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marcoIn den letzten Jahren mussten die Finnen viel Kritik einstecken. Zuerst wegen nicht optimaler Leistungen der neuen Sängerin Anette Olzon, nun vor allem wegen des neuen Albums "Imaginaerum". Diesem fehle nach Meinung vieler die allzu offensichtliche Metalschlagseite. Dabei wurden NIGHTWISH in der Szene schon immer als grenzwertiges Thema behandelt und machten dennoch ihren Weg. Gerade wenn Du einen gewissen Status hast schauen Dir auch sehr viele auf die Finger, das sollte man als Band wegstecken. Also Themen genug für NECKBREAKER einmal nachzufragen, auch was es mit dem angekündigten Film auf sich hat. Da kam es gerade recht, dass die Truppe im nahen Luxemburg Station machte. Dort angekommen lotste mich Manager Ewo Pohjola um den Komplex herum, um direkt in den Backstagebereich zu gelangen. Mehrere Bandmitglieder entspannten dort mit Laptop, Würfelspiel (um Geld) und elektrischer Zigarette. Basser Marco Hietala begrüßte mich von der Couch und stand mir nun sitzend Rede und Antwort.

MetalPfälzer: Hallo Marco, schön dass Du Dir Zeit genommen hast meine Fragen zu beantworten. Zuerst einmal, da ihr mit Eurem neuen Album "Imaginaerum" auf Tour seid, wie lange seid ihr schon unterwegs?

Marco Hietala: Wir versuchen dieses Mal soviel wie möglich innerhalb eines Jahres zu beackern, weil sich die letzte Tour doch zog. Wir beginnen in Europa, haben Osteuropa und Skandinavien hinter uns, nun kommt der Rest. Dann geht es in den Festivalsommer, bevor wir sowohl Nord- als auch Südamerika in Angriff nehmen und dann schauen wir ob wir noch ein paar UK-Dates spielen. Damit müssten wir so ungefähr im Januar oder Februar 2013 fertig sein, dann geht es erst mal nach Hause, wo wir ein paar Monate frei haben, bevor wir im nächsten Jahr noch einmal den Festivalsommer mitnehmen.


MetalPfälzer: Und wie lief die Tour bisher?

Marco Hietala: Soweit wirklich gut! Wir haben mit unserer Crew zusammen einen netten Haufen Leute, es ist irgendwie hektisch und relaxt zur selben Zeit, das lässt sich nur schwer erklären. Aber wir haben wirklich jeden Abend Spaß, sowohl mit einander als auch mit dem Publikum. Die bisherigen Shows waren auch sehr gut besucht, es läuft also alles nach Wunsch!

MetalPfälzer: Wo wir gerade über Erfolg reden und wie man ankommt: Euer neues Album schaffte es nach zwei Nummer Eins-Alben nur auf Platz sechs der deutschen Charts. Ich kenne jetzt keine genauen Zahlen, aber wie weit seid ihr da informiert oder wie seht ihr das?

Marco Hietala: Ja, in der Tat bekommt man da als Band wenig mit, meist erst nach der ganzen Kampagne mit Tournee und allem, aber ich kann das mal grad abklären. (Es folgt ein kurzes Gespräch mit Ewo, dass ich als Nichtfinne nicht so ganz verstehe). Also die Verkäufe sollen wirklich gut gewesen sein, aber ich selbst weiß wie gesagt da nichts. Kann sein, dass da gerade Robbie Williams und andere zur selben Zeit veröffentlicht haben, so etwas bekommt man als Musiker auch nicht mit. (lacht)

Empuu Vuorinen: (meldet sich von der anderen Couch) In Deutschland ist doch auch kurz vor Weihnachten das Geschäft mit den Compilations am Boomen, da wird einiges durcheinander gewirbelt.

Ewo Pohjola: (schaltet sich jetzt auch ein) Also, wir haben bereits Gold sicher, ich weiß nur nicht wie weit wir von Platin weg sind. Daher kein Grund zur Beunruhigung!

Marco Hietala: Na, das ist doch schon mal was!

MetalPfälzer: Es dauerte auch mehr als vier Jahre um die Scheibe fertig zu stellen, woran lag das? Gibt es viele Gründe oder gab es Probleme?

