Interview mit Guðmundur Óli Pálmason (Katla.) - Deutsche Version

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Anne: Warum hast du den Namen KATLA. gewählt? Warum KATLA. und nicht ein anderer Namen?

Gummi: Ich wollte, dass die Band nach einem isländischen Vulkan benannt ist. Und ich sagte zu Einar: „Hey, weißt du, wir können wählen zwischen Katla und Hekla“. Nun, ich sagte zu ihm, wir können Katla benutzen, oder Hekla, oder wir können Eyjafjallajökull benutzen, aber Eyjafjallajökull ist ziemlich unaussprechbar und so wurde es Katla. Und ich wollte aus mehreren Gründen wirklich den Namen eines isländischen Vulkans: I finde, es passt zur Musik, es ist auch eines der Dinge, wo die Inspiration, eine neue Band zu gründen, herkommt. Und ich arbeite als Tourenführer und bin jeden Tag draußen in der Natur, von daher hat mich das ganz direkt beeinflusst, ein neues Produkt zu erschaffen und ich musste es nach etwas benennen das damit zu tun hatte.

Anne: Würdest du KATLA. eher als Band oder als Projekt bezeichnen? Weil ihr ja nur zwei Leute seid.

Gummi: Wir sagen, es ist ein Projekt. Weil es keine Band ist. Denn Bands, die haben einen Proberaum und die treffen sich zweimal pro Woche und schreiben Musik und sie haben Auftritte … wir machen das nicht. Wir hatten nicht eine einzige Probe. Von daher, ja, es ist ein Projekt. Aber wir werden sehen. Ich meine, vielleicht, VIELLEICHT, werden wir den nächsten Schritt tun und eine Liveband werden, aber im Moment gibt es da wirklich keine konkreten Pläne.

Anne: Ich habe mich nur gewundert, weil unter dem Facebookpost vom 31. Dezember vier Namen stehen.

Gummi: Ok (lacht), ich weiß dass das etwas verwirrend sein kann. Der dritte ist Atli, er sollte eigentlich unser Bassist werden, aber aufgrund seines engen Terminplanes und meines engen Terminplanes – und Einar hat auch einen engen Terminplan – haben wir drei es nie geschafft, uns mal zu dritt zu treffen und so endete es nur mit mir und Einar, aber er ist immer noch ein Teil des Teams. Und dann haben wir noch den vierten, Hafsteinn, der aushilft, er ist Teil des Teams. Er ist nicht involviert – keiner der beiden ist in das Schreiben von Musik oder Texten involviert. Aber wir besprechen Ideen und sie steuern Ideen bei und solche Sachen, also sie sind sozusagen ein Teil des größeren Teams.

Anne: Und ihr habt diesen Punkt hinter KATLA.. Was ist der Grund für diesen Punkt und warum ist er wichtig?

interview 20180112 katla 06Gummi: Nun, es war ein Unfall. Wirklich. Es war so: Einar machte den ersten Entwurf für das Logo und er schickte es mir, aber es waren nur die Umrisse. Ich wollte die Buchstaben ausgefüllt haben. Und ich wollte keinen Computer dafür benutzen, also nahm ich einen Stift, und begann, die Umrisse auszumalen, wie ein Kind bei einem Malbuch. Nur, dass der Stift nicht funktionierte. Es war so ein Stift, wo man die Mine reindrücken muss und dann kommt die Farbe raus. Ich machte das ein paarmal und so entstand dieser Punkt. Und ich dachte: „Oh, das ist cool, lass uns das benutzen.“ Und dann füllte ich das Logo aus. Aber wir haben es nicht so geschrieben, es war nur im Logo. Aber später, als wir herausfanden, dass es tatsächlich noch eine andere Band namens KATLA gibt, dachten wir „Gut, dann sind wir eben KATLA mit einem Punkt.“. Aber, weißt du, wir haben noch nicht mal darüber nachgedacht, ob es auch andere Bands mit dem Namen KATLA gibt, denn ich weiß, dass es keine Band namens KATLA in Island gibt und wer würde sich sonst nach einem isländischen Vulkan benennen? Einen Band in Schweden? Ich bitte dich!

Anne: Ich glaube, es ist auch ein Name.

Gummi: Ist es jetzt. Aber der Ursprung des Namens ist der Vulkan. Katla kommt von dem Wort ketill, was Caldera bedeutet. Das ist der Ursprung des Namens. Aber ja, du hast Recht, es ist auch ein weiblicher Name. Und das ist auch eines der Dinge, die ich interessant fand. Ich wollte eine Art weiblichen Namen für die Band. Um den männlichen Stereotyp des Heavy Metals abzuschütteln. Er ist ja auch männlich dominiert. Wir haben keine Angst davor, in Berührung mit unserer weiblichen Seite zu kommen – sozusagen. Die Texte und die Musik sind ziemlich sanft, es geht um Emotionen. Also, warum keinen weiblichen Namen dafür, warum nicht direkt die weibliche Seite ansprechen? Und denke daran, dass die weibliche Seite gleichzeitig auch ein Vulkan ist! So sind die Frauen (lacht). Heute eisbedeckt und am nächsten Tag brichst du aus.

