied gelten hier die Roamingregeln der EU natürlich nicht) und dem Roten-Kreuz-Second-hand-Buchladen einen Besuch abzustatten. Den Abend verbringe ich bei einem Freund, so spielt das Wetter keine Rolle. Am nächsten Tag starte ich dann in die Spæl føroyskt vika.

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Dienstag, 05.03.2019
Am nächsten Tag strahlt die Sonne vom Himmel, es herrscht so ziemlich das beste Wetter, das man sich wünschen kann. Nach einem kurzen Spaziergang durch die Stadt fahre ich mit dem Bus zum Fähranleger Gamlarætt. Gerade als wir ankommen fährt auch die Fähre „Teistin“ ein. Die Färinger schaffen ja, was wir hier in Deutschland nicht hinbekommen: Verschiedene Verkehrsmittel zeitlich aufeinander abzustimmen. Mit der Teistin geht es rüber nach Skopun auf Sandoy. Der Seegang ist nicht zu verachten und obwohl ich normalerweise recht seefest bin, bin ich dieses Mal doch froh, als wir endlich in den Hafen von Skopun einfahren. Von dort aus mache ich mich zu Fuß entlang der Straße auf den Weg zum Gipfel des Knúkur. Der ist mit 369 m der höchste Berg Sandoys (was übrigens die flachste Insel der Färöer ist).

Rund 2 km hinter Skopun zweigt ein Feldweg von der Straße ab, auf diesem geht es nun in Serpentinen weiter bergauf. Bis dahin eine sehr einfache „Bergwanderung“. Nur die letzten paar hundert Meter muss ich noch über freies Gelände laufen und – natürlich – einen Schafszaun übersteigen. Vom Gipfel aus hat man eine fantastische Aussicht. Im Süden sieht man wie an einer Schnur aufgereiht Skúgvoy, Stóra Dímun und Lítla Dímun, von Westen nach Osten sieht man Mykines, Vágar, Koltur, Hestur, Streymoy, Esturoy und Nólsoy. Und tief unter mir liegt Skopun wie eine Spielzeugstadt. Auch von hier oben sieht man den großen Briefkasten im Ort, der einmal der größte der Welt war. Auf dem Weg nach oben habe ich geschwitzt, nun weht es so eisig kalt, dass ich das Gefühl habe, mir würden die Finger einfrieren. Gerne würde ich Aussicht und Sonne hier oben noch länger genießen, aber es ist einfach zu kalt.

Der Weg zurück nach Skopun ist Entspannung pur, schließlich geht es nur bergab. In Skopun stelle ich dann fest, dass das öffentliche WC, das auf den malerischen Namen Pisshúsið hört(e), abgerissen wurde. Da heißt es einhalten, bis die Fähre kommt. Und bis die kommt, mache ich noch einen kleinen Spaziergang durch den Ort, wo ich diverse Hunde und Färinger treffe. Praktischerweise kann man von Skopun bis nach Gamlarætt hinüber sehen, so dass man sieht, wann die Fähre dort losfährt und weiß, wann man sich auf den Weg zum Hafen machen muss.

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Am Abend, um 21:00 Uhr, geht es los mit unserer persönlichen Musikwoche. In der Bar Hvonn, im Untergeschoss des Hotel Tórshavn gelegen, wird es ein Folk-Konzert geben. Hier treffe ich auch zum ersten Mal auf die ersten anderen Journalisten, die ebenfalls zu den FMA eingeladen wurden. Neben der Musik ist es nett, auch mal mit den Kollegen aus Deutschland, Dänemark und Grönland zu plaudern. Außerdem treffe ich auch noch meine Freunde Finnur Hansen, der später auch noch spielen wird sowie Uni Debess, der auf ein Bier und etwas Musik vorbeigekommen ist.

Zum Auftakt spricht Kristian Blak, die zentrale Figur in der färöischen Musikszene ein paar einführende Worte, dann legt eine Gruppe junger Mädchen los. Zu Beginn wirken sie, insbesondere die am Kontrabass, noch sehr schüchtern. Jede von ihnen stellt reihum eines der gespielten Stücke vor und mit der Zeit werden sie immer sicherer. Besonders für eine bulgarische Polka, bei der die vier auch noch (bulgarisch!) singen, bekommen sie richtig viel Applaus. Am Ende müssen sie sogar eine Zugabe spielen. Da sie damit anscheinend nicht gerechnet haben, gibt es einfach die bulgarische Polka noch einmal, und sie kommt genauso gut an wie beim ersten Mal.

Danach spielt eine weitere Mädchentruppe, anscheinend gemeinsam mit ihrer Lehrerin. Begleitet werden sie von Kristian Blak am Klavier. Der hatte grade keinen Hocker zur Hand und setzt sich trotz seiner mehr als 70 Jahre einfach auf einen Tisch als Hockerersatz. Gespielt werden wieder Folksongs, teilweise aus der Feder von Kristian Blak, z.B. „Álvastakkur“.

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Im Anschluss spielt Janus Trúgvason mit Band. Zunächst jedoch einmal ohne, denn bei den ersten drei Liedern begleitet er sich nur selbst auf der Gitarre. Erst beim vierten Song stößt dann auch der Rest der Band zu ihm. Finnur Hansen sitzt am abgewetzten Klavier, das zumindest äußerlich schon deutlich bessere Zeiten gesehen hat. Aber irgendwie sehen auf den Färöern die meisten Klaviere aus, als hätten sie schon mehrere Kriege überlebt. Auch der Vierer spielt getreu dem Motto des Abends Volksweisen, darunter auch „Grindavisan“, das einzige Stück das ich – dank TÝR – bereits kenne.

Als die vier fertig sind, spielt noch eine weitere Band, die gar nicht angekündigt war. Aber spontan passiert auf den Färöern ja öfter mal. Ich sehe sie mir jedoch nicht mehr an, dafür bin ich heute einfach zu müde. Ich unterhalte mich noch etwas mit Kristian Blak und den frisch kennengelernten Kollegen. Die sind alle heute erst angereist und entsprechend müde, so machen wir uns bald gemeinsam auf den Weg ins Hotel. Zum Glück können wir morgen ausschlafen.


Mittwoch, 06.03.2019
Da das offizielle Programm heute erst um 11:00 startet, bleibt nach dem Frühstück noch etwas Zeit für einen kurzen Spaziergang durch die Stadt. Das Wetter könnte schließlich besser nicht sein. Um 11:00 geht es mit dem Bus nach Vágar. Normalerweise, wenn ich auf den Färöern bin, bin ich immer der Fahrer. Nun ist es sehr schön, auch mal nicht selbst fahren zu müssen sondern einfach nur die Landschaft und die Natur, die an einem vorbeizieht zu bewundern. Und egal, wie oft man schon auf den Färöern war – ihre Schönheit ist immer wieder atemberaubend. In Miðvágur treffen wir zum ersten Mal auf Sølvi Símunarson, der uns in dieser Woche begleiten und unser ständiger Ansprechpartner sein wird. Unser erster Ausflug ist eine kurze Wanderung zur Trælanípa, einem der bekanntesten Aussichtspunkte auf den Färöern und zudem über einen leichten Wanderweg zu erreichen. Wir haben einen lokalen Führer, der die Strecke mit uns gehen wird. Und hier ist wieder etwas typisch Färöisches passiert: Eigentlich sollten wir eine Führerin haben. Aber die steckt auf Mykines fest, da der Hubschrauber aufgrund zu starker Winde dort nicht landen konnte. Also ist spontan ein Erdkundelehrer aus Bøur eingesprungen. Dieser Mann brennt für Geologie, Natur und Umweltschutz und es ist eine Freude, ihm zuzuhören. Immer wieder legt er Zwischenstopps ein und weist uns auf geologische Besonderheiten der Landschaft hin.