Marco Hietala: Gut, nach "Dark Passion Play" kamen erst einmal die langen Tourneen, die uns zwei Jahre um den ganzen Globus schickten. Es ist ja nicht so, dass es vier Jahre dauerte um das Album zu machen. Eigentlich begannen wir erst im Sommer 2010 mit den Aufnahmen dafür, dann waren da ja etliche verschiedene Aufnahme - und Mixingsessions alle an verschiedenen Orten, weil wir ja viele Elemente eingebaut haben.
Davor lagen noch viele Proben, die sich alle als sehr einfach gestaltet haben weil wir wussten, dass wir gutes Material haben, die Stimmung war gut. Das alles haben wir in unser Sommercamping eingebaut, wir haben morgens aufgenommen, mittags im See gebadet und abends gegrillt, es gab keine Hektik, war sehr relaxt und hat viel Spaß gemacht. Der Stress begann erst als wir die Studios buchen mussten, da bist Du auch immer wieder darauf angewiesen wie die Produzenten oder Musiker Zeit haben, das ist viel organisatorischer Aufwand.



"Auf "Imaginaerum" hört man das gestiegene Selbstvertrauen von Anette und die Dinge die sie ausprobiert"
Marco hält viel von der neuen Frontfrau



MetalPfälzer: Ich denke auch, dass sich die Aufnahmen einfacher gestaltet haben, weil es bereits das zweite Album mit Anette war und sie die Abläufe besser kannte.

Marco Hietala: Ja, das siehst Du richtig! Bei der ersten Arbeit mit "Dark Passion Play" wusste niemand so genau wo wir standen. Da war diese neue Sängerin, und wir als Band ein sehr eingespieltes Team, da muss man erst einmal prüfen wie das alles passt. Wir produzierten mit ihr ein erfolgreiches Album und gingen auf eine gute und lange Tour mit ihr und schauten wie sich das entwickelt. Nun haben sich die Dinge zusammengefügt, die Standpunkte sind klar und es läuft alles einfacher. Auf dem Album jetzt zeigt Anette in ihrer Performance sowohl mehr Selbstvertrauen als auch Entspanntheit. "Dark Passion Play" war beileibe kein schwieriger Prozess, die Gesangsleistung stimmte auch, aber Du kannst jetzt einfach das Selbstvertrauen und die Dinge, die sie ausprobiert hat, hören. Wir wussten, dass sie das kann und wir haben für das alles auch viel gearbeitet.

MetalPfälzer: Auf "Imaginaerum" ist mit "Slow, Love, Slow" ein Titel, der doch sehr aus dem Rahmen fällt. Ich persönlich mag ihn sehr gerne, aber er polarisiert schon. Braucht es viel Mut so etwas mit auf das Album zu packen?

Marco Hietala: Ich weiß nicht, ob es wirklich Mut erfordert ihn aufzunehmen. Ich denke die Hauptidee, das Prinzip hinter der Band, war seit jeher, die Dinge so ehrlich wie möglich anzugehen. Die Musik muss zu allererst aus uns heraus kommen, nur so können wir das spielen was wir wirklich mögen. Dass die Lieder bei den Menschen ankommen ist eigentlich nur ein schöner Bonus. Bei "Slow, Love, Slow" war natürlich die Frage ob das nicht zu sehr Jazz statt Rock ist, aber wir sahen es als Herausforderung. Es war niemand ängstlich deswegen, weil wir schon Fans haben, die wie wir einen offeneren Geschmack pflegen und deswegen funktionierte das auch. Das größte Problem für mich bestand darin, dass mir, als ich die Demos hörte, klar wurde, dass ich mir einen akustischen Bass kaufen muss, was ich gleich am nächsten Tag tat. (lacht)

MetalPfälzer: Wo wir gerade beim Thema Songwriting und musikalische Ausrichtung sind drängt sich dann doch eine Frage auf: Auf Euren beiden letzten Alben befanden sich viele von diesen harten, düsteren, schweren und tiefer gestimmten Gitarrenriffs. Waren diese ein gewisses Zugeständnis an die Metalfangemeinde?

Marco Hietala: Ich glaube nicht, denn wie ich Dir erzählt habe müssen wir glücklich sein mit dem was wir tun. Musikalische Direktiven ändern sich mit der Zeit, eigentlich ist Veränderung die einzige Konstante, um etwas am Laufen zu halten. Was immer wir auch in Zukunft tun werden ist nur von dem abhängig was wir wollen. Wir sammeln einfach die ganzen Ideen, fügen sie zusammen und dann kommt einfach das Ergebnis heraus, das Du am Ende in den Händen hältst. Wir haben keinen Plan oder ein bestimmtes Rezept, bevor wir an die Arbeit gehen.

MetalPfälzer: Ein anderer Aspekt an dem neuen Longplayer ist ja, dass ihr einen Filmmarco2 nach den Motiven dreht. Wie weit sind da die Arbeiten fortgeschritten?