Anne: Wann hast du dich entschlossen, KATLA. zu gründen?

Gummi: Wahrscheinlich so im August, September 2015, so um den Dreh. Es passierte sehr schnell. Ich brauchte ein neues Ventil für meine Musik. Ich bin sicher, du weißt alles über den…

Anne: Ja.

Gummi: Also, zuerst dachte ich, ich bin fertig mit Musik. Ich mag die Musikindustrie nicht, ich mag das Musikbusiness nicht. Ich mag besonders die Leute im Musikbusiness und der –industrie nicht und ich dachte ich bin fertig damit. Aber dann brauchte ich ein halbes Jahr, neun Monate oder so, um zu erkennen, dass das nicht der Grund war, warum ich Musik machte. Ich machte es für mich selbst. Es ist etwas, was du tun musst. Wenn du angefangen hast, Dinge zu erschaffen, kannst du das nicht einfach abstellen. Kreativität ist etwas, das von innen kommt. Also ja, so im August, September herum fühlte ich das Bedürfnis, wieder etwas zu tun. Ich kontaktierte Einar und Atli und Einar lebte damals in Norwegen. Er kam rüber nach Island, er hatte nur einen Monat oder so zur Verfügung, also mussten wir es schnell machen. Ich begann, einen halben Song zu schreiben aber ich bin kein so kreativer Songschreiber wie er, also übernahm er die Idee und wir arbeiteten zusammen daran. Aber wir hatten nur den einen Song und dann musste er zurück nach Norwegen. Wir sagten uns, entweder wir gehen jetzt ins Studio, nehmen diesen einen Song und hoffentlich noch einen auf oder dieses Projekt wird sterben bevor es geboren ist. Wir sprachen mit unserem Freund Halldor von der Band LEGEND, wir buchten sein Studio und wir hatten nur einen Song. Wir nahmen ihn auf, nahmen das Schlagzeug auf und den Bass und im Studio wurde ein neuer Song geboren. Da dachten wir uns: „Oh, cool, zumindest können wir eine EP veröffentlichten“, zwei Songs, weißt du.
 


"Und denke daran, dass die weibliche Seite gleichzeitig auch ein Vulkan ist!"


 
Anne: Woher kennst du Einar?

Gummi: Ich kenne Einar seit mehr als 20 Jahren. Als meine alte Band 1995 ihr erstes Demotape aufnahm, hörten wir von einer anderen Black Metal-Band in Island, die ebenfalls ein Demo aufnahm. Und damals konnte ich die Leute, die in Island Black Metal hörten, an den Fingern meiner Hände abzählen. So viele, oder besser so wenige waren es. Von daher war es ziemlich natürlich, oder eher vorhersehbar, dass unsere Wege sich kreuzen würden. Ich hörte von Ihnen und durch gemeinsame Freunde trafen wir uns, wir wurden Freunde und ein oder zwei Jahre später hatte Einar eine andere Band mit einem Gitarristen, der heute der Mann hinter KONTINUUM ist, und sie brauchten einen Schlagzeuger um das Demo einzuspielen und ich machte das dann. Diese Band entwickelte sich dann zu einer Band namens POTENTIAM, und wieder waren es nur die beiden und sie brauchten einen Schlagzeuger für das erste Album, also sprang ich wieder ein. Das war 1998. Und das war im Grunde die erste richtige Aufnahme, die ich je gemacht habe, und das gleiche gilt für Einar. Es war die erste richtige Aufnahme, die er je gemacht hat. Denn davor hatte ich nur Demos mit SÓLSTAFIR aufgenommen, auch wenn eines davon dann eher eine Mini-CD war, aber es wurde als Demo aufgenommen. Also ich kenne ihn im Grunde seit 1995 und wir haben seitdem immer mal wieder zusammengearbeitet. Ich kam 2005 zurück zu POTENTIAM und wir beide nahmen sogar 2008 ein Album zusammen auf, das nie veröffentlicht wurde. Und das übrigens nie veröffentlicht werden wird (lacht).

Anne: Warum nicht?

Gummi: Weil es einfach zu gut ist! (lacht)

Anne: Wenn ihr zwei Songs schreibt, wie macht ihr das? Schreibt einer die Texte und einer die Musik oder machen beide beides?