Ich finde von Anfang an, dass die Zeit für die Wanderung etwas knapp bemessen ist, und da natürlich alle ständig stehenbleiben und Fotos machen müssen kommen wir nicht wirklich schnell voran. So heißt es dann an Trælanípa angekommen: „Wir haben leider keine Zeit, noch hochzugehen, wir müssen zurück, sonst kommen wir zu spät“. Naja, aber schnell mal hochsprinten ist wohl noch drin, wenn wir uns auf dem Rückweg beeilen? Und schon stehen wir alle oben und genießen den Blick auf den See, der, je nachdem, wen man fragt, Leitisvatn oder Sørvágsvatn heißt und über dem Ozean zu schweben scheint. Außerdem hat man von hier oben einen fantastischen Blick über die Nachbarinseln und sogar bis hinunter nach Suðuroy, der südlichsten Insel. Im Westen geht der Blick bis Mykines. Mit ziemlicher Verspätung machen wir uns auf den Rückweg. „Dann muss Greta eben warten“ – typisch färöisch. Die deutsche Pünktlichkeit muss man sich hier ein wenig abgewöhnen.

Eigentlich sollten wir zu Fuß zur Konzertlocation laufen. Da wir aber so spät dran sind, packt uns unser Führer kurzerhand in sein Auto und fährt dreimal hin und her, um uns alle nacheinander hinzufahren. Trotzdem kommen wir zu spät in der Listastovan (Kunststube) in Miðvágur an. Dabei handelt es sich um ein ehemaliges Gebetshaus, das nun sowohl für Konzerte als auch für Volkshochschulkurse genutzt wird. Insbesondere die Malerei hat hier viel Platz, der Fußboden ist voller Farbkleckse, an den Wänden lehnen Gemälde und Bilder. Bei Konzerten muss hier aus Sicherheitsgründen immer auch ein Feuerwehrmann mit im Raum sein, da der Saal nur einen Ausgang hat. Auch auf den Färöern geht Sicherheit eben vor, obwohl „man sich hier ja einfach aus den Fenstern stürzen kann ohne zu sterben“. Dafür ist die Akustik in dem Raum mit hölzernem Tonnengewölbe jedoch hervorragend. Auf den Färöern wird ja vieles einfacher und praktischer gehandhabt als z.B. in Deutschland. Die Listastovan hat keinen eigenen Backstagebereich, also hat man mit einer Familie in der Nachbarschaft vereinbart, dass sie einen Raum als Backstage zur Verfügung stellen. Da werden die auftretenden Künstler dann auch ordentlich bekocht. Im Jahr 2017 hat die Listastovan bei den Faroese Music Awards den Preis für die Kampagne bzw. Initiative des Jahres gewonnen – so bekommen wir hier einen der Preise aus nächster Nähe zu sehen.

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Nach der Begrüßung durch die Bürgermeisterin Eyðdis Hartmann Niclasen und einem kurzen Imbiss geht es musikalisch los. Zunächst betritt Anna Sofía Jørgensen. Die Bühne. Und es ist tatsächlich das erste Mal, dass sie vor nicht-heimischem Publikum auftritt. Obwohl sie schon seit Jahren auch eigene Lieder schreibt, hat sie sich bisher einfach nicht getraut. Nun hat man sie kurzerhand mit sanfter Gewalt vor eine Horde Journalisten gezerrt. An der Gitarre und auch beim Backgroundgesang unterstützt sie Lea Kampmann, die auch als Solokünstlerin unterwegs ist und bei den diesjährigen FMA in der Kategorie „Sängerin des Jahres“ nominiert ist. Zu Beginn wirkt Anna Sofía noch sehr nervös und schüchtern. Das erste Stück, das sie präsentiert, ist „Smile“ von Charlie Chaplin. Doch danach geht es mit eigenem Material weiter, darunter ein Stück, das sie geschrieben hat, als ihr Vater an Krebs erkrankte. Herausgekommen ist ein wirklich herzergreifendes, trauriges Abschiedslied. Nach drei Songs ist ein Wechsel angesagt und nun kommt Greta Svabo Bech.

Die wurde 2011 für einen Grammy nominiert und ist nach wie vor die einzige färöische Musikerin, die das jemals geschafft hat. Auch sie spielt drei Songs für uns und begleitet sich dabei selber an Gitarre, Keyboard und Synthesizer. In Strümpfen sitzt sie auf der Bühne, wirkt ein bisschen verwirrt, drückt auch mal den ein oder anderen falschen Knopf, richtet ständig das Mikrofon – und singt fantastisch. Sie startet mit dem stark elektronisch verzerrten „Shut Up & Sing“. Zu jedem Stück erzählt sie eine kurze Geschichte. So ist ihr zum Beispiel vor kurzem aufgefallen, dass einer ihrer Songs mit dem Brexit eine völlig neue Bedeutung bekommen hat. Mit „Circles“, einem ihrer bekanntesten Stücke beschließt sie dann den Auftritt. Und ganz nebenbei bestätigt sie eines der Klischees über die Färinger. Denn sie und Anna Sofía sind verwandt, Kusinen wievielten Grades wissen sie selber nicht so genau. Laut Greta hat ihre Mutter 80 Cousins und Cousinen – „da ist es schwer, auf dem Laufenden zu bleiben“.

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Anschließend geht es für uns noch zum Kálvalíð. Dabei handelt es sich um das älteste Steinhaus der Färöer. Vom Mittelalter an wurde es bis in die 60er-Jahre bewohnt und erreichte vor allem dadurch Berühmtheit, dass es lange Zeit als Wohnhaus für die Priesterwitwen diente. Darunter war auch die berühmte Beinta, der Jørgen-Frantz Jacobsen mit seinem Roman „Barbara“ ein literarisches Denkmal gesetzt und sie über die Färöer hinaus bekannt gemacht hat. Wir bekommen eine Führung durch das kleine Häuschen, das nur aus zwei Räumen und einem Kuhstall besteht. Auch hier erfahren wir wieder allerhand interessantes, z.B. dass das Gebäude nicht schon immer so hoch über dem Ort thront, sondern im Laufe seines Lebens dreimal ab- und wieder aufgebaut wurde, bis es endlich an seinem heutigen Standort stand. Im Haus gibt es allerlei historische Gegenstände zu sehen, deren Funktion uns teilweise demonstriert wird. So bekommen wir einen interessanten Einblick in die Alltagswelt auf den Färöern, wie sie bis ins frühe 20. Jahrhundert aussah.