Marco Hietala: Den Film und die Scheibe muss man gesondert betrachten. Die musikalische Seite ist abgeschlossen, "Imaginaerum" ist draußen, die Band auf Tour. Viele Leute denken auch, dass sie das fertige Konzept vor sich haben, wenn sie es hören, aber es ist ein unabhängiges Stück Musik und nicht der Soundtrack zum Film. Der Film hat seine eigene Seele, mit einer Storyline, mit richtigen Schauspielern, dem Set und allem was dazu gehört.
Bis jetzt haben wir einen Teaser dazu, der demnächst online gehen sollte. Derzeit wird bei den Computeranimationen noch die letzte Hand angelegt, die digitalen Hintergründe eingefügt, nur noch ein paar Details also. Wenn das getan ist geht das mit dem Editieren und Kopien erstellen dann recht schnell.

MetalPfälzer: Also wurden die Spielszenen alle schon abgedreht?

Marco Hietala: Ja, das ist alles im Kasten, die Musik wurde ebenfalls schon editiert und aufbereitet für den Film, was sich stark vom Original unterscheidet. Da ist viel Schauspiel, Drama, Tanz, gesprochene Dialoge, eine richtige Geschichte, da konnte man damit wenig anfangen. Deswegen muss man da viel umarrangieren und editieren, es sind nur zwei oder drei Songs, die sehr nah an der Albumversion gehalten sind, der Rest ist doch stark verändert. Wir planen den Film im August auf den Markt zu bekommen, diese Deadline halte ich für sehr wahrscheinlich. Doch ich kann nichts versprechen, das sind alles Business-Sachen wo man nicht involviert ist, man muss einfach den August abwarten.

MetalPfälzer: Das ist normal bei den geschäftlichen Dingen! Kommt der Film eigentlich in die Kinos oder erscheint er nur auf DVD?

Marco Hietala: Ich kann mir vorstellen, dass er in Finnland auf alle Fälle in die Kinos kommen wird, aber wir haben auch herausgefunden, dass es im Filmgeschäft auf viel mehr ankommt. Um an einen Kinovertrieb zu kommen benötigt man für diese Firmen Teaser und Trailer, sonst läuft da nichts. Bei Verhandlungen haben wir die Musik und einige Szenen vorgelegt, aber die Leute dort verlangten alle spezielle Trailer. Wir stehen in Kontakt zu verschiedenen Herstellern und Verleihern in allen möglichen Ländern, man muss einfach mal abwarten was sich ergibt.

MetalPfälzer: Es gibt also wie Du sagtest einen Unterschied zwischen dem Metalalbum und dem Filmsoundtrack. Aber gerade die musikalische Nähe zu Filmscores und Titel wie "Slow, Love, Slow" haben innerhalb der Metalszene zu vielen Diskussionen geführt. Das kann man heutzutage wunderbar im Netz nach verfolgen, was denkst Du als Künstler darüber?

Marco Hietala: Also ich kann unsere Fans dahingehend beruhigen, dass wir niemals zu einer Full-Time-Jazzband mutieren werden. Aber seien wir ehrlich, solange sie sich unsere Musik anhören und darüber reden, kann es nur gut sein, denn wenn keiner über Dich redet, interessiert sich keiner für Dich. Ich kann diesem ganzen Kategorisieren von Bands und Musik, das vor allem in der Metalszene stattfindet nicht viel abgewinnen, weil es einfach nur einengt. Wir überschreiten die Grenzen nur allzu gerne und tun was immer uns in den Sinn kommt.



"Ich kann dieser einengenden Stildiskussion vieler Metalfans wenig abgewinnen, wir überschreiten gerne die Grenzen!"
Der Mann spricht mir aus der Seele



MetalPfälzer: Soweit ich weiß, stammen die Songs vom neuen Album alle von Tuomas, mit Ausnahme der neuen Single "The Crow, The Owl and the Dove", den Du geschrieben hast...

Marco Hietala: Das ist richtig, von mir stammt der poetische Song (erntet Gelächter)... also der mit den Vögeln. Tuomas schrieb den Rest und auch die gesamten Texte.

MetalPfälzer: Dazu zieht er sich bekannterweise völlig in die Einsamkeit an seinen See zurück. Wie sieht das bei Dir aus, brauchst Du auch diese Abgeschiedenheit?

Marco Hietala: Meist sitze ich zuhause und klimpere auf meiner Akustischen herum, so läuft das meistens. Natürlich nicht, wenn meine Frau und die Kinder um mich herum sind, da fehlt mir die Möglichkeit mich zu konzentrieren. Aber ich versuche soviel wie möglich zuhause zu schreiben, da habe ich ein kleines Studio, da kann ich die Ideen direkt aufnehmen.