Gummi: Wir machen beide beides. Er schreibt mehr Musik und ich schreibe mehr Texte. Denn wir sind keine Band, wir arbeiten auf eine andere Weise als ich das von vorher gewohnt bin. Früher, in meiner alten Band, wir trafen uns in einem Raum und warfen Ideen in einen Topf und dann arbeiteten wird daran zusammen als Gruppe. Niemand würde je etwas mitbringen, das komplett fertig ist. Außer Texte natürlich, aber keine Musik. Aber in diesem Fall, auch weil wir uns nicht sehr oft sehen, ich meine, er lebte in Norwegen als wir begannen, ich war hier in Reykjavík und von daher bestand es hauptsächlich aus dem Aufnehmen von Ideen, die wir dann über das Internet hin und her schickten. Es ist eine andere Art zu schreiben.

Anne: Die EP, die ihr zuerst aufgenommen habt, war eher ruhig, meiner Meinung nach. Habt ihr geplant, jetzt etwas härter zu werden oder hat sich das einfach so entwickelt?

Gummi: Es hat sich so entwickelt. Wir haben eine Idee, wohin wir als nächstes wollen, aber es muss nicht unbedingt dorthin gehen. Wir sehen einfach, was passiert und wollen nichts erzwingen. Das war einfach die Stimmung, in der wir waren, als wir die EP gemacht haben. Und als wir mit dem Songwriting für das Album begannen, waren wir in einer etwas anderen Stimmung. Und wenn wir das Songwriting für das nächste Album beginnen – wir haben bereits begonnen, bzw. Einar hat begonnen – wird die Stimmung wieder etwas anders sein, von daher werden wir sehen. Wir entscheiden niemals vorher, wie die Songs werden sollen, wir wollen uns nicht selbst einengen. So wie eine meiner Lieblingsbands, ULVER aus Norwegen. Und ich LIEBE die Tatsache, dass sie sich auf jedem einzelnen Album verändern. Ich will nicht sagen, dass KATLA. solche drastischen Wechsel machen wird, aber ich respektiere Künstler, die das tun. Die einfach das machen, worauf sie Lust haben.

Anne: Um was geht es bei dem Album? Ist es ein Konzeptalbum?

interview 20180112 katla 03Gummi: Es ist nicht wirklich ein Konzept, aber man kann sagen, dass es einen roten Faden durch das Album gibt, welches – es ist schwer in ein paar Worten zu beschreiben. Aber man kann sagen, dass die Inspiration für die Texte und die Musik und für das Artwork vom gleichen Ort kommen. Es geht um das Leben in Island im Laufe der Jahrhunderte und den Kampf mit den Elementen. Und um die Verbindungen, die die Generationen untereinander haben. Es ist, wie ich sagte, schwer in nur wenige Worte zu packen, aber meine Eltern, geboren in den 1940ern, sind nicht in die gleiche Welt geboren, in die ich geboren bin; sie sind nicht in die gleiche Welt geboren wie ihre Großeltern und dann bin ich auch nicht in die gleiche Welt geboren, in die meine Kinder geboren sind. Weil sich alles so schnell ändert. Aber vor der Generation meiner Eltern hat sich in Island über 1000 Jahre nichts verändert. Die Leute lebten in Torfhütten. Sie kämpften mit den rauen Elementen. Weißt du, heutzutage haben wir schöne Häuser, wie dieses hier, und Kaffeehäuser, aber die sind nicht einmal 100 Jahre alt. Die Vergangenheit ist nicht so weit von uns entfernt. Ich werde sie nicht in einer Art romantischem, glorifizierenden Nebel sehen, sondern versuchen, sie als das zu sehen, was sie war: Eine sehr harte, schwierige Zeit. Das ist so grob worum es geht. Und um die Verbindung der Generationen innerhalb der Familien, sozusagen.

Anne: Habt ihr überlegt, Übersetzungen anzubieten, entweder im Booklet oder auf der Homepage?

Gummi: Ja, haben wir. Die Plattenfirma, Prophecy Productions, fragte uns, ob wir die Texte übersetzen könnten, zumindest für die Special Edition und wir haben überlegt, kamen aber zu dem Schluss, dass wir sie nicht wirklich übersetzen und gleichzeitig noch die Botschaft rüberbringen und unsere künstlerische Integrität erhalten können. Der Grund dafür ist, dass Isländisch eine sehr bildhafte Sprache ist. Es ist sehr beschreibend. Zum Beispiel das Wort „Idee“. Du weißt, was es bedeutet, aber nur, weil du weißt was es bedeutet, sagt es dir auch etwas. Ich habe keine Ahnung, woher dieses Wort stammt, ich weiß nur, was es bedeutet. Im Isländischen, ist eine Idee, wenn man es wortwörtlich übersetzt, ein Gedankenbild. Es ist ein Bild in deinen Gedanken. Das ist nur ein Beispiel dafür, wie beschreiben Isländisch ist. Also wir könnten etwas direkt übersetzten, aber die tiefe Bedeutung würde verloren gehen. Aus diesem Grund haben wir entschieden, dass wir das nicht machen werden.