Weil wir überall getrödelt haben (es gibt aber auch so viel zu sehen und hören), kommen wir erst deutlich später wieder in Tórshavn an, als ursprünglich geplant. Sechs von uns beschließen, dass wir noch schnell im berühmten Fish&Chips am Vaglið was essen wollen. Und während wir da so stehen und auf unser Essen warten, während uns der liebliche Geruch von Fritierfett um die Nase weht, da fällt uns ein: Wir werden jetzt gleich ein klassisches Konzert besuchen und wir werden nach Pommes stinken. Wie Nuka aus Grönland so schön bemerkt: „Denkt immer daran: Ihr repräsentiert euer Heimatland!“ Das werden wir heute ganz besonders gut hinbekommen…

Beim klassischen Konzert bewahrheitet sich meine Prophezeiung: Es wird deutlich schwerer, den Eingang zu finden als das Gebäude selbst. Denn das Konzert findet im Finsen statt, der ehemaligen Volksschule in Tórshavn. Dort sitzen wir in der ehemaligen Aula, die mit zahlreichen Abbildungen aus dem Sjúrðar kvæði (der Sigurd-Ballade, in Deutschland wurde die Thematik im Nibelungenlied verarbeitet) geschmückt ist, geschaffen von William Heinesen, dem großen färöischen Schriftsteller und bildenden Künstler. Von diesem Konzert gibt es keine Fotos, da es im Saal so ruhig war, dass das Geräusch des klappenden Spiegels der Spiegelreflexkamera wie ein Paukenschlag gewirkt hätte. Manchmal muss die Optik zum Schutze der Akustik eben leiden.

Gespielt wurde zunächst ein Duett für zwei Violinen von Kari Bæk, anschließend ein Stück für Sologitarre des färöischen Komponisten Sunnleif Rasmussen, den wir in dieser Woche auch noch kennenlernen sollten. Und dann wurde noch aus aktuellem Anlass das Stück „Danza del Altiplano“ des kubanischen Komponisten Leo Brouwer gespielt. Der wurde am letzten Freitag nämlich 80 Jahre alt. Nicht ohne Stolz erzählte uns der Interpret, dass Leo Brouwers Geburtstag zwar in vielen Ländern der Welt gefeiert wurde, die Färöer aber das einzige Land seien, in dem es ein ganzes Konzert zu Brouwers Ehren gab, auf dem nur seine Stücke gespielt wurden. So fand auch ein Stück Südsee seinen Weg in den hohen Norden. Den Höhepunkt des Abends bildet Beethovens Streichquartett Nr. 4, op 18, von den färöischen Musikern wunderschön interpretiert.

Damit wäre dieser Tag eigentlich auch schon zu Ende, doch ich begebe mich noch mit Kristian Blak für ein kurzes, spontanes Interview, das man dann demnächst auch hier lesen kann, in die Blábar, eine noch recht neue Jazz- und Blues-Bar, wo wir bei einem Bier über Kristians musikalisches Schaffen reden. Das Bier ist ein großes und eigentlich ist der Abend noch jung und eigentlich wollte ich heute Abend schon mal mit meinem Text anfangen. Aber nun bin ich betrunken und morgen müssen wir früh raus. Also entscheide ich mich für den Schlaf und komme ausnahmsweise mal früh ins Bett.



Donnerstag, 07.03.2019
Heute heißt es früh aufstehen. Schon um 08:15 Uhr treffen wir uns, um gemeinsam zur Fähre „Smyril“ zu gehen, die uns heute nach Suðuroy, der südlichsten Insel der Färöer bringt. Unsere Truppe macht es sich in der Cafeteria bequem, aber – nein, das kann ich nicht. Wir haben schon wieder unglaubliches Glück mit dem Wetter, die Sonne lacht vom Himmel – da muss ich an Deck. Außerdem hat man, solange die Fähre noch im Hafen liegt, eine tolle Aussicht auf die Stadt, denn die Smyril ist deutlich höher als die meisten Häuser. Um 08:45 Uhr legen wir ab und machen uns auf die zweistündige Fahrt Richtung Süden.

Als wir den geschützten Bereich zwischen Tórshavn und der vorgelagerten Insel Nólsoy verlassen werden wir ganz schön durchgeschaukelt. Der Seegang ist ordentlich und obwohl die Smyril ein recht großes Schiff ist, spürt man die Wellenbewegungen deutlich. Die Wellen sind so hoch, dass sie teilweise über das unterste Außendeck schlagen. Diejenigen, die dort die Aussicht genießen überlegen sich die Sache dann doch nochmal anders. Aber oben kann man windgeschützt sitzen und einfach nur die Fahrt genießen. Durch die Sonne ist es nicht wirklich kalt und auch der starke Seegang lässt sich an Deck leichter ertragen als im Inneren des Bootes. Später erzählt mir eine Kollegin, dass sie die ganze Fahrt über nur gelegen hat, weil ihr so übel war. Da hat sie viel verpasst, denn wir ziehen an einer wunderbaren Landschaft, noch dazu von der Sonne beschienen, vorbei. Steil ragen die Klippen der Inseln aus dem Meer, weiße Schaumkronen tanzen auf den Wellen und wenn sie vom Wind in Millionen Tropfen zerblasen werden zeigen sich Regenbogen. Einfach nur schön.

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Doch es gibt auch unschönes von der Fahrt zu berichten. Denn meine gute Kamera entschließt sich, ausgerechnet auf diesem Trip, ausgerechnet vor den Faroese Music Awards, ihren Weg in die ewigen Jagdgründe anzutreten und quittiert den Dienst. Irgendwas ist mit der Mechanik des Spiegels. So muss ich von nun an mit nur einer Kamera (der alten) weiter fotografieren. Und darf dann bei den FMA noch feststellen, dass die nicht mit meinem guten Objektiv kompatibel ist. Also gibt es von nun an nur noch Bilder von minderer Qualität. Sorry dafür.

Mit etwas Verspätung aufgrund der hohen Wellen laufen wir um 11:00 Uhr am Fähranleger Krambatangi gegenüber von Tvøroyri, des Hauptortes der Südinsel, ein. Von hier aus ist es nur ein Katzensprung zu unserer ersten Station. Das alte Salzsilo, das 10.000 t Salz fassen konnte, wurde 1938 von C.G. Jensen erbaut. Im Oktober 1941 wurde das Salzsilo bei einem deutschen Bomberangriff direkt getroffen. Dabei wurde das Dach zerstört, doch die riesigen Träger standen noch. Erst ein Sturm im Jahr 1944 konnte das Gebäude nahezu komplett zerstören. Doch es wurde wieder aufgebaut und wurde noch bis in die frühen 1980er benutzt. Danach verfiel es zusehends und wurde zur Ruine. Eine schöne Ruine, wie Ólavur Rasmussen, der uns die Geschichte des Gebäudes erläutert, bemerkt, aber eben eine Ruine. Erst vor wenigen Jahren hat man sich wieder des eleganten Gebäudes angenommen, es renoviert und in eine Kulturstätte verwandelt, wo Theateraufführungen, Konzerte und vieles mehr stattfinden. Getauft hat man das Ganze auf den simplen Namen „Salt“ – Salz.

