Drucken

interview hamferd 20131111 01HAMFERĐ stammen von den Färöern und machen Doom Metal. Das prädestiniert sie schonmal dafür, daß ich mir die Band genauer ansehe. Und obwohl Doom Metal nicht unbedingt mein Steckpferd ist, hege ich doch ein Sympathie für diese Spielart des Metals und selbst wenn nicht: HAMFERĐ begeistern einfach. Dafür muß man meiner Meinung nach noch nicht einmal ein großer Doomfan sein. Schon ihre erste Veröffentlichung, die EP “Vilst Er Síðsta Fet” konnte mich beeindrucken und so habe ich mit Spannung auf das Debütalbum der Band gewartet. „Evst“ erschien bereits am 11.10. auf den Färöern, sei dem 15.11. ist sie auch weltweit zu bekommen. Meine Meinung über die Scheibe könnt ihr hier nachlesen. Und wenn ihr das Review gelesen habt, werdet ihr auch verstehen, daß ich mich mit der Band unterhalten muß. Aufgrund der großen Distanz ist das zwar leider nur per Email möglich, aber Jón Alderá und Theodor Kapnas waren nicht knickrig, was das beantworten der Fragen angeht. Doch lest selbst:

 

Anne: Hallo Theodor und Jón! Mein Name ist Anne und ich schreibe für Neckbreaker.de, ein deutsches Webzine. Mein Färöisch ist nicht gut genug, um das Interview auf Färöisch zu machen, darum sind die Fragen auf Englisch:

Auf den Färöern wurde das Album fast einen Monat früher veröffentlicht als im Rest der Welt. Gibt es einen bestimmten Grund hierfür?

Theodor: Wenn man ein Album international veröffentlichen will, braucht man einen gewissen Zeitpuffer von mehreren Monaten Dauer zwischen der Fertigstellung des Albums und dem eigentlichen Veröffentlichungstermin. Diese Zeit wird benötigt, um eine gute Promotion und den Vertrieb vorzubereiten usw. Dieser Zeitpuffer ist auf den Färöern nicht notwendig. Wir hatten „Evst“ schon im August komplett fertig und als gepresste CD vorliegen. Wir sind darum mit dem Label und unserem Management darin überein gekommen, daß es keinen Grund gibt, das Album auf den Färöern noch zurückzuhalten.  

Anne: Wie ist das Album auf den Färöern angekommen?

Theodor: Bisher haben wir großartige Reaktionen bekommen. Das Album wurden vom nationalen Radio besprochen und bekam 6 von 6 Punkten, und wir bekamen viel positives Feedback von den Leuten direkt. Wir hoffen, die internationale Resonanz wird ähnlich ausfallen.  

Anne: "Evst" ist ein Konzeptalbum soweit ich weiß. Könnt ihr unseren Lesern etwas über die Story erzählen?

Jón: Es ist die Geschichte eines Mannes, der seinen Sohn in den Bergen verliert. Die Songs sind eine poetische Interpretation der Gedanken, Gefühle und Ansichten des Mannes, während er sein Kind in dem rauen Terrain sucht. Gleichzeitig kämpft er darum, nicht seinen Verstand zu verlieren, in diesem Karussell aus Schuld und Angst vor seiner Vergangenheit. Auf seinem Weg trifft er die mystischen Huldur, ein graues Volk, das aus der färöischen Mythologie bekannt ist, und die in den Bergen leben. Sie versuchen, ihm zu helfen, aber die Welt der Huldur ist nicht sehr vereinbar mit der sterblichen Welt und die Zusammenarbeit wird für beide Seiten sehr schmerzvoll. Wer sich dafür interessiert kann sich gerne die Zeichnungen für alle sechs Songs auf unserer Facebookseite ansehen und die Zeichnungen im Booklet illustrieren auch die Story.  

Anne: Ihr habt auch sechs Zeichnungen (eines pro Song) auf eurer Facebookseite gepostet. Macht ihr ein ganzes Konzept aus der Story, bei dem alles, was die Band betrifft, im Stil dieser Bilder gehalten ist? Vielleicht auch eine Artbookversion des Albums?