Anne: Hast du schon mal von Leuten gehört, die versucht haben, Isländisch zu lernen um deine Texte zu verstehen?

Gummi: Nicht unsere Texte im speziellen, nein. Aber bei meiner alten Band, ja, da hörte ich, dass Leute sagten, dass sie begonnen haben, Isländisch zu lernen, nur um die Texte zu verstehen, was ich schmeichelhaft finde, da ich ja die meisten Texte geschrieben habe.

Anne: Wie wichtig sind Texte für dich, nicht nur bei deiner eigenen Band, sondern auch bei anderen Bands?

Gummi: Bei meiner eigenen Band finde ich sie sehr, sehr wichtig. Manchmal höre ich Bands und mich interessieren die Texte und manchmal nicht. Es kommt auch auf die Texte an. Aber mit KATLA. – wir sehen KATLA. al sein – wir sagen manchmal, es ist ein ganzheitliches Kunstprojekt. Es geht nicht nur um die Musik. Es geht darum, eine Stimmung zu kreieren, mit der Hilfe von Musik, Worten und Bildern. Und die Worte sind so wichtig wie die Musik und die Bilder und umgekehrt. Aber, weißt du, ich kann auch Rock’n’Roll mit bescheuerten Texten hören und es ist mir egal. Aber wenn ich eine Verbindung zu den Texten aufbauen kann, dann gibt das auch der Musik eine tiefere Bedeutung.
 


"Ich werde [die Vergangenheit] nicht in einer Art romantischem, glorifizierenden Nebel sehen, sondern versuchen, sie als das zu sehen, was sie war: Eine sehr harte, schwierige Zeit."



Anne: Die Texte auf der EP waren eher auf die Natur bezogen, soweit ich sie verstanden habe. Die Texte auf dem Album scheinen auch naturbezogen zu sein, aber da ist auch noch eine andere Bedeutung in den Texten. Das ist zumindest das, was ich von den Texten verstanden habe.

Gummi: Ja, du hast Recht. Ich würde das gleiche auch über die EP sagen. Da gibt es auch eine tiefere Bedeutung, eine tiefere, persönliche Bedeutung, aber natürlich kann es für die Leute hart sein, das zu erkennen. Aber für das Album, ja, es ist nicht so naturbasiert, es hat mehr mit dem persönlichen Gefühl zu tun und der Verbindung, die wir mit dem Land teilen und, wie ich schon sagte, jede Generation hat eine andere Verbindung und wir haben eine Verbindung zu dieser Generation. Es ist also größer, oder man könnte sagen, die Texte sind von einem kleinen zu einem größeren Punkt gewachsen. Und werden sich wahrscheinlich noch weiter ausdehnen.

Anne: Warum geht es in “Móðurástin”? Ich spreche kein Isländisch, aber ich spreche ein wenig Färöisch, von daher verstehe ich Isländisch ein wenig, wenn ich es lese und was ich von dem Song verstanden habe, ist dass es um die Beziehung zwischen einer Mutter und ihrem Kind geht und dass beide einander lieben aber irgendwie nicht zusammenkommen oder sowas in der Art.