Nach der kurzen Einführung gibt es nun ein Konzert für uns. Als erstes spielen meine Freunde Pól Arni Holm und John Áki Egholm. John hatte ich am Montag schon besucht und erst im Gespräch haben wir herausgefunden, dass wir uns heute wieder sehen werden, denn auf dem offiziellen Programm steht nur Pól Arni. Die beiden spielen für uns Akustikversionen von drei HAMRADUN-Stücken. Zuerst gibt es „Útlegd“, das auf dem letzten, selbstbetitelten Album zu finden ist, und anschließend zwei neue Stücke, die auf dem kommenden Album, das voraussichtlich im September erscheinen wird, zu finden sein werden. Zu jedem Stück erzählt Pól Arni auch noch eine kurze Geschichte über die Herkunft des Stücks, bzw. um was es darin geht. „Útlegd“ ist aus der Sicht von Snæbjørn geschrieben. Jener Snæbjørn machte sich einst eines recht geringen Verbrechens schuldig, tötete bei der Urteilsverkündung jedoch einen der Gerichtsvollzieher und wurde daraufhin zum Tode verurteilt. Es gelang ihm jedoch, in die Berge zu fliehen, wo er einige Jahre lebte, bevor er dann nach Schottland flüchtete. Noch heute soll es Nachfahren von Snæbjørn auf der Insel geben. Als zweiten Song gibt es „Grimmer Går På Gulvet“, das letzte Stück ist „Síðsta Løta“. Mir persönlich gefallen HAMRADUN in der rockigen Bandversion ja besser, aber auch als Akustikduo kommen die schönen Songs gut an. Im Anschluss ans Konzert wird Pól Arni zum begehrten Interviewpartner und muss gleich mehreren von uns Rede und Antwort stehen.

Auch ich schnappe ihn mir, um ihm ein paar spontane Fragen an den Kopf zu werfen. Dabei erzählt er mir unter anderem, wie schwierig es manchmal sein kann, wenn man die alten Balladen, die sogenannten kvæði, neu vertonen will: „Ja, es gibt so viele Melodien, und bei einem der Songs, den wir heute gespielt haben, lief es so ab: Ich rief einige von den älteren Männern an, die den färöischen Kettentanz praktizieren und fragte sie danach. Sie hatten von dem Lied gehört, aber sie kannten die Melodie nicht. Sie hatten sie vergessen! Aber zum Glück gab es eine Dänin, die in den 60er die Färöer besucht hat. Es gibt ein Buch, das sie geschrieben hat und darin sind alle Noten niedergeschrieben. Und das ist zum Beispiel eine der Quellen, um diese Songs wieder zum Leben zu erwecken, dieses Buch.“

Als zweiter Künstler steht Eyðun Nolsøe auf der Bühne. Er ist einer der bekanntesten Songwriter auf den Färöern und spielte in der bekannten Band FRÆNDUR. Auch er spielt drei Songs für uns. Er beginnt mit „Mítt Land“, einem Stück, das er geschrieben hat, weil er der Meinung war, dass die Färinger untereinander nicht einig genug sind. Textlich ähnelt es etwas der Nationalhymne – und trägt auch fast den gleichen Titel. „Hvíta flóki“ kommt als nächstes und zum Schluss gibt es noch ein aktuelles Stück. „Á Tíni Slóð“ stammt vom immer noch aktuellen, 2017 erschienenen Album „Dagur Legst At Degi“. Nachdem wir noch kurz Zeit haben, uns mit den Musikern zu unterhalten heißt es auch schon Abschied nehmen, denn nun geht es zu unserer nächsten, immens wichtigen Station: Mittagessen im Café Mormor in Tvøroyri. Die anderen bekommen Fischsuppe, ich als Vegetarier ein leckeres Sandwich. Und dazu: Bier, natürlich färöisches.

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Anschließend geht es auf große Inseltour. Unser Busfahrer und Führer, ein Seemann im Ruhestand, macht schon nach wenigen hundert Metern einen etwas eigennützigen Stopp und zeigt uns das Bootshaus des Rudervereins, in dem er Mitglied ist. So bekommen wir auch über 100 Jahre alte, traditionelle Färöerboote in verschiedenen Größen zu Gesicht. Der nächste Halt ist in Vágur (nicht zu verwechseln mit der Insel Vágar), wo wir am Westende des Ortes einen kurzen Blick auf die Steilküste werfen können. Dann geht es weiter durch den Tunnel nach Sumba, dem südlichsten Ort der Färöer. Auch hier gibt es einen kurzen Zwischenstopp am Hafen – den Seemann zieht es eben doch ständig wieder ans Meer. Es ist immer wieder faszinierend zu sehen, welcher Aufwand auf den Färöern betrieben werden muss, um einen einigermaßen sicheren Hafen errichten zu können. Und im Winter müssen die Boote dann doch in Bootsschuppen hoch über dem Meer gebracht werden. Und auch dort sind sie manchmal nicht sicher. Unser Führer erzählt uns, dass schon so mancher Wintersturm einige der Bootsschuppen mit sich gerissen hat. Bei dem herrlichen Wetter, wie es heute herrscht, ist das kaum vorstellbar.

Nun geht es zum südlichsten Punkt der Färöer, Akraberg. Hier sollen einst Friesen gelebt haben, heute findet man nur noch einige wenige Häuser sowie den Leuchtturm. Und natürlich Schafe. Bevor der Leuchtturm automatisiert wurde, lebten hier die Leuchtturmwärter mit ihren Familien. Auch hier haben wir heute wieder eine herrliche Aussicht. Nach Süden geht der Blick in die Weite, erst rund 250 km weiter trifft man bei Schottland wieder auf Land. Lange haben wir nicht Zeit uns hier umzusehen und es geht zurück über die alte Bergstraße, die bei schönem Wetter – so wie heute – fantastische Ausblicke bietet. Auch für mich ist das ein Erlebnis. Ich bin die Straße zwar im letzten Sommer mehrfach gefahren – aber immer im dicksten Nebel. Nun lohnt sich auch der Stopp bei der Steilküste Beinisvørð, den ich mir im Sommer geschenkt hatte. Nur wenige Meter von der Straße entfernt fallen die Klippen hoch und steil ins Meer. Tief unter uns sehen wir zwei stakkur, so werden die aus dem Meer ragenden Felsnadeln hier genannt. Von hier oben sehen sie winzig aus. Vögel fliegen dicht an uns vorbei, ein paar Schafe flüchten vor uns und die Aussicht über Meer und Insel ist atemberaubend. Und natürlich müssen wir alle ein Foto von einem der wenigen Warnschilder, die man auf den Färöern findet, machen.

