Interview mit Ingo Hampf (Subway To Sally)

Die Potsdamer SUBWAY TO SALLY veröffentlichen in den kommenden Tagen ihr mittlerweile achtes Studioalbum "Nord Nord Ost" und präsentieren damit einen weiteren Entwicklungsschritt in ihrer aufsteigenden Karriere. Bevor es für die Band im Herbst dann auf Tour geht, um das Album zu promoten, nutzte ich noch die Gelegenheit, Gitarristen und Songwriter Ingo Hampf zur späten Abendstunde am Telefon mit ein paar Fragen zu löchern, auf die er in seiner gewohnt ruhigen Art und Weise antwortete und dabei nicht nur eine Menge zum neuen Album zu erzählen hatte... Mika (Neckbreaker): Ingo, ihr habt die Arbeiten an Eurem kommenden Album abgeschlossen und stürzt Euch jetzt in die Promoarbeit. Seid Ihr da jetzt schon voll im Stress oder läuft das noch recht locker ab?

Ingo: Ach, ich glaube Du bist jetzt der vierte oder fünfte, für den ich ein Interview gebe.

Mika: Also gerade erst damit angefangen, wobei Ihr Euch diese Arbeit auch aufteilt, oder?

Ingo: Ja, wir teilen das unter uns auf und es ist jetzt erst der Anfang von der ganzen Sache. Eigentlich, muss ich auch ganz ehrlich sagen, bin ich mit diesen Phonern auch ein wenig unglücklich. Face-To-Face-Interviews find ich da normalerweise besser, aber das lässt sich nun mal nicht anders lösen, bei all den Interviews.

Mika: Klar. Euer neues Album "Nord Nord Ost" kommt in den nächsten Tagen in die Läden. Wie wars da im Studio? Ist Euch die Arbeit leicht gefallen oder fällt jetzt eher eine große Last von Euch ab?

Ingo: (lacht) Also leicht gefallen...wenn jemand sagt, das war alles ganz easy, dann lügt der, egal wer es jetzt ist. Das ist ja jetzt immerhin auch unser achtes Studioalbum und insofern auch in einer stressigen Zeit entstanden. Ich bin ja auch der Produzent des Albums, der Hauptsongwriter und hab persönlich auch ein schweres Jahr hinter mir. Also man kann schon sagen, gerade das letzte halbe Jahr war nah am Kamikaze, arbeitstechnisch gesehen, weil das Album bis jetzt dreimal verschoben wurde. Es war als erstes etwa gegen Ende Februar angesetzt, als Abgabetermin, dann sind wir irgendwann bei Anfang/Mitte Juni gelandet. Auch verschuldet durch ein paar persönliche Umstände. Aber es ist jetzt nicht so, als hätte es nicht auch Spaß gemacht...

Mika: ...besonders im Nachhinein?

Ingo: Genau.

Mika: Das Album ist im Vergleich zum Vorgänger "Engelskrieger" etwas softer ausgefallen.

Ingo: Ich denke, das erscheint dadurch, dass es vielschichtiger ist. Wenn es harte Passagen gibt, dann sind die genauso hart, aber die kommen nicht so häufig vor. Es passieren mehr atmosphärische Sachen, wodurch der Eindruck entsteht, dass es softer ist. Ein paar Stücke, wie zum Beispiel das "Seemanslied", das ja ein rein akustisches Stück ist, sowas gab es vom Stil her auf "Engelskrieger" eigentlich nicht und auch vom Tempo her gab es nicht so viele Variationsmöglichkeiten. Obwohl auch ein paar Balladen drauf sind, war es doch ein schnelleres Album, weil gerade die Stücke, die dann keine Balladen waren, sich eher im Uptempo-Bereich bewegt haben. Es ist für mich im Vergleich zu "Engelskrieger" sehr abwechslungsreich und ich hoffe, dass es für den Zuhörer in sich geschlossener wirkt, da es ja schon - wie soll ich sagen? - zu einem Film entstanden ist oder zu einem Zustand, in dem man sich befunden hat, von der Ausstrahlung her. Das erste reguläre Stück ist nach dem Intro ja "Schneekönigin" und der Kreis schließt sich so ein bisschen mit dem letzten Stück, auch inhaltlich.

Mika: Ihr bewegt Euch da ja auch von den Songtiteln her um einen Schwerpunkt von Feuer und Eis: "Schneekönigin", "Feuerland" über "Feuerkind" bis hin zu den "Eisblumen". Steckt da also auch ein absichtliches Konzept dahinter?

