Interview mit Jordan Rudess (Dream Theater)

"Systematic Chaos" heisst das aktuelle Album der Prog-Überflieger DREAM THEATER. Vor ihrer Tour im Herbst statteten die Amis im Sommer pünktlich zum Release des Albums Deutschland zumindest zwei Besuche ab, weshalb ich die Chance in Bonn nutzte, um Keyboarder Jordan Rudess ein wenig auf den Zahn zu fühlen.

Dream TheaterMika (Neckbreaker): Jordan, gestern seid ihr in Luxemburg aufgetreten. Wie läuft die Tour bisher?

Jordan: Großartig. Wir sind alle sehr zufrieden, sogar aufgeregt, denn wir sind jetzt bei einer neuen Plattenfirma, wir bekommen eine Menge Support, das neue Album ist gerade draußen und scheint gut bei den Leuten anzukommen. Scheint im Moment also alles ganz gut zu laufen.

Mika: "Systematic Chaos" ist das neue Album, das Du angesprochen hast. Ich würde es irgendwo zwischen "Train Of Thought" und "Scenes From A Memory" einordnen, aufgrund der härteren Parts und der großartigen Melodien. Würdest Du da zustimmen?

Jordan: Ich denke, nun...ja, das ist wohl ein guter Weg, das Album zu betrachten. Das kommt aber zufällig. Wir hatten nicht vor, etwas bestimmtes zu erschaffen, in dem Stil "lass es so und so klingen", sondern nahmen einfach die Musik auf und lassen die Leute entscheiden, was sie darüber denken. Einen gewissen roten Faden hatten wir schon, wir wollten es heavy und ein wenig düster klingen lassen, was auf jeden Fall eine Parallele zu "Train Of Thought" darstellt, das ja sehr Metal-lastig war.

Mika: Wo siehst Du denn die Unterschiede zum Vorgänger-Album "Octavarium"?

Jordan: Nun, ich denke, der größte Unterschied ist die Richtung der Musik. "Octavarium" war ein Album auf dem wir viele Einflüsse hatten. Mit den Einflüssen meine ich die Vorlieben und Skills der einzelnen Bandmitglieder. Ich selbst zum Beispiel komme aus dem klassischen Bereich und Melodic Progressive Rock, dann haben wir da John Petrucci und John Myung die beide Sachen wie Metallica oder Iron Maiden hören. So geht jeder von einer bestimmten Seite an das Album, an dem wir gerade arbeiten und "Octavarium" war insgesamt offener. Nimm den Song "Panic Attack", der ziemlich heavy ist und im Gegensatz dazu den Titeltrack, bei dem wir uns dann eher für ein klassisches, progressives Arrangement entschlossen haben. Beim aktuellen Album waren die Einflüsse nicht so weit gestreut, der Fokus liegt eher auf dem aggressiven und progressiven als dem klassischen Stil.


 Es ist tatsächlich eine lustige Art, unseren Stil zu umschreiben.
Jordan Rudess über den Albumtitel "Systematic Chaos"


Mika: Ein andere Sache ist der Gesangsstil von James LaBrie. Im Song "Constant Motion" singt er wie James Hetfield von Metallica...

Jordan: (lacht) Tut er das?

Mika: Ja...wessen Idee war das?

Jordan: Ich denke, das kam automatisch mit der Ausrichtung des Albums, dem Ganzen eine härtere Einstellung zu verpassen, mehr New Rock oder Metal reinzubringen. James ist ein fantastischer Sänger und er schafft es bei jedem Album irgendetwas neues in seine Stimme zu bringen, so dass er auf kaum einem Album genau gleich klingt. Das ist großartig und eine tolle Fähigkeit.

Mika: Zumal seine Stimme durch den Unfall ja ziemlich gelitten hatte.

Jordan: Genau. Aber es geht im immer besser und Du wirst es heute abend sehen, sein Gesang ist wieder viel beständiger.

Jordan RudessMika: Der Song "Prophets Of War" ist auch recht außergewöhnlich. Es gibt viele Vergleiche mit Muse und stellenweise sind auch Parallelen zu Queen auszumachen, besonders bei den Chören.

Jordan: Nun, ich hatte keinerlei Einfluss auf den Queen-Touch. Ich war bereits mit allem fertig, als die Vocals aufgenommen wurden und es waren eher Mike und John, die dieses "oooooooooaaaahhhhh" reinbrachten. Ich hörte das erst im Nachhinein im Studio und meinte direkt "Das ist cool!". Aber den Rest des Songs haben wir gemeinsam geschrieben und so kam das eben zusammen, weil jeder von uns ein paar der Ideen im Kopf hatte.

Mika: Der Titel "Systematic Chaos" könnte in gewisser Weise stellvertretend für Eure Musik stehen, die zwar einer gewissen Linie folgt, aber für manche Zuhörer einfach zu wirr sein könnte, was meinst Du?

Jordan: (lacht) Ja, absolut. Es ist tatsächlich eine lustige Art unsere Musik zu umschreiben.

Mika: Wie läuft Euer Songwriting-Prozess ab? Im Booklet der CD gibt es ein Bild, das einen Raum zeigt, in dem Euer ganzes Equipment aufgebaut ist. War das im Studio oder ist das Euer Proberaum?

Jordan: Das war im Studio. Wir bauen alles auf, setzen uns zusammen und beginnen, die Songs zu schreiben. Danach nehmen wir sie auf. Das ist ein durchgehender Prozess.

Mika: Es läuft also nicht so, dass jeder irgendwelche Songideen und Riffs beisteuert?

Jordan: Nein. Normalerweise schreiben John (Petrucci, Gitarre - Mika), Mike (Portnoy, Drums - Mika) und ich die meiste Musik. John und ich bringen Harmonien und Riffs rein und Mike mischt das alles und baut es dann wie ein Architekt zusammen.