In Vágur halten wir am Café Bakkin, wo es einen Imbiss mit Waffeln gibt, die man sich selbst mit allerlei Leckereien wie Rhabarberkonfitüre (mein Favorit!), Schokocreme, Sahne, Nüssen und Früchten verfeinern kann. Dazu gibt es Kaffee und Tee, der hier oft mit Milch getrunken wird, so wie es die Engländer tun. Wir waren mal wieder nicht die schnellsten und auf einmal fällt uns auf, dass wir jetzt dringend los müssen, damit wir die Fähre nicht verpassen. Als letzte Passagiere betreten wir die Smyril, die auch kurz darauf abfährt. Auch John fährt mit uns auf der Fähre zurück nach Tórshavn und gemeinsam widmen wir uns dem Rosé. Ob es daran liegt oder ob ich generell etwas seefester bin, ich weiß es nicht. Auf jeden Fall vertrage ich den Seegang, jetzt im Inneren des Schiffes, wieder problemlos. Was wieder nicht für alle Mitglieder unserer Truppe gilt.

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Zurück in Tórshavn heißt es gleich ohne Zwischenstopp weiter zum nächsten Konzert. In der Blábargibt es heute Jazz für uns. Als erstes spielt das Duo Agnar & Herluf an Kontrabass und Gitarre, die beweisen, wie leise man spielen kann. Ich trinke eine Cola mit Eis und traue mich kaum zu trinken, denn wenn ich das Glas bewege klirren die Eiswürfel darin so laut, dass es die Musik stört. Daher gibt es auch von diesen beiden keine Fotos. Die Kamera wäre einfach zu laut gewesen.

Im Anschluss sehen wir YGGDRASIL, in einem ihrer vielen Lineups. Kristian Blak stellt die Band kurz vor und erläutert dabei auch, dass sich zwei Isländer darunter befinden – „mehr sollte man auch wirklich nicht in einer Band haben“. Wie immer redet Kristian Blak gerne und viel und stellt so das erste Lied, „Hugin“, ein Stück vom 1982er Album „Ravnating“ (Rabenthing) vor. Dazu hat man eine Leinwand hinter der Bühne angebracht, zeigt Fotos von Raben und Kristian Blak am Klavier gibt Rabenschreie von sich. Aber Kristian Blak wäre nicht Kristian Blak, wenn er uns nicht vorher noch allen erklärt hätte, wie die Raben in den unterschiedlichen Ländern rufen. Denn nicht nur Menschen sprechen unterschiedliche Sprachen, auch Raben tun es. Anschließend gibt es ein Stück, das von Grönland stammt und zum Abschluss noch ein Stück über Geronimo, bei dem Kristian Black indianischen Gesang anstimmt.

Nun kommt das PAULI POULSEN TRIO auf die Bühne, die im Grunde nur eine freigeräumte Ecke in der Bar ist. Der Besitzer der Bar, Rógvi á Rógvu sitzt selbst am Schlagzeug und strahlt meist übers ganze Gesicht. Hier wird Jazz vom feinsten geboten und zwar in einer Form, die auch mir gefällt. Normalerweise mache ich um Jazz ja eher einen Bogen, einfach weil es mir in der Regel viel zu anstrengend ist, dieser Musik zuzuhören. Aber das PAULI POULSEN TRIO spielt eine recht coole Ausrichtung des Jazz, die mir gut gefällt.

Als letzter Act des Abends spielt mein Freund UNI DEBESS. Und auch hier ist wieder etwas typisch Färöisches passiert. Denn eigentlich ist er zusammen mit Rógvi á Rógvu (richtig, hier sitzt schon wieder der Wirt an den Drums) als Blues Duo angekündigt. Da er aber festgestellt hat, dass sein Onkel, der eigentlich nicht zum PAULI POULSEN TRIO gehört, heute Abend hier ist und seinen Bass dabei hat, hat er ihn spontan gebeten, mit ihm zu spielen und so bekommen wir ein Blues Trio statt Duo. Hier gibt es nun auch Songs zu hören, die der ein oder andere schon kennen sollte, z.B. „They Call Me The Breeze“ von B.B. King, sowie einige Cover, die Uni Debess auf seinem Soloalbum „Regards To The Roots Vol. 1“ veröffentlicht hat, wie „Boom Boom“ von John Lee Hooker, „Black Magic Woman“ von Peter Green und „Pride And Joy“ von Stevie Ray Vaughan. Seine langen Ausführungen über Bob Dylan enden mit der Feststellung der restlichen Band, dass Bob Dylan mehr als 16 Alben geschrieben hat, während es Uni gerade mal auf einen Song im Bob Dylan-Stil gebracht hat, was für allgemeine Erheiterung sorgt. Eingebaut wird auch noch ein Drumsolo. Und natürlich darf „Sugar Mama“ nicht fehlen, immerhin war dieser Song im letzten Jahr eine Zeit lang ganz oben in der färöischen Hitparade. Uni begleitet sich dabei nicht nur auf der Gitarre, sondern baut immer mal wieder auch Mundharmonikaparts ein. Ihm hätte ich gut noch länger zuhören können. Blues liegt mir einfach deutlich mehr als Jazz. Aber jeder Abend muss einmal ein Ende finden.

Meiner jedoch nicht. Da ich Uni seit Juli nicht mehr gesehen habe, unterhalten wir uns nach der Show noch, und wie das so ist, immer mehr Leute steigen ins Gespräch ein und auf einmal sitzen wir nur noch zu sechst in der Bar. Betreiber Rógvi á Rógvu gibt die Getränke irgendwann umsonst aus, schenkt mir gleich zwei Ausgaben seines neuen Albums, das gerade diese Woche erschienen ist („Die haben mir 1000 Stück geliefert! Was soll ich denn mit 1000 Stück? Ich wollte 300!“) und am Ende muss ich auch noch seinen selbstgemachten Chilischnaps probieren. Holla die Waldfee, der brennt gleich mehrfach. Um 01:00 verlasse ich die Blábar, nur um dann wieder an der Rezeption des Hotels hängenzubleiben, wo ich mich noch bis 02:30 Uhr mit dem Nachtportier unterhalte, der ebenfalls ein Freund von mir ist, den ich seit 2015 nicht mehr getroffen habe. Anschließend mache ich, aufgrund des guten Wetters, noch einen vergeblichen Streifzug durch die Stadt, im missglückten Versuch, ein paar Nachtaufnahmen zu machen. Denn klar, mitten in der Nacht, unter der Woche, sind alle Lichter längst ausgeschaltet. So falle ich dann um 03:00 müde ins Bett. Zum Glück startet das Programm morgen wieder etwas später.

 


Freitag, 08.03.2019
Heute ist der Tag, an dem am wenigsten Programm auf dem Plan steht. Dafür soll es aber ein langer Abend werden. Erst um 11:30 müssen wir am nordischen Haus, dem Norðurlandahúsið, sein. Wir gehen durch den Stadtpark zu Fuß dorthin. Hier bekommen wir erst einmal eine Führung durch alle Räume. Es gibt hier Räume für Kunstausstellungen, einen eigenen Raum für den färöischen Kettentanz (der aber in der Fastenzeit nicht getanzt wird) und natürlich den großen Saal, in dem morgen die FMA stattfinden werden. Hier wird bereits fleißig gewerkelt und vorbereitet. Auch zur Geschichte des Gebäudes wird uns etwas erzählt. Das nordische Haus gehört zu einer ganzen Reihe von nordischen Häusern, in fast jedem skandinavischen Land gibt es eines. In dem Gebäude wurden Materialien aus ganz Skandinavien verbaut. So stammen Stahlträger und Glas aus Dänemark, der Boden besteht aus norwegischem Granit, die Wände sind mit Holz aus Schweden vertäfelt und die Besucher sitzen auf Stühlen aus Finnland. Das Grasdach stammt aus Island und ist natürlich mit färöischem Gras bewachsen. Es passt sich somit perfekt in die Landschaft ein und ist nicht nur für Kulturinteressierte interessant, sondern auch für alle, die sich für Architektur interessieren.