Ingo: Ja. Also sagen wir mal, die erste Idee dazu war wieder mehr mit Metaphern zu arbeiten. Bei "Engelskrieger" waren die ja nicht so direkt vorhanden. Da wollten wir dann wieder mehr die Metaphernsprache benutzen und die erste Überlegung war dann gewesen, seelischen Schmerz oder unglücklich sein mit dieser Metapher Kälte zu verbinden. Das war eigentlich die erste Herangehensweise, dass wir dann auch Titel herausgekramt haben wie "Feuerland" oder "Feuerkind", obwohl es bei "Feuerkind" in den Texten eigentlich auch um Kälte geht, obwohl es "Feuerkind" heisst. Aber das war so der erste Ansatz, wie dann auch "Schneekönigin" entstand. Da wird dann klar, dass wir da auch nicht über irgendeine Heldenfigur singen, sondern dass es eigentlich mehr so ein Beziehungsding ist, von dem man nicht loskommt, wie von dieser Schneekönigin, weil einem ein Kristall im Herzen steckt. Und bei "S.O.S." gehts natürlich auch nicht um Polarforscher, sondern auch um einen Hilferuf aus einem seelischen Zustand heraus, in dem man sich befindet. Beim "Seemanslied" gehts dann zuguterletzt nicht um einen Seemann, sondern um Einsamkeit oder große Sehnsucht. Da gefiel uns eben die Metapher von dem Seemann, der auf dem Meer alleine ist. So ist das eben mit den Metaphern zu verstehen.

Mika: Und wie vertragen sich diese Metaphern von Feuer und Eis mit dem Titel des Albums "Nord Nord Ost"?

Ingo: Diese Eisidee und das Feuer waren natürlich da die dominierenden Ideen auf dem Album, die allerdings recht plakativ sind. Und da hat man dann erst mal alle möglichen Ideen für einen Albumtitel durchgekaut und alles verarbeitet, wo eben auch Eis drin vorkam. Und da haben dann auch einige Leute von außen gesagt "Naja, toll...aber wenn das Album im Sommer rauskommt, ist das nicht so der Knüller", woraufhin wir dann Begriffe gesucht haben, die dann trotzdem vom Sinn her Kälte enthalten, wie zum Beispiel Norden. Norden alleine klingt aber ein wenig doof, daher vermittelt "Nord Nord Ost" zumindest ein wenig Hoffnung, da im Osten die Sonne aufgeht, wie beim "Seemanslied" wo dann das "Eis aus den Augen taut", weil die Sonne aufgeht, er sozusagen zurückkehrt. So ist dann der Titel zustande gekommen.

Mika: Alles klar...ist für den Hörer aber wohl schwer dahinter zu kommen.

Ingo: (lacht) Naja, ok, also die Geschichten, in denen es um Kälte geht, sind ja klar, und dann ist eine Himmelsrichtung "Nord Nord Ost" gerade in Verbindung mit dem Plattencover, das einen Kompass zeigt, also ein nautisches Gerät, schon eine Verbindung dazu. Da kriegt man eigentlich schon die Kurve. Allerdings die Interpretationen, die ich dann noch hineingelegt hab, da muss jeder für sich selbst wohl seinen eigenen Film finden.

Mika: Auf Eurer Single "Sieben" sind mit "Kaltes Herz" und dem Instrumental "Jericho" zwei Stücke enthalten, die auf dem Album nicht drauf sind. Haben die es einfach nicht aufs Album geschafft, waren aber zu schade, um sie nicht zu veröffentlichen? Oder steckt da was anderes dahinter?

Ingo: Ich sag mal, dieses Single-Ding ist ja sowieso nur so ein komisches Gedöns von der Plattenfirma. Ich bin selbst eigentlich kein Single-Fan. Aber ab ner bestimmten Größe einer Band ist das dann das einzigste Tool womit die arbeiten können, um ne anständige Promo für ein Album vorzubereiten. Und um so einer Single überhaupt eine Daseinsberechtigung mehr zu geben, außer dass da dann der plakative Song für´s Album drauf ist, der das Album am besten widerspiegelt, oder am fluffigsten ist, oder am tanzbarsten, oder was auch immer, verpasst man der Single dann noch ein paar Tracks mehr, die auf dem Album nicht drauf sind und dann noch dieses Video, was wohl auch mit am interessantesten ist, sich das anzuschauen.

Mika: Aus Eurer Info hab ich entnommen, dass Ihr jetzt für dieses Album mit dem Filmorchester Babelsberg zusammengearbeitet habt. Wie kam das zustande?