Jón: Darüber haben wir tatsächlich nachgedacht. Vielleicht eines Tages, aber im Moment müssen wir die Veröffentlichung eher einfach halten und die Musik für sich selbst sprechen lassen. Aber ja, eine Mediabook-/Artbookversion des Albums würde auf jeden Fall das Konzept positiv unterstützen und wir hoffen, daß wir so etwas in der Art in der Zukunft machen können.  

Anne: Wie wichtig ist es für euch so etwas wie ein umfassendes Konzept zu haben?

interview hamferd 20131111 02Jón: Wir empfinden es als sehr wichtig. Uns allen in der Band gefällt die Idee von einem stimmigen Album, bei dem alle Songs miteinander verknüpft sind und das verlangt, daß man sich alles vom Anfang bis zum Ende anhört. Auf diese Art zu schreiben, verbindet den ganzen Prozess. Uns ist es auch wichtig, unsere Musik auf eine möglichst passende und effektive Art zu präsentieren. Deshalb arbeiten wir gerne hart am Artwork und halten eine gewisse Art Etiquette während unserer Shows ein. Ich habe mich bei HAMFERĐ so sehr daran gewöhnt, daß ich mir kaum vorstellen kann, etwas ohne diese Art Konzept zu machen. Ich werde es aber wahrscheinlich trotzdem tun.

Anne: “Evst” ist ein sehr gutes Album für ein Debüt. Und auch eure EP “Vilst Er Síðsta Fet” war wirklich gut. Ich mag beide Scheiben sehr. Wie sah eure musikalische Ausbildung aus? Habt ihr euch alles selbst beigebracht oder hattet ihr Unterricht? Haben vielleicht einige von euch sogar Musik studiert?

Theodor: Ich habe ein Jahr lang Violine und Klavier gespielt, als ich noch sehr jung war und Jenus spielt Tuba, aber als Metalband haben wir uns das meiste selbst beigebracht. Einige von uns hatten für ein paar Jahre Unterricht, aber niemand von uns hat eine richtige musikalische Ausbildung. Ich habe einen Abschluß in Tontechnik, was einer „musikalischen Ausbildung“ wohl noch am nächsten kommt. Wir haben aber alle schon seit Jahren als aktive Musiker in anderen Bands gespielt.  

Anne: Soweit ich das mitbekommen habe, habt ihr viele positive Reaktionen auf das Album erhalten. Ich schätze mal, ihr seid jetzt ziemlich glücklich. Aber schraubt das die Erwartungen an das nächste Album nicht sehr hoch oder denkt ihr noch nicht so weit voraus?

Theodor: Wir sind wirklich froh und auch stolz, daß die Leute das Album mögen. Wir machen uns selbst den meisten Druck, wenn wir Songs schreiben und so war es schon immer. Bei diesem Album wollten wir uns weiterentwickeln und das beste Album machen, das wir konnten. Wir setzen uns selber hohe Standards und wenn wir die erreichen können, dann hoffe ich, daß auch andere Leute die Musik mögen werden.

Anne: Gibt es Pläne, ein Video zu einem Song von “Evst” zu machen? Falls ja, für welchen Song?

Theodor: Wir würden wirklich gerne ein Video machen, aber bisher haben wir noch keinen Weg gefunden, um das zu realisieren. Wir denken an den Song „Evst“, aber das hängt auch davon ab, welche Art Video es wird und wer der Regisseur ist.

Anne: Wie habt ihr es geschafft, Eivør [Pálsdóttir, Anm. d. Verf.] als Gastsängerin für “Sinnisloysi” zu gewinnen?

Theodor: Ich kenne Eivør ziemlich gut. Ich habe bei den Aufnahmen für ihr letztes Album im Studio Bloch, wo ich arbeite, geholfen und sie hat letztens auch einige andere Projekte im Studio aufgenommen. Wir haben schon seit langem darüber gesprochen, einmal weiblichen Gastgesang zu haben und Eivør war unsere erste Wahl, da sie eine der besten Sängerinnen der Welt ist und viel mit uns gemeinsam hat. Also habe ich sie gefragt, sie hat ja gesagt, und der Rest ist Geschichte.