Mika: Als Keyboarder bin ich auch persönlich sehr daran interessiert, wie Du arbeitest. Was machst Du mit den Sounds, bevor Du ein Album aufnimmst, wie entstehen sie?


Welcome to my life!
Jordan Rudess schlägt sich täglich mit der Technik herum


Jordan: Nun, heutzutage haben die Synthesizer ja unheimlich viele Sounds und Presets, wie Du weisst. Beim Songwriting benutze ich meist fertige Sounds, besonders aus vergangenen Projekten. Ich habe eine riesige Soundbibliothek mit fertigen und coolen Sounds. Beim Songwriting nehme ich dann einen Sound, der meiner Vorstellung zumindest ziemlich nahe kommt. Es wird selten dann auch der endgültige Sound sein, der für's Album benutzt wird. Wenn es dann soweit ist, dass meine Keyboard-Spuren eingespielt werden, dann nehme ich mir entsprechend viel Zeit, packe all meine Keyboards und Computer in den Aufnahmeraum und feile an den Sounds, bis sie dann soweit sind, dass ich sie für das Album benutzen will. Der nächste Schritt nach den Aufnahmen ist dann, die ganzen Sounds für den Live-Einsatz vorzubereiten. Im Studio benutze ich bis zu 15 verschiedene Keyboards, um die richtigen Sounds zu finden. Das lässt sich unmöglich live umsetzen. Also stehe ich vor der Aufgabe, die benötigten Sounds auf mein "Oasys" (KORG Oasys, Jordans Hauptkeyboard auf der Bühne - Mika) zu packen.

Jordan RudessMika: Du kriegst die alle auf das Oasys und brauchst live dann keinen Computer, um die ganzen Sounds unter einen Hut zu bringen und nutzt die Keys eigentlich nur als Midi-Controller?

Jordan: Nein. Das Oasys ist im Grunde ein PC. Es hat eine unheimlich große Bibliothek an unterschiedlichsten Arten von Sounds, so dass ich daraus selbst die nötigen Sounds erzeugen kann. Wenn ich will, kann ich auch irgendwelche Sachen von außen aufnehmen oder einspielen, z.B. einen Effekt, den ich umbedingt brauche. Also nehme ich das dann kurz auf, weise es einer Taste zu und fertig. Natürlich muss ich da in gewisser Weise auch Kompromisse eingehen. Wenn ich auf dem Album einen ganz speziellen Sound benutze, versuche ich den dann auf dem Oasys eben selbst zu erzeugen. Ich mische dann verschiedene Sounds, packe hier und da noch einen Effekt oder Verzerrung dazu und es funktioniert.

Mika: Verstehe. Ohne ein schier unglaubliches Wissen darüber, wie man letztendlich die ganzen Parameter verändern muss, um einen gewissen Sound zu erzeugen, geht das natürlich nicht.

Jordan: (lacht) Yeah, welcome to my life!

Mika: Wie lange spielt Ihr nachher?

Jordan: Zwei Stunden, glaub ich.

Mika: Also relativ kurz, verglichen mit Euer letzten größeren Tour mit dem Namen "An Evening With Dream Theater" wo ihr drei Stunden lang gespielt habt. Da Eure Songs im Schnitt ziemlich lang sind und ihr in zwei Stunden nicht so viele Songs spielen könnt, wie löst Ihr das Problem dann eine packende Setlist zusammenzustellen, da Ihr ja nicht immer nur die gleichen Klassiker spielen wollt?

Jordan: Wir haben den wohl besten Setlist-Schreiber der Welt in der Band. Sein Name ist Mike Portnoy. Er nimmt diesen Job auch sehr ernst und macht sich immer viele Gedanken um die richtige Setlist. Er berücksichtigt auch alle möglichen Umstände, nicht nur die Spielzeit, um eine für diesen Abend passende Setlist zusammenzustellen. Wenn ein Kerl auf der Welt gute Setlists schreiben kann, dann er.

Mika: Hat er immer eine gewisse Vision, wie das Konzert jeweils ablaufen soll?

Jordan: Oh ja, die hat er. (lacht laut) Nein, im Ernst, er hat wirklich einen guten Überblick darüber, wo und wann wir welche Songs gespielt haben und berücksichtigt das so gut wie möglich. Das ist wirklich interessant, wie er das macht.

Mika: Lass uns zum Abschluss noch kurz über Dein neues Solo-Album sprechen, das im Herbst erscheinen wird.

Jordan: Klar, gerne! Das Album wird "The Road Home" heissen und kommt im September raus. Bis auf eine Ausnahme werden es nur Coversongs sein. Es sind alles meine liebsten Progressive Rock Songs wie z.B. "Piece of the Pi", "Tarkus", "Dance on a volcano" von Genesis oder auch "Sound Chaser" von Yes. Es werden wundervolle Gastmusiker teilnehmen, unter anderem Neal Morse den ehemaligen Sänger von Spock's Beard oder auch ein deutscher junger Gitarrist. Er spielt mit bei diesem jungen Mädchen Lafee, falls Dir das was sagt. Sein Name ist Ricky Garcia und er ist ein hervorragender Gitarrist. Die Liste der Gäste ist relativ lang. Wer sich das alles mal durchlesen will, kann das auf meiner Webseite machen (lacht).

Mika: Ok, klingt gut. Sollte sich jeder Dream Theater-Fan auch mal anschauen.

Jordan: Auf jeden Fall, haha!

Mika: Dann danke ich mal für das ausführliche Interview und wünsche schon mal viel Glück für die Show nachher.

Jordan: Danke!

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