Ingo: Also es stand schnell fest, dass es dieses Mal mit etwas größer Geste passieren soll. Wir wollten einen etwas orchestralen Sound haben, mit so ein paar Sachen, die wir schon mal bei der vorletzen Platte "Herzblut" gemacht haben. Und da hat es sich natürlich angeboten, dass wenn wir es richtig machen wollen, es mit einem Orchester sein muss, nicht mit Samples oder mehrmaligen Overdubs. Deswegen haben wir mal geschaut, ob das mit dem Budget klar geht, ein wenig mit spitzem Stift gerechnet und dann haben wir das einfach so gemacht, bei ungefähr der Hälfte der Songs, und ich finde, das hat dem Ganzen sehr gut getan. Wenn man dann wirklich mal so nen Moment haben will, wie jetzt zum Beispiel bei "Feuerland", was ja eher ne schnellere Rocknummer ist, wo dann ein Bruch ist, mit Streichern und Gregorianik-Chören...das große Kino soll das sein, sozusagen. Das geht natürlich besser mit einem echten Orchester.

Mika: Live aber dann unterstützt durch Samples, oder? Denn Frau Schmitt kann ja nach wie vor nur eine Geige spielen.

Ingo: Ja klar, aber das ist noch gar nicht so raus, wie man das arrangiert, eventuell unterstützt, aber ich werde auch auf der Gitarre so ein paar Sachen streicher-like nachmachen, aber da muss man erst mal schauen. Das lässt sich aber mit Sicherheit nicht eins zu eins umsetzen.

Mika: Was sind denn Deine Favoriten auf dem Album?

(Schweigen)

Mika: Schwer, oder?

Ingo: Also "Schneekönigin" auf jeden Fall schon mal, "Feuerkind" im Zusammenhang mit dem Lauten-Stück davor, das "Seemannslied" auch.

Mika: Denn manche haben ja dann auch Favoriten, die dann live besonders gut zünden, oder sowas, wogegen andere Stücke sich auf der Bühne nicht so gut umsetzen lassen. So hat dann wohl jeder so seine eigenen Faves auf der Platte.

Ingo: Also ich seh das dann eher so, welche Stücke mich im Nachhinein beim Anhören noch am meisten berühren. Da denke ich dann weniger an "live" oder andere Leute. (lacht)

Mika: Mit Simon Michael habt Ihr jetzt auch einen Neuzugang in der Band. Hatte der auch schon einen gewissen Einfluss aufs Songwriting?

Ingo: Nee, also er hat auf der Platte noch nicht gespielt, weil er erst gefunden wurde, als die Drumtracks schon im Kasten waren. Wir haben lange einen Schlagzeuger gesucht, aber die Produktion musste ja losgehen, so dass die Drums dann ein Studiomusiker gespielt hat. Wir haben ihn dann erst später gefunden, so dass er keinen musikalischen Input auf der Platte hatte. Live bringt er jetzt natürlich ein paar Einflüsse mit.

Mika: Zu einer erfolgreichen Band gehört außer der Musik auch viel Drumherum dazu, wie jetzt zum Beispiel Outfits, Artwork oder die Webseite. Inwiefern entscheidet Ihr da selbst mit, was passiert und wie es umgesetzt wird? Habt Ihr da etwa die komplette Kontrolle über alle Bereiche oder vielleicht sogar das andere Extrem, dass Ihr Euch nur auf die Musik konzentriert und die anderen Bereiche anderen Leuten überlasst?

Ingo: Also das ist eigentlich so, dass man da schon die komplette Kontrolle drüber hat, wobei man das Machen jemandem überlässt, der es auch am besten kann. Man setzt sich da jetzt nicht hin und schiebt am Computer da irgendwelche Grafiken zusammen. Aber man entscheidet eben, schaut sich das an und überlegt, ob man das gut oder schlecht findet. Man muss da sicher auch mal loslassen, weil man vor seinem geistigen Auge dann eine andere Vorstellung hat und man muss auch schauen, dass es da einen Konsens mit der Band gibt. Aber uns wird da nichts aufgebrummt, dass da irgendjemand sagt, so müsst Ihr Euch anziehen, oder sowas. Man schlägt uns dann schon manche Ideen vor, wo andere mehr Erfahrung haben, aber im Endeffekt bleibt es unsere freie Entscheidung.

Mika: Ihr seid dieses Jahr bereits bei Rock Am Ring und Rock Im Park aufgetreten. Dabei ist Euren Pyrotechnikern scheinbar ein kleines Missgeschick passiert. Ihr standet da eine Weile im Nebel. Was war denn da los?