Anne: Auf eurer EP “Vilst Er Síðsta Fet” interpretiert ihr einen alten färöischen Psalm (“Harra Guð Títt Dýra Navn Og Æra”). So etwas habt ihr nicht auf dem aktuellen Album. Denkt ihr, daß ihr so etwas in der Zukunft noch einmal machen werdet, vielleicht auch eine Ballade [fär.: kvæði, Anm. d. Verf.]? Oder wollt ihr nur noch Songs verwenden, die ihr auch selbst geschrieben habt?

Jón: Man weiß natürlich nie, was die Zukunft bringt, aber im Moment haben wir nicht vor, einen Psalm oder ein Kvæði aufzunehmen. Der Psalm war etwas, was wir schon lange mal ausprobieren wollten und er schien perfekt als Intro für die EP, weil es die Stimmung sehr schön ausdrückt und entwickelt, unserer Meinung nach. Es war nie geplant, diese Art der Interpretation häufiger zu machen. Es gibt noch viel andere Schätze in der färöischen Musikgeschichte, von daher: Man kann nie wissen.  


"Mehr als 2 bis 3 Shows pro Jahr, und ich denke, wir würden anfangen, den Leuten auf die Nerven zu gehen."

Auf den Färöern herrschen etwas andere Dimensionen als bei uns.



Anne: Meiner Meinung nach machen euch die färöischen Texte sehr speziell und verleihen eurer Musik eine spezielle Tiefe, aber auch Schwere. Andererseits könnten sie euch aber auch aus der internationalen (Doom) Metal-Szene ausschließen, da die meisten Menschen nicht verstehen, um was es in den Texten geht. Wie ist eure Meinung dazu?

Jón: Danke schön. Ja, ich glaube, das unterstützt unsere Musik auf vielfältige Weise. Ich kann mir HAMFERĐ definitiv in keiner anderen Sprache vorstellen. Wir sind so eng mit der färöischen Kultur und Sprache verbunden, daß es uns einfach natürlich erscheint. Wir tun unser Bestes, um das Konzept auf einer emotionalen Ebene, durch die Atmosphäre der Musik, zu vermitteln und hoffentlich genügt das, dass uns die Leute unsere Vorliebe für unsere Muttersprache vergeben. Aber wenn uns das von der internationalen Szene ausschließt, dann sei’s drum. Es bleibt so, wie es ist.

Anne: Habt ihr schon mal darüber nachgedacht, Übersetzungen der Texte im Booklet abzudrucken, um es für eure Fans leichter zu machen, diese oder die Geschichte dahinter zu verstehen?

Jón: Wir haben keine Übersetzungen im Booklet, nein. Wir sind uns auch nicht sicher, ob das eine gute Idee ist, da wir auch versuchen, das Konzept durch das Artwork rüberzubringen. Wir denken, das unterstützt die Musik am besten. Aber das Artwork selbst (die Bilder im Booklet), enthält Illustrationen, die die Geschichte chronologisch erzählen. Wir überlegen auch, Übersetzungen der Texte ins Internet zu stellen. Mal sehen, was daraus wird.

Anne: Ihr seid – soweit ich weiß – die einzige färöische Metalband, deren Texte ausschließlich Färöisch sind. Ist das auch eine Möglichkeit, um sich von TÝR zu unterscheiden?

Jón: Nein. Wir versuchen nicht bewußt, uns von irgendeiner Band zu unterscheiden, färöisch oder nicht. TÝR machen ganz andere Musik als wir und haben ein völlig unterschiedliches Bandkonzept, das mehr nordisch ist. Wir sind mehr daran interessiert, ein Gefühl für das Leid und die Härte, die die färöische Geschichte übersäten, zu verbreiten, ohne uns auf eine bestimmte Zeitspanne zu spezialisieren. Es ist mehr ein emotionaler und poetischer Standpunkt als ein historisch-analytischer oder beschreibender.

interview hamferd 20131111 03Anne: Ich habe gehört, daß viele färöische Metalbands Angst haben, als bloße Kopie von TÝR angesehen zu werden obwohl ich finde, daß die meisten dieser Bands ganz anders klingen, vor allem ihr, da Doom und Viking Metal nicht sehr viel gemeinsam haben. War das jemals ein Problem für euch?