MetalPfälzer: Entstehen da auch die Songs für TAROT? Und komponierst Du da gleichzeitig?

Marco Hietala: Wir haben noch einiges an ungenutztem Stoff von der letzten Studiosession übrig und da kommen auch immer wieder neue Ideen dazu. Ich kann mir vorstellen, dass ich mich mit den Jungs zusammen setze wenn die NIGHTWISH-Tour vorbei ist und wir mal schauen, was jeder einzelne schon an Material beisteuern kann.

MetalPfälzer: Ist es nicht eine gute Gelegenheit für TAROT NIGHTWISH zu supporten?

Marco Hietala: Oh weh, das würde in einen unmöglichen Arbeitsaufwand für mich ausarten. Wir haben mal zwei Shows als "Dark Winter Nights"-Festival in drei Tagen gespielt, das war okay. Beim ein oder anderen Festival wäre es auch immer drin mit beiden Bands aufzutreten. Aber damit auf eine komplette Tour zu gehen erscheint mir doch ein wenig zu stressig.

MetalPfälzer: Welche Festivals spielt ihr mit NIGHTWISH in diesem Sommer? Du hast es ja zu Beginn angesprochen, aber wenn ich es mir überlege taucht ihr in keinem Billing auf, das mir bekannt ist.

Marco Hietala: Hm, mal sehen was ist alles bestätigt, bin mir da nicht ganz sicher? Also es sind alleine drei Festivals in Finnland, eines in Polen, das Download in England, Novarock in Österreich, zwei in Norwegen und eines in Spanien.

MetalPfälzer: Gut, da ist keines dabei, das für mich dieses Jahr in Frage kommt. Aus unserem Gespräch habe ich heraus gehört, dass Du Familie und Kinder hast. Ist es ein großes Problem für Dich auf Tour lange von ihnen getrennt zu sein?

marco3Marco Hietala: Och, die Kinder sind nicht das Problem, eher die Frauen! (allgemeines Gelächter) Nein, nicht wirklich! Irgendwie ist das ja Gewohnheit, es ist ja auch nichts Neues für Männer um die Welt zu reisen um das Geld zu verdienen, damit die Familie zuhause versorgt ist. Vor Tausenden von Jahren gab es schon Kaufleute und Seeleute und die waren stellenweise jahrelang unterwegs. Wir sind jetzt vier Wochen weg und kommen dann für drei Wochen wieder heim, bevor die Festivalsaison beginnt. Aber da bin ich auch nur am Wochenende oder einen Tag mehr unterwegs.
Das ist alles ganz einfach, heutzutage haben wir Skype und das gottverdammte I-Phone und das alles. Da geht es ganz leicht die Gesichter zu sehen, über alle möglichen Dinge zu reden. Erst vor ein paar Stunden habe ich nach Hause geskypt und mit meinen Jungs und meiner Frau geredet.

MetalPfälzer: Zum Abschluss die obligatorische Frage, was wir von der Show heute Abend erwarten können?

Troy Donockley: (ist mittlerweile dazu gekommen und greift Hietala ins Wort) Wir spielen eine 20-minütige Version von "Hotel California", Tuomas und ich werden singen. Wir können das "Imaginaerum-Material nämlich nicht mehr hören. (allgemeines Gelächter)

Marco Hietala: (noch sichtlich amüsiert) Haha, Du hast mein Bass-Solo vergessen!

Troy Donockley: Ach, das beim EAGLES-Medley? Wir mutieren bestimmt noch zu einer EAGLES-Coverband! (so richtig kann keiner mehr an sich halten)

Marco Hietala: Nein, natürlich steht das neue Album im Mittelpunkt, dazu eine Auswahl älterer Stücke und viele Showelemente, sehr viel Feuer, ein pompöser Bühnenaufbau. Also alles um unserer Musik gerecht zu werden.

MetalPfälzer: Dann hoffe ich mal, dass ihr dabei genau so viel Spaß haben werdet wie jetzt, ich freue mich schon drauf. Das war es von meiner Seite, ich möchte mich noch einmal herzlich für das Interview bedanken und wir sehen uns nachher!

Marco Hietala: War mir ein Vergnügen! Du bist immer willkommen! (Ob die Einladung von Manager Ewo ernst gemeint war bis zum Showbeginn hier zu bleiben weiß ich nicht, aber ich werde es bei nächster Gelegenheit mal ausprobieren.)

 

Bilder von Anne und Nightwish.com

Vielen Dank noch an Markus Wosgien von Nuclear Blast und Ewo Pohjola

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