Nach der Führung gibt es noch einen Brunch und dabei sind die Gerichte – für die Färöer ungewöhnlich – fast alle vegetarisch. Und Bio, wie nochmal extra betont wird. Weil wir heute erst abends einen weiteren Programmpunkt haben, haben wir genügend Zeit, die tolle Aussicht von hier oben zu genießen und uns ausführlich mit den Leuten vom Nordischen Haus sowie Leuten vom G!-Festival zu unterhalten. Einige von uns gehen anschließend zum Sightseeing in die Stadt, einige nutzen die Zeit zum Arbeiten und ich besuche einen Autor, dessen Buch ich übersetzt habe, da wir noch einige Sachen klären müssen.

Abends um 18:30 steht der nächste Termin an. Wir treffen uns im zum Hotel Hafnia gehörenden Restaurant Katrina Christiansen zum Meet & Greet, wo wir viele der Offiziellen zum ersten Mal treffen, z.B. den Moderator der FMA, Rólant Waag Dam. Auch sind einige Journalisten erst heute angekommen.

Nach dem Essen gehen wir zusammen zum Reinsaríið, wo ein Prä-FMA-Konzert stattfindet. Dieses ist kein Konzert speziell für uns, sondern offen für alle und der Saal ist gut gefüllt. Als erstes spielt SISSAL. Die junge Künstlerin ist bei den FMA als Sängerin des Jahres nominiert. Sie hat gerade ein Album veröffentlicht und daher gibt es natürlich nur Songs von diesem zu hören, wie z.B. das ruhige „Drifting“. Wie so viele färöische Musiker erzählt sie zu fast jedem Stück kurz etwas über die Entstehung oder Bedeutung des Songs. Zum Beispiel, wie sie ein Festival besuchte, das dann einem Sturm zum Opfer fiel und als sie am nächsten Tag am Festivalgelände vorbei fuhr, lag dort alles in Trümmern. Nur ein einsamer Stuhl stand dort und erweckte den Eindruck, die Szenerie zu beobachten. Da verspürte sie das dringende Bedürfnis, darüber einen Song zu schreiben und so ist „A Lonely Chair With A View“ entstanden. Mein Favorit ist jedoch das dunkle und etwas schwerfällige „Secrets“. Sissal hat eine tolle Stimme, allerdings könnte die Bühnenpräsenz etwas besser sein. Sie wirkt doch, insbesondere zu Beginn des Auftritts, eher schüchtern. Insgesamt präsentiert sie sehr ruhige, angenehme, handgemachte Popmusik, die man sich schon mal anhören kann.

Der nächste Künstler wird uns als „die kultige Stimme der Inseln aus Gøta“ angekündigt. Ich habe von LYON bisher noch nie etwas gehört. Das erste Stück singt er am Klavier und ich denke mir: Die Stimme klingt irgendwie seltsam. Dann geht es mit dem Stück „Juliet“ weiter, hier begleitet Lyon Hansen sich nur an der Gitarre. Und bei mir macht es „Klick“. Was für eine Stimme! Ja, am Anfang klingt sie etwas seltsam. Oder besser: speziell. Und genau das macht den Reiz von Lyons Stimme aus. Er hebt sich damit von vielen anderen Sängern positiv ab und bleibt im Gedächtnis haften. Und auch er erzählt immer wieder kleine Geschichten zwischen den einzelnen Songs, aber mit einem Witz, dass das Publikum immer wieder lachen muss. Zum Beispiel, als auf einem Urlaubsausflug in Cornwall alle seine Freunde im Meer schwimmen wollten, aber er sich mit seiner Gitarre am Strand am wohlsten fühlte. Vom letzten Album, dem selbstbetitelten Debüt spielt er „Sister“ für uns, bevor es mit vielen neuen Songs weiter geht. Darunter ein A-Capella-Song über den Tod (und auch beim A capella brilliert er), einen etwas psychedelischen Song über einen ins All geschossenen Affen und ein Stück namens „Scenes From Dreams II“. Bei LYON ist es wirklich schade, dass er nur so wenige Stücke singen darf, ihm hätte ich gerne noch länger zugehört.

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Fróði Bjarnason Joensen, der seine Musik unter dem Namen FRODI BJARNASON veröffentlicht, ist der nächste im Reigen. Mit „Scandinavia“, einem Song, den er vor gut einem halben Jahr veröffentlicht hat, beginnt er seinen Auftritt. Der sympathisch wirkende junge Mann sagt – wie auch die anderen – fast alle Songs an, oft haben sie sehr kurze Titel, wie „Winter“ oder „Diary“. Außerdem fällt hier auch eine weitere typisch färöische Sache auf: Ein Teil der Musiker, die schon bei SISSAL als Begleitband auf der Bühne standen, sieht man hier wieder. Viele färöische Musiker spielen ja bei vielen verschiedenen Bands, die auch gerne völlig unterschiedliche musikalische Ausrichtungen haben können. Mit „Where My Home Is“, einem schönen Singer/Songwriter-Song endet der Auftritt von Fróði. Insgesamt hat mir der sanfte Poprock mit Singer/Songwriter-Tendenz wirklich gut gefallen. Und auch Fróðis Stimme ist sehr gefällig. Auch ihm hätte ich gerne noch etwas länger zugehört.

Als letzte Band an diesem Abend treten DANNY & THE VEETOS auf. Der Name ist mir schon länger geläufig, wirklich beschäftigt habe ich mich mit der Band jedoch noch nicht. Offiziell besteht die Band aus acht Mitgliedern, heute stehen jedoch nur Vier auf der Bühne. Die bieten uns eine Weltpremiere, denn sie werden nur Songs spielen, die auf dem neuen, bald erscheinenden Album stehen werden und die bisher noch nie live gespielt wurden. Vom Bandnamen her hätte ich etwas Wilderes erwartet. Sänger Danny Baldursson lebt seine Musik und steht keine Minute still; bei einem der letzten Songs dreschen Sänger und Trompeter mit Drumsticks, die im Dunkeln leuchten, auf eine Trommel ein, was auch noch einmal einen besonderen Showeffekt bietet. Das alles ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass DANNY & THE VEETOS im Grunde nur 08/15-Popmusik spielen, die einzig durch den Einsatz einer Trompete einen besonderen Anstrich bekommt. Die Truppe ist nett, man kann sich das mal ansehen – aber es reißt einen eben nicht vom Hocker.