Jón: Nicht wirklich. Ich glaube nicht, daß es eine Band auf den Färöern gibt, die wie TÝR klingt. Sie haben einen sehr eigenen Sound, so wie wir – zumindest unserer Meinung nach. Und wir haben auch noch niemanden gehört, der gesagt hätte, wir klingen wie TÝR, von daher war das nie ein Problem.  

Anne: Sind ausschließlich färöische Texte nur möglich, wenn man Musik wie Doom Metal spielt? Ich habe gehört, daß viele Bands von den Färöern, die sagen wir Thrash Metal spielen, denken, daß Färöisch nicht die richtige Sprache dafür ist und Englisch besser wäre.

Jón: Nun, es mag härter und direkter klingen, wenn man Englisch benutzt in den roheren Genres wie Thrash und Death Metal. Aber das liegt alles im Auge des Betrachters. Es gab viele Ideen für färöischen Death Metal zum Beispiel, und ich sehe keinen Grund, warum das nicht funktionieren sollte, wenn es richtig gemacht wird.

Anne: Auf der Bühne tragt ihr Kleidung, die nicht nach Metal aussieht und ihr erschafft dadurch eine Art Beerdigungsatmosphäre. Ist das auch eine Möglichkeit, sich von anderen Bands zu unterscheiden, oder leichter erkannt zu werden?

Jón: Zu einem gewissen Grad vielleicht, aber wir sind nicht die erste Metalband, die auf der Bühne Anzüge trägt, von daher ist die Hauptidee nicht, einfach etwas Besonderes zu sein. Wir denken, daß diese Beerdigungsenergie sehr gut zu unserer Musik paßt und da Beerdigungen immer eine große Rolle dabei gespielt haben, die Gemeinden auf den Färöern zusammenzubringen, fühlt es sich nur natürlich an, Anzug und Krawatte zu tragen.  

Anne: Ihr habt ein Konzert mit SÓLSTAFIR im Norðurlandahúsið (Nordlandhaus) gespielt, warum geht ihr nicht zusammen auf Tour?

Theodor: Wir würden sehr gerne mit SÓLSTAFIR auf Tour gehen! Aber eine Europatour zu organisieren ist nicht einfach; wäre es das, wären wir permanent auf Tour! Wir hoffen auf jeden Fall, daß es uns eines Tages möglich ist, mit SÓLSTAFIR auf Tour zu gehen.

Anne: Wie war denn das Konzert im Norðurlandahúsið (Ich wünschte, ich hätte dabei sein können!)?

Jón: Es war eine wunderbare Erfahrung. Am schönsten waren die Dinge, die wir zuvor noch nie gemacht hatten, wie z.B. das neue Album in voller Länge spielen (3 Songs davon hatten wir davor noch nie live gespielt), eine tolle Visualisierung, die der großartige Egil Høgenni Hansen umgesetzt hat oder die Zusammenarbeit mit der talentierten Lív Næs, die Eivørs Parts in “Sinnisloysi” gesungen hat. Und natürlich, die Bühne mit SÓLSTAFIR zu teilen, großartige Kerle und eine wirklich einzigartige und mächtige Band. Noch dazu war es unser erster Auftritt im Norðurlandahúsið, was eine absolute Topadresse für Konzerte auf den Färöern ist, sowohl was den Sound angeht, als auch die Architektur. Und die Leute im Publikum schienen wirklich zufrieden zu sein und das ist am Ende alles, was man will.    

Anne: Wieviele Konzerte spielt ihr pro Jahr auf den Färöern?
 