Gummi: Der Titel direkt übersetzt wäre “Mutterliebe”. Was, wie du weißt, der Albumtitel ist und er kann auf mehrere Arten interpretiert werden. Die Mütter könnte die Natur sein, oder dein Land, oder die Sprache oder was auch immer. Aber der Text des Songs ist tatsächlich viel dunkler. Es geht um eine Sache die, - nun, sie war nicht üblich, aber es passierte in Island in vergangenen Jahrhunderten – wenn es armen Müttern, in der Regel Mägde auf Bauernhöfen, nicht erlaubt war, zu heiraten, weil sie sich kein eigenes Haus leisten konnten. So strikt und bescheuert waren die Gesetze in Island. Aber natürlich würden sie Kinder haben. Weil, weißt du, man kann Menschen nicht stoppen, wenn sie geil sind. Sie mussten also ihre Schwangerschaft verbergen und wenn das Kind geboren war, dann trugen sie es hinaus und – wenn man es wörtlich übersetzt, nennen wir es „das Baby hinaustragen“. Das war es, was sie taten. Sie brachten es irgendwo hin und ließen es auf dem Feld zurück und es starb. Weil es ihnen nicht erlaubt war, Kinder zu haben. Und die Konsequenzen, wenn jemand herausfinden würde, dass sie ein Kind haben, waren wirklich schwerwiegend. Darum geht es in dem Song. Es geht um diese alte, brutale Realität, der sich einige Mütter in dieser Zeit gegenüber sahen. Denn: Stell dir mal vor, was kann denn stärker sein als die Liebe einer Mutter für ihr neugeborenes Baby? Ich meine, es gibt auf der Welt kein Gefühl, das stärker ist als dieses. Und stell dir vor, gleichzeitig gezwungen zu sein, dein Baby quasi zu töten. Du willst es nicht, aber du hast keine Wahl. Es ist eine schreckliche Situation. Und die Gefühle, die aus dieser Situation entstehen, müssen wirklich, wirklich stark sein. Das ist etwas, worüber ich schreiben wollte. Aber als ich begann, den Text zu schreiben, stieß ich auf ein Problem, denn wie schreibt man über so etwas ohne übermäßig dramatisch rüberzukommen oder man erzählt einfach nur kalte, historische Fakten. Also dachte ich, vielleicht sollte ich es nicht zu ernst nehmen. Die Lösung war, dass wir drei Stimmen haben. Es gibt die Stimme der Mutter, gesungen von Einars Schwester. Sie hat noch nie zuvor in einem Studio gesungen und ich finde, sie hat einen wirklich guten Job gemacht. Dann singt Einar die Stimme der – man könnte sagen einer Art von Autorität. Es könnte der Tod selbst sein oder jemand, der ihr sagt, dass sie das Kind loswerden muss. Und dann sind da die wilden Schreie des Kindes, die ich eingesungen habe. Das sind die drei Stimmen, die wir in das Stück eingebaut haben, um die Geschichte zu erzählen ohne übermäßig dramatisch zu wirken. Es hat etwas kindliches. Es ist beinahe albern. Als wir es aufgenommen haben, haben wir im Studio gelacht, wir dachten: „Wirklich?“. Aber wir haben schönen weiblichen Gesang und diese verrückten Schreie und wir haben Einar, der wie ein Priester oder so sing. Wir dachten, die Leute würden es hassen, aber es scheint, sie mögen es.

interview 20180112 katla 07Anne: Und am Ende des Songs hört man deine Urgroßmutter singen.

Gummi: Ja, genau!

Anne: Warum existiert diese Aufnahme überhaupt? War sie eine Sängerin?

Gummi: Ja, war sie. Die Aufnahme entstand 1934. Was – das kannst du mir glauben – sehr selten war, dass Sänger 1934 Aufnahmen machten. Besonders in Island, da es hier nur einen Ort gab, an dem man Aufnahmen machen konnte. Es wurde direkt auf Vinyl aufgenommen. Also eigentlich ist es nicht mal Vinyl, man nennt es Silber… wie eine Silber-LP. Es ist aus einer Art silbrigem Material gemacht. Und das wurde direkt darauf aufgenommen. Es gibt also nur eine einzige Kopie. Und meine Mutter hat die, oder besser, sie hatte sie, denn ich habe sie quasi gestohlen und sie befindet sich nun in meiner Sammlung. Ich fand den Gedanken cool, das zu benutzen und ich hörte es mir an und das Stück, das sie singt heißt – wenn man es direkt übersetzt – „Was sing der kleine Vogel?“ – der kleine singende Vogel. Ich arbeitete das also in den Text unseres Stücks ein. Wo die Mutter ihr Baby ihren kleinen Singvogel nennt, denn wie du weißt, Babys singen, sie weinen. Es passt auf eine unheimliche Art zusammen und ich finde, es gibt dem Ende des Songs eine sehr unheimliche Atmosphäre. Es passt auf eine sehr seltsame Art.

Anne: Ich finde auch, dass die Musik die Texte sehr gut unterstreicht, denn ich habe versucht, den Text zu verstehen. Ich habe nicht alles verstanden, aber ich finde, die Musik vermittelt dir wirklich die Bedeutung des Textes.

Gummi: Das sehe ich auch so, auf jeden Fall. Und als ich über den Titel nachgedacht habe, hatte ich mir noch nicht wirklich ein Konzept überlegt, aber ich dachte sofort, dass dies der Titel für einen harten Song sein muss. Es kann kein Popsong sein, weißt du. Es muss etwas hartes sein. Darum habe ich den härtesten Song des Albums dafür ausgewählt.

Anne: Da ihr euch selbst als ganzheitliche Band, bzw. als ganzheitliches Projekt betrachtet, habt ihr schon mal überlegt, einen Gedichtband zu veröffentlichen?

Gummi: Wir machen das vielleicht in der Zukunft. Die Special Edition des Albums wurde mit einem 72-seitigem Fotobuch herausgegeben, mit den Fotos, die ich mache, ich benutze alte Filme zum Entwickeln und das war einer der Gründe, warum ich dieses Project machen wollte. Weil ich ein Ventil für all meine Kunst, nicht nur Musik, wollte. Für Musik, Texte und die visuelle Seite. Also, ja, ein Gedichtband kann gut passieren. Ja, es ist auf jeden Fall eine Möglichkeit.