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Und dann kommt wieder etwas typisch Färöisches. Heute ist Weltfrauentag. Der wurde in Tórshavn groß gefeiert, es gab am Nachmittag eine Demonstration und nun findet noch ein Konzert statt, auf dem ausschließlich weibliche Künstler spielen. Das Konzert (sowie eine Fotoausstellung) findet im Perlan statt, direkt neben dem Reinsaríið, so dass man nur zur einen Tür raus und zur anderen rein muss. Das typisch färöische daran: Man ist flexibel und praktisch veranlagt. Die sich selbst feiernden Frauen warten mit ihrem Konzert einfach, bis das im Reinsaríið fertig ist. Weil das dort alle wissen, wird nach dem Konzert nicht lange gefackelt, nahezu das komplette Publikum und fast alle Musiker wandern einen Laden weiter und feiern auch noch die weiblichen Künstler auf einem Konzert zu später Stunde. Und während uns auf dem ersten Konzert alle Musiker mit englischen Ansagen verwöhnt haben, pfeifen die Frauen darauf und machen ihre Ansagen ausschließlich auf Färöisch. Etwas doof für meine Kollegen, die das dann nicht verstehen, aber ich verstehe zum Glück fast alles.

Als erste betritt GRETA SVABO BECH die Bühne, die wir vor zwei Tagen ja schon gesehen haben. Ein färöischer Freund von mir meinte, dass Greta immer ein wenig so aussieht, als sei sie gerade fast von einem Auto angefahren worden – auf eine künstlerische Art und Weise. Und da ist wirklich was dran. Auf der Bühne wirkt sie immer etwas verpeilt, wie sie so da hockt, auf Strümpfen (auch wieder sehr färöisch – viele färöische Musiker stehen in Strümpfen auf der Bühne), immer mal wieder die falschen Knöpfe drückt und sich die eigenen Ansagen vermasselt („Ups, sorry!“ dürften wohl ihre häufigsten Worte gewesen sein). Aber musikalisch ist sie eben wirklich große Klasse. Mit „Invisible“, einem Song bei dem sie mit dem Projekt THE BLOODY BEETROOTS des italienischen Elektro-Produzenten Sir Bob Cornelius Rifo zusammengearbeitet hat, eröffnet den Reigen. Danach gibt es dann den „Brexit-Song“ und „Circles“, die sie uns ja beide auch schon in der Listastovan präsentiert hat. Zum Abschluss gibt es dann noch ihre aktuelle Single „All My Bones“, die mir wirklich gut gefällt. Und grade, wenn es anfängt richtig Spaß zu machen, ist Greta auch schon fertig. Schade.

FRUM ist anders als alle anderen färöischen Musiker, die wir bis jetzt erlebt haben. Jenný Augustudóttir Kragesteen, die hinter dem Projekt FRUM steckt, versteht sich als umfassende Künstlerin, die nicht nur Musik macht, sondern deren Musikvideos jeweils richtige Kunstprojekte sind, bei denen meist getanzt wird. Sie habe ich bereits letztes Jahr auf dem G!-Festival gesehen, wo sie mir recht gut gefallen hat. Hier sitzt sie nun komplett im Dunkeln, ist kaum zu sehen und der einzige optische Reiz ist die immer gleiche Filmsequenz aus ihrem Video zum Song „Let It“. Das ist schon etwas schade, schließlich hat sie ja auch noch mehr Videos gemacht, die man ruhig hätte zeigen können. Auch sie spielt – so vermute ich zumindest – so einige neue Songs, bevor sie mit „Beat“ ihr letztes Stück anstimmt (auch dazu findet sich ein Video auf youtube). Auch sie erzählt viel zwischen den einzelnen Stücken – obwohl sie gleichzeitig denkt, sie rede zu viel. Nein, tust du nicht. Viele ihrer Songs singt sie im Knien, während sie den Synthesizer bearbeitet. Sie hat viele Fans im Raum und drei Frauen lassen es trotz des proppenvollen Saals nicht nehmen zu ihren Stücken zu tanzen.

Als letztes tritt die Künstlerin mit der größten Fanbase auf – zumindest gemessen am Lautstärkepegel. JASMIN ist eine noch sehr junge Künstlerin, die auf den Färöern zunächst vor allem mit ihrer Optik auffällt. Und dann mit ihrer Stimme. Wow. Ich war sehr gespannt, sie zu sehen, denn die Songs, die ich mir vorab angehört habe, haben mir es doch irgendwie angetan. Bzw. eben Jasmins Stimme. Für eine so junge Frau hat sie eine wahnsinnig soulig-bluesige, warme Stimme, die fast jeden in den Bann zieht. Leider kann man nicht das gleiche von ihren Songs an sich behaupten. Die sind zwar nicht schlecht, aber am Ende doch nur recht gewöhnlicher Elektropop mit souligen Einschlägen und die Texte sind typische Teeniemädchentexte. Allein ihre unfassbare Stimme reißt da alles raus. Und ich glaube, wenn sie einmal etwas älter ist und etwas erwachsenere Songs schreibt, dann kann sie noch richtig groß werden. Live wird sie jetzt schon gefeiert, sie hat eine große Fanschar um sich gesammelt, die jede einzelne Ansage bejubelt und bekreischt. Heute Abend spielt sie unter anderem „Remember“, einen ihrer bekanntesten Songs (verzichtet aber gleichzeitig auf „Baby Blue“) und zum Abschluss gibt es mit „Any Other Night“ noch einen brandneuen Song, den sie gerade vor zwei Wochen erst geschrieben hat. Die Zuschauer sind so begeistert von ihrer Darbietung, dass sie noch eine Zugabe spielen muss, die es dann mit „I Can Move“ gibt.

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Mittlerweile ist es nach 01:00 Uhr, der Tag war lang und viele von uns machen sich auf den Weg zurück ins Hotel. Denn auch morgen gibt es wieder ein volles Programm.


 

Samstag, 09.03.2019
Heute ist der große Tag! Heute Abend wird die Preisverleihung der FMA 2019 stattfinden. Doch zunächst einmal steht für uns noch einmal ein musikalisches Programm an. Die erste Station ist der Plattenladen Tutl in der Fußgängerzone. Ich hatte ja schon gleich, nachdem ich die Einladung erhalten habe, vermutet, dass dies einer der Programmpunkte wird. Das ist er aber auch völlig zu Recht. Tutl, das heißt „flüstern, wispern, murmeln, plaudern“ und klingt wie das Geräusch von Wellen, die über Felsen tanzen. Tutl, so heißt der Plattenladen der Inseln. Es ist nicht der einzige, es gibt noch ein, zwei andere Läden die auch CDs verkaufen, aber Tutl ist DER Plattenladen. Und Tutl ist das Label der Färöer. Gegründet wurde es bereits in den 70ern von Kristian Blak, dem Vater der färöischen Musik, von dem alle färöischen Musiker nur voller Respekt sprechen, auch wenn sie natürlich manchmal nett gemeinte Scherze über ihn machen.