Theodor: Wir haben in den letzten Jahren immer zwei oder drei Shows pro Jahr auf den Färöern gespielt. Es ist ein kleines Land, und darum kann man als Doom Metalband nur eine begrenzte Anzahl Shows pro Jahr spielen um für die Leute immer noch interessant zu bleiben. Mehr als 2 bis 3 Shows pro Jahr, und ich denke, wir würden anfangen, den Leuten auf die Nerven zu gehen, haha.

interview hamferd 20131111 04Anne: Vor ein paar Jahren hat Heri Joensen [Frontmann von TÝR, Anm. d. Verf.] in einem Interview gesagt, daß es so etwas wie eine färöische Metalszene nicht gibt. Aber ich glaube, da hat sich in den letzten Jahren einiges geändert. Als ich die Färöer dieses Jahr besucht habe, sah ich ziemlich viele Leute mit langen Haaren und Metalshirts; von daher sieht es so aus, als ob es viele Leute gäbe, die auf Metal stehen. Könnt ihr unseren Lesern etwas über die färöische Metalszene erzählen?

Jón: Ich weiß nicht, wann Heri das gesagt haben soll, aber in den letzten sieben bis acht – vielleicht auch mehr – Jahren hat sich immer mehr eine Metalszene gefestigt. Sowohl, was die Bandaktivitäten, als auch was die Fans angeht. Wie du sagst kann man viele Langhaarige mit Bandshirts sehen und die Musikpresse nimmt Bands wie TÝR, HAMFERĐ und SIC sehr ernst, wenn wir etwas Neues herausbringen. Die ganze Musikszene unterstützt den Metal sehr. Im letzten Jahr haben wir mit dem Tórshavner Männerchor, Eivør Pálsdóttir und ORKA’s 5.2 project zusammengearbeitet. Von daher ist die Metalszene (zumindest, soweit es uns betrifft) sehr gut in die gesamte Musikszene integriert. Im Moment tut sich jedoch nicht viel im färöischen Metal. Wir haben alte Bands wie SIC, SYNARCHY und INCURSE, die im Moment mehr oder weniger auf Eis liegen und es ist ungewiss, was die Zukunft für diese Bands bringt. Dann gibt es auch noch jüngere Bands wie EARTH DIVIDE und ASYLLEX, die im Moment ziemlich aktiv und sehr ambitioniert sind. Wenn man bedenkt, daß auf den Färöern nur 49.000 Menschen leben, ist die Metalszene hier sehr stark.                  

Anne: Ihr spielt einige Konzerte in Europa, einige mit CORVUS CORAX (die meiner Meinung nach musikalisch nicht so gut zu euch passen) und AMORPHIS (was schon besser paßt). Warum spielt ihr nicht eine komplette Tour? Mit Bands, die besser zu euch passen? Mit anderen Doom Metal Bands oder vielleicht mit TÝR oder Eivør?  

Theodor: Eine Europatour zu buchen ist ein wirklich großes Projekt. Wir haben eine Booking-Agentur, Dragon Productions, die unsere Touren buchen. Um eine Tour zu buchen, müssen sie verschiedene Promoter überall dort, wo wir spielen wollen, finden. Die Promoter buchen dann die Hallen und organisieren die einzelnen Shows. Die Shows müssen dann genug abwerfen, um die Reisekosten zu decken, die Busmiete, Essen, Hotels usw. All das macht das Buchen einer Tour wirklich hart, v.a. wenn es sich um eine relativ kleine Band wie HAMFERĐ handelt.
Als Band können wir wenig dabei mitreden, wo wir spielen werden, das organisieren alles die Promoter oder unser Management entscheidet, auf welche Gegenden wir den Fokus legen sollten. In einer perfekten Welt würden wir ständig große Touren mit etablierten Doom Metalbands machen, aber es gibt nicht viele derartige Touren. Wir konnten dieses Mal keinen Supportslot bekommen, der wirklich gut gepaßt hätte, von daher vereinbarten wir mit der Bookingagentur und dem Management, daß wir unsere eigene Tour buchen. Wir freuen uns sehr darauf und wir sehen es auf jeden Fall als richtige Releasetour, nicht nur ein paar einzelne Konzerte. Bei unseren Headlinershows werden wir ein richtiges, langes Set spielen können, anstatt nur ein 30 Minuten langes Vorbandset, und das gefällt uns natürlich.