"Weil ich ein Ventil für all meine Kunst, nicht nur Musik wollte."



Anne: Ihr habt auf dem Album viel Raum für euren Producer gelassen. Wie hat das funktioniert?

Gummi: Wir kennen ihn, besonders ich, ich kenne ihn seit langer Zeit, ich habe mit ihm schon vorher gearbeitet. Mit meiner alten Band haben wir einen Song seiner Band, LEGEND, gecovert und sie coverten einen unserer Songs und wir veröffentlichten diese Split-CD, wo wir jeweils einen Song des anderen covern. Aber er hat auch unsere Version seines Songs aufgenommen. Also ich habe bereits mit ihm gearbeitet. Ich dachte für die EP „Lass uns mit ihm arbeiten!“ und es war wirklich eine tolle Erfahrung und es war das erste Mal, dass Einar mit ihm gearbeitet hat und es hat ihm wirklich, wirklich gefallen. Daher haben wir ihm vertraut. Ich weiß, dass er ein musikalisches Genie ist und so dachte ich: „Lass uns dem Kerl vertrauen, lass uns sehen, welchen Blickwinkel er zu unserer Musik hat, wie er sie interpretiert und lass uns sehen, was er draus machen kann“. Und natürlich hätten wir zu jedem Zeitpunkt sagen können „Nein, das benutzen wir nicht“, aber das haben wir nie getan. Alles, was er gemacht hat, haben wir auch verwendet.

interview 20180112 katla 04Anne: Für die Special Edition habt ihr acht verschiedene Künstler Remixe von jeweils einem Song anfertigen lassen. Wie kamt ihr auf die Idee, das zu machen?

Gummi: Das Label wollte Bonusmaterial für die Special Edition aber wir hatten keins. Denn wir hatten das komplette Budget verbraucht, um das beste Album zu machen, das wir machen konnten. Wir haben keine Cover oder so einen Scheiß aufgenommen. Wir haben das Geld nur gebraucht, um das beste Album, das wir machen konnten, zu machen. Wir hatten also keine überzähligen Songs und ich glaube, es war das Label, das vorschlug, dass wir von ein oder zwei Künstlern Remixe anfertigen lassen. Ich sagte; „Ja, ok, klar, Remix ist eine gute Idee, ABER: Alles oder nichts.“ Weil, weißt du, wir sind nicht die Art von Band, die eine paar Remixe haben würde. Entweder machen wie ein komplett neues Album, oder wir lassen. Und das faszinierende war, wir hatten weniger als einen Monat Zeit dafür. Also wählten wir acht Künstler aus, fragten sie „Hey, kannst du das machen, kannst du einen Remix für uns machen?“ und sie hatten noch nie unsere Musik gehört. Wir schickten ihnen die Songs, „Hier, mach was immer du willst damit, aber du musst in einem Monat fertig sein“. Und wir setzten keine Grenzen, wir sagten: „Du kannst tun, was immer du willst. Wenn du uns ein leeres Band zurück schicken und es The Silence Remix nennen willst, sicher, wir veröffentlichen das“, aber zum Glück hat das keiner gemacht. Und am Ende hatten wir ein wirklich gutes Remixalbum, das ein eigenständiges Album ist. Du kannst es als komplett anderes Album hören. Und ich finde, das erstaunliche darin ist, dass, obwohl die einzelnen Remixe sich stark voneinander unterscheiden, sie zusammen einen sehr schönen Fluss ergeben. Man kann das auf jeden Fall als ein ganzes Album anhören.

Anne: Woher kanntet ihr diese Leute und habt ihr jedem einen Song zugeteilt oder konnten sie selbst entscheiden, welchen Song sie bearbeiten wollten?

Gummi: Alle sind Freunde von Einar und mir. Und natürlich hatten wir die Band unseres Producers, LEGEND. Da er unser Producer war, durfte er als erster aussuchen. Und er suchte sich „Nátthagi“ aus. Den anderen sagten wir „Sucht einfach einen Song aus und dann sehen wir weiter“. Und wir hatten wirklich nicht viele Probleme, dass Leute den gleichen Song auswählten. Nur einer oder zwei, einer wollte auch „Nátthagi“ machen und wir sagten dann „Nein, sorry, der ist schon vergeben, aber warum machst du nicht diesen stattdessen?“ und am Ende hat alles sehr gut funktioniert.

Anne: Bisher gibt es zu keinem der Songs ein Video. Habt ihr da schon etwas geplant, oder wollt ihr ein Video machen?