Kristian erzählt uns von der Geschichte des Labels und des Plattenladens (mehr dazu wird es später noch auf Neckbreaker zu lesen geben), gespickt mit witzigen Episoden wie „und dann wollten sie uns nicht mehr im Einkaufszentrum, weil wir zu lange Haare hatten“. Als Bonus dürfen wir uns alle noch eine ganze Reihe an Vinyl und CDs mitnehmen. Kristian Blak erklärt, dass es bei ihrem Partner gleich viel kostet, egal ob sie 300 oder 1000 CDs pressen lassen. Also lassen sie meistens 1000 machen. Was auch den überreichen CD-Segen von Rógvi á Rógvu (siehe Donnerstag) erklärt. Kristian ist der geborene Entertainer und obwohl wir bestimmt 45 Minuten oder noch länger im Tutl-Laden stehen hat man das Gefühl, dass man noch längst nicht alles gehört hat. Am Ende kauft auch fast jeder noch ein paar Platten seiner Wahl, als auch schon unsere nächste Führerin in den Startlöchern steht und uns zum Bus drängt. Wir sind schon wieder spät dran.

Es geht nun nach Klaksvík, der zweitgrößten Stadt und Fischereihauptstadt der Färöer. Wir nehmen die landschaftlich reizvollere Route über die alte Inselstraße. Am höchsten Punkt liegt hier sogar noch Schnee auf der Straße (geräumt wird hier nicht). Unterwegs erklärt unsere Führerin uns, was wir rechts und links der Straße sehen. Oberhalb der ehemaligen NATO-Station, die heute ein Gefängnis ist, legen wir einen Fotostop ein. Wer ohnehin plant, kriminell zu werden, der sollte dies auf den Färöern tun (aber nur geringe Delikte, die Schwerverbrecher kommen nach Dänemark). Das hiesige Gefängnis hat keinen Zaun (wo will man auch hin?), dafür aber einen Minigolfplatz und eine der schönsten Aussichten der Färöer.

Heute haben wir allerdings kein Glück mit dem Wetter. Je weiter wir nach Norden kommen, desto mehr regnet es und in Klaksvík angekommen, schneit es sogar. Wir fahren zur Spaniastova, einem der ältesten Gebäude der Stadt. Einst befand sich ein Kaufladen in dem Gebäude und viele Möbel sind noch aus dieser Zeit erhalten. Gleichzeitig ist das Gebäude auch ein modernes Kulturzentrum, in dem öfter Konzerte veranstaltet werden. Und auch für uns gibt es hier heute Konzerte.

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Doch zunächst werden wir vom Bürgermeister der Stadt begrüßt, der uns etwas über die Geschichte der Stadt und auch über die Geschichte des hier jährlich im August stattfindenden Summar Festivalurs erzählt. Davon gehört haben viele meiner Kollegen schon, aber bei der Frage, wer es denn schon besucht hat, bin ich einer der wenigen, der die Hand hebt. Interessant ist, dass das Festival ursprünglich aus einer Sportveranstaltung, nämlich einem Ruderwettbewerb, entstanden ist. Die Verantwortlichen in der Stadt fanden es aber schade, dass die Leute danach immer gleich wieder verschwunden sind und nicht noch zum Feiern blieben. Also musste eine Idee her, wie man die Leute länger in der Stadt halten kann. Und so war die Idee zum Festival geboren.

Dabei hatte man in den Anfangsjahren auch noch mit ganz banalen Schwierigkeiten zu kämpfen, wie z.B. dem Stau, der in Leirvík entstand, weil es den Unterseetunnel nach Klaksvík noch nicht gab und alle mit der Fähre fahren mussten. Und auch Deutsche waren indirekt an der Entwicklung des Festivals beteiligt. Denn die SCORPIONS wollten nur spielen, wenn es auch eine Bühne von internationalem Rang gäbe. Also baute man 2007 solch eine Bühne – die dann auch gleich am letzten Tag des Festivals von einem Sturm zerstört wurde. Aber Färinger lassen sich von so einem Sturm ja nicht aufhalten und so wuchs das Festival immer weiter. Immer wieder spielen hier auch richtig große internationale Namen wie WESTLIFE, CLIFF RICHARD, TOTO oder ROXETTE. Dieses Jahr wird das Festival vom 08.-10. August stattfinden. Wer also um diese Zeit auf die Inseln reist, kann sich das ja mal überlegen. Und wie man uns mit einem Schmunzeln auf die Frage, was das Festival für die Menschen verändert hat mitteilt: Man kann einen deutlichen Anstieg der Geburtenrate jeweils neun Monate später feststellen.

Musikalisch beglückt uns nun zunächst Rani Nolsøe, der Bruder von Eyðun Nolsøe, den wir bereits am Donnerstag gehört haben. Genau wie Eyðun wurde er einst mit der Band FRÆNDAR bekannt. Er spielt drei Songs für uns, darunter einen über die Färöer, einen über den Sommer und noch einen weiteren. Rani singt und begleitet sich dabei auf der Gitarre und bietet schöne Singer/Songwriter-Musik, hinterlässt jedoch keinen bleibenden Eindruck.

Der zweite in der Reihe ist Hans Andrias Jacobsen. Auch er ist auf den Färöern kein Unbekannter, gewann er doch bereits 2012 den Planet Awards für den besten neuen Solokünstler. Hans Andrias begeistert sofort mit seiner schönen, rauchigen Stimme. Er präsentiert Stücke von seinem noch immer aktuellen Album „Vision“ aus dem Jahr 2016. Seine Stimme kommt bei „Haze“ besonders gut zur Geltung. Und bei „Wasteland“ legt er dann einen Abgang hin, an den man sich noch lange erinnert wird. Denn er verlässt, noch immer singend und Mundharmonika spielend, einfach den Saal. Am Anfang denkt man noch, er käme wieder zurück, um sich seinen Applaus abzuholen – doch weit gefehlt. Er bleibt zunächst verschwunden. Der Bürgermeister kommentiert das mit „Elvis has left the building!“.

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Wir verlassen das Gebäude aber noch nicht. Denn nun gibt es eine (mehr oder weniger) Akustik-Version von DANNY & THE VEETOS. Allmählich bekommen wir das Gefühl, dass man uns diese Band – warum auch immer – besonders verkaufen will. Und ich meine – das sind ja alles nette Leute, aber die Musik haut einen nun nicht wirklich vom Hocker. Immerhin gibt es musikalisch Abwechslung. Wurden gestern nur neue Songs gespielt, so gibt es heute auch einige alte zu hören. Darunter auch ein färöisch-sprachiges Stück namens „Stúr Ei Meir“ vom letzten Album „Hint Of Melancholy“. Und bei „Why Am I Running?“ (ich vermute einfach mal, dass der Song so heißt) müssen wir alle mitmachen und beim Refrain kräftig mitsingen. Spaß machen die Jungs ja – aber wirklich überzeugt haben sie mich auch bei diesem Auftritt nicht.

Nach einer kurzen Verpflegung – es gibt mal wieder Fischsuppe – geht es für uns anschließend zurück nach Tórshavn, diesmal auf der schnellen Route durch die Tunnel. Es bleiben noch ein paar Stunden, um etwas zu essen und sich auf die Faroese Music Awards vorzubereiten. Wie es dort war, erfahrt ihr in einem eigenen Bericht. (Anne)


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