Anne: Wäre es für euch eine Option, die Färöer zu verlassen und z.B. als Band geschlossen nach Dänemark zu ziehen, um leichter musikalischen Erfolg zu haben?

interview hamferd 20131111 05Jón: Wahrscheinlich nicht. Im Moment sind die Färöer ein großartiger Ort um dort zu leben. Hier gibt es eine Gemeinschaft, die ihre ernstzunehmenden Musiker so gut wie möglich unterstützt. Und wenn du Professionalität und eine positive Einstellung an den Tag legst, dann ist die Musikszene in Tórshavn eine sehr inspirierende Gemeinschaft. Zu Zeiten bevor es Internet gab, hätte wahrscheinlich eine größere Notwendigkeit bestanden, einen solchen Umzug anzudenken, aber heutzutage ist man mit der ganzen Welt verbunden.

Theodor: HAMFERĐ wären nicht so schnell groß geworden ohne die Unterstützung der färöischen Gesellschaft und von Tutl, was für uns von großem Vorteil war in den letzten Jahren. Nichtsdestotrotz bekommen wir mehr und mehr Angebote im Ausland zu spielen, was zu dem Problem führt, daß es wirklich teuer ist, zwischen den Färöern und Kontinentaleuropa hin und her zu reisen. Aber dennoch denke ich, daß zur Zeit die Färöer für uns die beste Ausgangsstation sind.  

Anne: Letztes Jahr habt ihr die Wacken Metal Battle gewonnen. Hatte das Auswirkungen auf die Entwicklung der Band, hatte es positive oder negative Effekte oder war es einfach nur eine tolle Erfahrung?

Theodor: Die Wacken Metal Battle zu gewinnen war eine fantastische Erfahrung für die Band. In Wacken zu spielen war wie ein wahrgewordener Traum, und das ganze hat der Band auf jeden Fall geholfen. Außerdem haben wir im Wettbewerb einige Leute kennengelernt, mit denen wir nun eng zusammenarbeiten, also alles in allem war es großartig für die Band.

Anne: Ihr habt den Deal mit Nuclear Blast, den ihr bei der Wacken Metal Battle gewonnen habt, ausgeschlagen. Was war der Grund dafür?

Theodor: Als uns der Deal von Nuclear Blast angeboten wurde, haben wir bereits an der internationalen Veröffentlichung des Albums via Tutl gearbeitet. Tutl hat die Band von Anfang an unterstützt und uns geholfen, schneller zu wachsen als jeder von uns erwartet hätte. Wir wollen das zu einem Teil zurückzahlen und als klar war, daß wir international veröffentlichen können und bei Tutl bleiben können, haben wir uns für diesen Weg entschieden. Tutl ist großartig für uns wir bereuen diese Entscheidung nicht.  

Anne: Hofft ihr, daß ihr eines Tages von der Musik leben könnt oder denkt man als Mitglied einer Doom Metal Band noch nicht einmal daran?

Theodor: Träumen kann man ja immer… Und wir sind sehr ambitioniert und wir wollen, daß HAMFERĐ noch eine viel größere Band wird, als sie es heute ist. Aber wenn man sich die Musikindustrie heutzutage betrachtet weiß ich nicht, ob es realistisch ist, daß wir jemals von der Musik werden leben können. Die einzelnen Mitglieder verdienen im Moment kein Geld mit der Band, alles geht direkt wieder für die Band drauf. Aber wir sind ja nicht in der Band, um Geld zu verdienen, wir haben die Möglichkeit, die Musik die wir lieben zu schreiben und aufzunehmen und in Europa herumzureisen (und in der Zukunft hoffentlich in der ganzen Welt) und diese Musik live zu präsentieren. Das ist mehr, als die meisten Menschen erreichen und deshalb wollen wir uns nicht beklagen!

Anne: Sind einige Bandmitglieder auch in anderen Bands aktiv oder wollt ihr euch allein auf HAMFERĐ konzentrieren?