Gummi: Sicher. Wir haben Ideen und wir wollen auch, aber das Problem ist die Zeit. Wir haben darüber nachgedacht und wir wollen nicht die Art von Band sein, die jemanden dafür bezahlt, dass er ein Video macht, wo man kein Mitspracherecht hat und es ist wirklich nur etwas, um es auf YouTube einzustellen. Wenn wir ein Video machen, dann machen wir es selbst. Und das benötigt Zeit. Wir haben Ideen. Ich habe schon früher Musikvideos gemacht. Im Moment ist alles eine Frage der Zeit. Denn die Idee, die ich für ein Video habe, ist sehr zeitaufwändig. Aber es bedeutet Handarbeit für uns. Denn das ist die Art, wie wir es machen sollen. Es hat keinen Sinn, jemand anderen die Sachen für uns erledigen zu lassen. Wie beim Album, wir sind sehr stolz, dass wir ALLES selbst gemacht haben, außer mixen und produzieren. Denn dafür braucht man wirklich jemand anderes, aber alles andere haben wir gemacht. Oder die Familie. Und so wollen wir es weiterhin handhaben.
 


"Es hat keinen Sinn, jemand anderen die Sachen für uns erledigen zu lassen"



Anne: Du bist auch Fotograf. Als du die Aufnahmen gemacht hast, hattest du da schon das Album im Kopf?

Gummi: Nein. Diese Fotos – manche von ihnen sind schon viele Jahre alt. Also nein, sie wurden nicht für das Album geschossen. Aber als wir KATLA. gründeten, KATLA. entstand aus der gleichen Inspiration heraus wie diese Fotos. Wie ich schon sagte, alles stammt aus der gleichen Quelle der Inspiration. Und es war einfach nur natürlich, sie zu benutzen.

Anne: Fotografierst du nur analog oder auch digital?

Gummi: Ich veröffentliche nur analoge Fotos. I fotografiere ein wenig digital, aber das ist meistens für die Arbeit. Du weißt, ich arbeite als Tourenführer und zum Beispiel heute Nacht muss ich eine beschissene Nordlichtertour machen, die ich total hasse, und so etwas fotografiere ich meistens digital. Aber das ist nichts, was ich veröffentliche. Meine Kunst ist analog. Das andere ist eher für die Arbeit.

Anne: Und du entwickelst die Fotos auch selbst?

Gummi: Das habe ich gemacht, ja. Aber diese Fotos, diese speziellen Fotos, die wir für KATLA. benutzt haben, die musste ich nicht entwickeln, weil es Polaroids sind. Nicht die Art Polaroids, die die Leute gewohnt sind. Ich musste sie tatsächlich einem kleinen chemischen Prozess unterziehen um all diese Texturen und Farben zu erzeugen. Also ja, es ist viel Handarbeit dabei. Es gibt hier keine digitale Bearbeitung, ja.

Anne: Hast du schon einmal ein Foto aufgenommen, weil du einen Song gehört hast und auf einmal ein Bild in deinem Kopf hattest, das du fotografieren wolltest oder hast du schon mal ein Foto gesehen, vielleicht auch von jemand anderem und hast Musik darüber geschrieben?

Gummi: Kurze Antwort: Nein. Ich denke nicht. Nein. Aber, wie ich schon sagte, die Inspiration für all unsere Kunst kommt vom selben Ort. Ich meine, ja, ich habe Texte geschrieben, die von meinen eigenen Fotos inspiriert waren. Aber nicht von der Arbeit eines anderen, nein.

Anne: Du veröffentlichst deine Kunst unter dem Namen “Kuggur”. Was bedeutet das? [Gummis Kunst könnt ihr hier finden: http://www.facebook.com/kuggurart/ und hier: https://www.instagram.com/kuggurart/]

Gummi: Oh, das ist ein altes isländisches Wort für Boot. Es ist nur etwas, das ich… ich bin nicht mit einem Künstlernamen gesegnet, wie Salvador Dalí. Ich kann nicht wirklich Bilder veröffentlichen unter dem Namen Guðmundur Óli Pálmason, ich meine, das ist nur… das ist kein besonders guter Künstlername. Also musste ich etwas finden. Also dachte ich, hey, ich benutze das.

Anne: Gibt es Pläne für eine Tour oder ein einzelnes Konzert?

Gummi: Im Moment nicht, nein.

Anne: Weil euch Musiker fehlen?

Gummi: Weil Zeit fehlt! Größtenteils, und auch Geld. Ich will nicht klingen als würde es uns ums Geld gehen, aber genau das ist es. Denn weil wir es nicht des Geldes wegen machen, wir machen es in unserer Freizeit und wir verdienen kein Geld damit, aber wir können es uns nicht leisten, unsere Jobs zu kündigen oder uns eine Auszeit von unseren Jobs zu nehmen und für einen Monat keine Einnahmen zu haben. Das ist einfach nicht drin. Also nein, es ist sehr unwahrscheinlich, dass das in naher Zukunft passieren wird. Aber wir werden das in der Zukunft sehen. Vielleicht Festivals, aber keine Tour.