Ingo: Das war kein Missgeschick, das sollte so sein. Das ist ein Nebeleffekt, wobei keine Nebelmaschine benutzt wird, sondern ein Pyroeffekt, der diesen schwarzen Rauch macht und da gab es dann vorher die Ansage, das ist ne große Bühne, ziemlich hoch und breit, also mach mal ordentlich was rein. Und dann war es auch ordentlich, (lacht) dass dann da die halbe Belegschaft geräuchert wurde.

Mika: Ja eben, ich hab das in Eurem Tourtagebuch gelesen. Da hat Simon Michael geschrieben, dass sich die ganze Band auf die Seite der Bühne verzogen hat, um atmen zu können, nur er hinter seinem Schlagzeug durfte dann eben Rauch atmen.

Ingo: Ja...so ungefähr war das.

Mika: Wie würdest Du Deine Mitstreiter charakterisieren? Gibt es da ganz bestimmte Typen, wie zum Beispiel den Komiker der Band oder den Organisator?

Ingo: Also klar haben wir da unterschiedliche Charaktere, aber Komiker? Haben wir nen Komiker? (überlegt) Also nee, wir haben keinen Komiker, glaub ich. (lacht) Ich denk eher, unser neuer Schlagzeuger hat da ein Gespür für Witz, (lacht wieder) wenn der sich dann so ein Gebiss reinschiebt, hinterm Schlagzeug dann mit so einem Gummiding sitzt, wo man so große Zähne hat, das zeugt ja schon von nem gewissen Humor. Und ansonsten gibts da eher ne Aufgabenverteilung, dass zum Beispiel unser Basser sich mehr ums Merchandising kümmert und um die geschäftliche Seite, Simon die Management-Seite macht, und Eric, abgesehen davon, dass er auch singt und Songs schreibt, sich mehr um die Fanarbeit kümmert.

Mika: Abgesehen von einer ganzen Menge Festivals, die Ihr spielt, geht Ihr im Herbst dann wieder auf Tour, um Euer Album zu promoten. Freust Du Dich da schon auf das Leben auf der Straße oder bist Du weniger der Tourmensch?

Ingo: Naja...Leben auf der Straße...da schläft man meistens. Aber ich weiss, was Du meinst: Ob es schön ist, auf Tour zu sein.

Mika: Genau, also ich denk mal, auf die ersten Gigs freut man sich sowieso, aber nach einer Weile sehnt man sich wohl auch wieder nach den eigenen vier Wänden, oder?

Ingo: Ja, natürlich. Man muss auch bedenken, dass wir das schon ein paar Jahre machen. Im Prinzip sind wir seit 1992 auf Tour. Man kann da nicht mehr so das "Sex, Drugs and Rock´n´Roll"-Ding abziehen, dass man sich da ununterbrochen zulötet oder irgendwelche anderen Sachen einwirft. Das läuft inzwischen recht vernünftig und gesittet ab. Und jeder hat da auch so sein Ding, wie er das übersteht. Ich versuche da auch jeden Tag mir ein wenig Ausgleich zu verschaffen, also nicht den ganzen Tag auf die zwei Stunden Gig am Abend zu warten. Da wirst Du auf Dauer blöd im Kopf, säufst aus Langeweile oder machst sonstwas. Da schaut man eher, dass man ein wenig Sport macht, oder in die Schwimmhalle geht, sich die Stadt anschaut, oder sich auch so ein wenig Arbeit mitnimmt. Kommt natürlich auch mal vor, dass Du in einer Stadt spielst, wo Du schon alles gesehen hast, und dann doch nochmal in ner Bar landest (lacht). Aber so aufregend, wie man sich das gerne vorstellt, ist es gar nicht.

Mika: Ihr seid aber alle vollzeit "Subway To Sally"?

Ingo: Du meinst, ob wir alle Musiker sind?

Mika: Ja.

Ingo: Ja, sind wir.

Mika: Da hat also niemand einen Nebenjob sondern Ihr könnt alle voll von der Musik leben?

Ingo: Ja. Also unser Schlagzeuger hat noch andere musikalische Jobs zu erledigen, Verpflichtungen, die er jetzt natürlich nicht alle direkt canceln konnte. Aber ansonsten ist er auch erst 21 und ist am überlegen, was er eigentlich machen will, ob er Musik studieren will und dann vielleicht nach Berlin zieht oder ob er dann auch davon lebt.

Mika: Alles klar. Dann mal vielen Dank für das Interview!
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