Jón: HAMFERĐ ist für alle Mitglieder die Hauptband, aber fast jeder spielt noch in anderen Bands oder Projekten. Die meisten davon sind lokale Projekte, oft nur zum Spaß, aber wir alle haben sehr unterschiedliche musikalische Interessen und daher gefällt keinem von uns die Idee, sich selbst einzuschränken, indem wir nur bei HAMFERĐ spielen. Jenus z.B. spielt in seiner alten Thrashband INCURSE die er seit fast 10 Jahren oder so unterhält. John spielt in einer seltsamen Rock’n’Roll-Band namens JÜRGHINN, Remi und Theodor sind in einer Saufkapelle namens Rock’n’Rolls Royce, Esmar hat eine Immer-mal-wieder-Coverband und Theodor und John versuchen sich in ihrer Freitzeit etwas am Death Metal. Ich habe ein paar Gastauftritte hier und da und auch noch etwas größeres, aber darüber kann ich im Moment noch nichts sagen.


"[...] der Sender war nicht in der Lage einen Kirchenvertreter zu finden, der gegen das Konzert war."

Selbst auf den sehr religiösen geprägten Färöern gibt es vernünftige Leute



Anne: Soweit ich weiß, bekommen viele färöische Bands finanzielle Unterstützung von der Regierung oder von Firmen. Erhaltet ihr auch Unterstützung in dieser Form?

Theodor: Ja, tun wir. Die Kosten um ein Album aufzunehmen und international aufzutreten sind zu groß, als daß wir genügend Geld zusammenbekommen würden, um diese Kosten zu decken. Darum haben wir Unterstützung von der Allgemeinheit erhalten, sowohl über die Kulturstiftung der Regierung als auch von privaten Organisationen und Kulturstiftungen. Ohne diese Unterstützung würden wir jetzt keine Europareleasetour für ein neues Album planen. Darum sind wir sehr dankbar und betrachten uns als sehr privilegiert, daß wir diese Möglichkeit haben.  

Anne: Ihr habt ein Video veröffentlicht, in dem ihr „Vráin“ in der Havnar Kirkja [Stadtkirche von Tórshavn, Anm. d. Verf.] spielt. Wie habt ihr dieses Konzert organisiert? Ich meine, in Deutschland wäre es nahezu unmöglich für eine Metalband in einer Kirche zu spielen, die noch für Gottesdienste genutzt wird. Ich dachte, auf den Färöern wäre das noch schwerer.

interview hamferd 20131111 06Theodor: Wir dachten auch, es wäre unmöglich! Es begann alles damit, daß wir auf einem Festival etwa 100 m von der Kirche entfernt gespielt haben und ich hatte die verrückte Idee, die Kirchenglocken als Intro für unsere Show zu verwenden. Die Kirchenglocken der Havnar Kirkja spielen “Harra Guð, Títt Dýra Navn Og Æra” um vier Uhr nachmittags, von daher war das perfekt. Ich dachte nie, daß sie daran interessiert wären, darum habe ich gar nicht erst gefragt. Aber ich erwähnte die Idee einem Freund gegenüber, der mit einem hochrangigen Mitglied der Kirche verwandt ist und er fand das eine fantastische Idee. Wir haben es nicht geschafft, das für den Festivalauftritt hinzubekommen, aber der Enthusiasmus von Seiten der Kirche war sehr ermutigend. Wir haben schon lange überlegt, einen Auftritt in einer Kirche zu spielen und wir hatten einige Treffen mit der Kirche, präsentierten unsere Idee dem Kirchenrat und sie unterstützten es sehr.  
Ehrlich gesagt waren wir über das Fehlen von Empörung überrascht. Offensichtlich gab es Leute, die nicht glücklich darüber waren. Aber niemand kontaktierte uns und niemand kritisierte uns öffentlich, was ich fantastisch finde. Es gab eine Livedebatte wegen der Show einige Tage danach im Fernsehen, aber der Sender war nicht in der Lage einen Kirchenvertreter zu finden, der gegen das Konzert war. Also endete die Debatte damit, daß ein Journalist versuchte eine Kontroverse zu erschaffen, aber es klappte nicht, da beide Kirchenvertreter so glücklich waren und das Konzert unterstützten.
Die Zusammenarbeit mit so vielen verschiedenen Leuten aus komplett unterschiedlichen Verhältnissen war etwas, das ich sehr selten erlebt habe und es hat mich geplättet. Da waren Mitglieder des Kirchenrates im Glockenturm beschäftigt, sie haben den Leuten Sitze angewiesen usw., was man nie für eine Metalshow erwarten würde. Es war ein Erlebnis, daß ich niemals vergessen werde und ich hoffe, ich werde etwas ähnliches nochmal erleben. Das war definitiv eines der größten Highlights unserer bisherigen Karriere.  