Anne: Hast du auch schon mal als Coverdesigner für andere Künstler gearbeitet oder könntest du dir vorstellen, das zu tun?

Gummi: Habe ich nicht, nein und ich weiß nicht, ob ich mir vorstellen könnte, das zu machen, denn ich habe einen sehr speziellen Stil, finde ich und der ist nicht besonders professionell, um ehrlich zu sein. Ich verlasse mich da mehr auf mein eigenes Gefühl. Ich habe Fotos für andere Bands gemacht, eine britische Black Metal-Band einige isländische Bands, aber was Design angeht, ich weiß nicht, ich denke, mein Stil ist zu sehr auf meinen persönlichen Stil limitiert. Genauso könnte ich auch nicht für andere Bands Schlagzeug spielen, da mein Stil zu spielen, sehr auf meinen eigenen Stil limitiert ist. Ich bin nicht einer dieser Musiker, die den Stil anderer Leute übernehmen können, weißt du. Ich mache die Dinge so, wie ich sie tue. Du das ist die einzige Art und Weise wie ich sie tun kann (lacht).

Anne: Die Schrift der Texte im Booklet ist handschriftlich. Ist das Einars normale Handschrift oder ist das eine Art Kalligraphie?

Gummi: Das ist tatsächlich seine normale Handschrift, ja. Vielleicht etwas ordentlicher als üblich, aber es ist seine Handschrift, ja.

Anne: Besteht eine Chance, dass ihr die EP auch auf CD veröffentlicht? Soweit ich weiß, ist sie ja nur auf Vinyl erschienen.

Gummi: Sie ist nur auf Vinyl erschienen, ja, aber sie ist auch als kostenloser Download erhältlich, von daher sehe ich keinen Grund, sie auch auf CD zu veröffentlichen. Wenn du eine digitale Kopie willst, kannst du es einfach runterladen. Also nein, wahrscheinlich nicht.

Anne: Wie ist die Metalszene in Island so?

Gummi: Ich weiß nicht. Ich meine, ich weiß, dass es Bands gibt die gute Sachen machen, aber ich besuche keine Konzerte mehr. Ich bin seit Jahren auf kein Konzert mehr gegangen. Von daher bin ich in keiner wie auch immer gearteten Szene drin. Das war einmal, aber ich möchte auch in keiner Szene mehr sein. Ich habe einfach keine Zeit dafür. Ich bin einfach zu beschäftigt mit meiner Arbeit und meiner Familie und all dem.

Anne: Ich habe gehört, dass Island als Land einige Probleme mit Touristen hat. Dass sie sich nicht benehmen können und solche Sachen. Nerven dich Touristen? Ich meine, du arbeitest im Tourismusbereich, aber…

Gummi: Ja, manchmal tun sie das, aber da wird viel übertrieben. Die Leute sagen „Oh nein, Touristen, dies und das!“. Es gibt auf jeden Fall einige Probleme, vor allem mit der Art, wie sie über die eisigen und engen Straßen hier in Island fahren, die gefährlich sein können, einfach gesagt. Aber davon abgesehen, all die anderen Sachen, das sind bloß Kleinigkeiten, das hat keine Bedeutung. Der Tourismus hat Island vor dem Bankrott gerettet. Wir waren völlig pleite nach 2008. Der Tourismus lief ab 2010 so richtig an. Und ich weiß nicht, warum die Leute sich über Touristen beschweren. Wenn es die Touristen nicht gäbe, wären wir verdammt nochmal bankrott. Also, hört auf rumzujammern. Ja, wir müssen etwas wegen der Straßen machen, wir müssen etwas machen wegen der Leute, die bei eisigen Straßenverhältnissen fahren und anscheinend noch nie zuvor ein Auto gefahren sind, aber davon abgesehen geht es uns gut, finde ich.

Anne: Ich habe einige Interviews gelesen, die du gegeben hast, vermutlich per E-Mail und meistens beendest du sie mit dem Wort “jarðvarmavirkjun“. Was ist das?

Gummi: Jarðvarmavirkjun? (lacht)interview 20180112 katla 01

Anne: Ich verstehe Erde und Wärme, aber ich verstehen den letzten Teil nicht.

Gummi: Virkjun? Virkjun ist ein Kraftwerk.

Anne: Also es ist einfach ein Geothermal…

Gummi: … ein Geothermalkraftwerk

Anne: Also du verwirrst einfach nur die Leute.

Gummi: Oder vielleicht interessiere ich mich sehr für Geothermalkraftwerke? Wer weiß? (lacht)

Anne: Wer weiß? Aber das war es jetzt. Ich danke dir sehr für das Interview!

Gummi: Danke gleichfalls!




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