Anne: Habt ihr das ganze Konzert aufgezeichnet oder nur diesen einen Song? Falls ihr das ganze Konzert aufgezeichnet habt, wird das vielleicht als DVD veröffentlicht werden?

Theodor: Wir haben das ganze Konzert aufgezeichnet, aber ich bezweifle, daß wir es als DVD veröffentlichen werden. Aber wahrscheinlich werden wir noch einige Ausschnitte von der Show im Internet veröffentlichen, wenn es zeitlich paßt.

Anne: Ihr seid eine Band, die in einem kleinen Genre des Metal spielt und kommt von abgelegenen Inseln – sind das Umstände, die einen besonderen Druck auf euch ausüben, daß ihr besonders gut sein müßt, um in der Welt des Metals einfach nur wahrgenommen zu werden?

Jón: Doom ist natürlich ein ziemlich kleines Genre, aber wir versuchen uns nicht selbst auf seine Grenzen zu limitieren. Hoffentlich ist dieses Label nicht so sehr eine Definition für uns, da wir denken, daß unsere Musik auch Leuten gefallen könnte, die nicht speziell auf Doom stehen.
Betrachtet man unsere Nationalität, könnte ich fast das Gegenteil behaupten: Es könnte ein großer Vorteil für uns sein, als „exotisch“ angesehen u werden. Letztendlich ist es die Musik, die die Leute auf dich aufmerksam macht. Aber Färinger zu sein wird wahrscheinlich eher das Interesse der Leute an uns befeuern als ein Hindernis für uns sein.

Anne: Warum hat Tinna die Band verlassen und war es schwer, einen Ersatz für sie zu finden?

interview hamferd 20131111 07Theodor: Wir haben das lange kommen gesehen. Die Band und Tinna entwickelten sich auseinander, sowohl auf musikalischer als auch auf persönlicher Ebene. Wenn du in einer aktiven Band spielst und viel zusammen unterwegs bist, dann lernt man sich wirklich gut kennen und man muß in der Lage sein, jeden jederzeit zu tolerieren. Als wir begannen, aktiver zu werden, stellten wir fest, daß es nicht funktionieren würde, unsere Persönlichkeiten waren zu unterschiedlich. Es begann damit, daß man den Eindruck hatte, daß es ihr nie Spaß machte, im gleichen Raum wie wir zu sein und das hat die Band sehr ausgelaugt. Es gab ein paar Vorkommnisse 2011 und auch im Herbst dieses Jahres, als wir uns darauf vorbereiteten TÝR und MOONSORROW auf ihrer Dead Tyrants Tour zu supporten. Als die Tour näher rückte, wurde uns klar, daß es keinen Weg gab, eine solche Tour in dieser Situation zu fahren. Also sagten wir Tinna, daß wir denken, sie nicht mit auf Tour nehmen zu können. Sie war natürlich enttäuscht und verließ die Band. Auf dieser Tour sind wir innerhalb von 3 Wochen 10.000 km in einem Minivan gefahren, acht Leute. Einige Tage waren echt hart und ich will gar nicht darüber nachdenken, was passiert wäre, wäre sie dabei gewesen.
Einen Ersatz für sie zu finden war eine der einfachsten Sachen, die wir mit der Band gemacht haben. Jenus ist schon vorher für Tinna eingesprungen, er ist ein großartiger Bassist und war immer ein enger Freund der Band. Wir haben ihn angerufen, er dachte ein paar Stunden darüber nach und entschied sich dann, für die Dauer der Tour einzusteigen. Als wir zurückkamen, fragten wir ihn, ob er richtig einsteigen will und er sagte ja.

Anne: Vielen Dank für das Interview! Beste Grüße aus Deutschland und alles Gute!

Theodor und Jón: Danke gleichfalls! Es ist lustig, Färöisch in einem Interview mit einem Nichtfäringer zu lesen. Dir alles Gute!
  

Submit to FacebookSubmit to Twitter
Anmelden