George Benson - Weekend In London

georgebenson weekendinlondonManche Künstler erinnern sich gerne daran, wo sie herkommen. So auch der populäre Jazzer, der einst in der Band von MILES DAVIS bekannt wurde, bevor er eine Solokarriere einschlug. Die führte ihn bei den ersten Gehversuchen in Europa in den Ronnie Scott´s Club im Londoner Szenestadtteil Soho. Ab Mitte der Siebziger öffnete sich GEORGE BENSON dann zunehmend Klängen aus Soul, Funk und Disco, was ihn zu kommerziellen Höhenflügen führte. In den letzten Jahren hat er sich wieder seinen Wurzeln zugewandt und erforschte auf seinen jüngsten Longplayern seine Einflüsse. Quasi als Ehrerbietung an den altehrwürdigen Club begab sich der Mann im letzten Jahr für ein Konzert zurück, wo für ihn vieles begann. Ein Mitschnitt des Konzerts ist nun unter dem Titel "Weekend In London" erschienen.

Auch wenn seine erfolgreichsten Zeiten lange zurück liegen, wird man den Künstler in so kleinen Venues normalerweise nicht antreffen. Doch es war ihm und seiner Band eine Ehre, hier für ein paar eingefleischte Fans in einem sehr intimen Rahmen zu performen. Man spürt förmlich die Verbindung zwischen Musikern und Publikum, schade dass es hiervon kein Videodokument gibt, auf der Bühne dürfte es noch enger zugegangen sein wie davor.
Benson legt gleich mit "Give Me The Night" los, seinem größten Hit von 1980, wenngleich einige seiner Kompositionen von anderen Künstlern weitaus bekannter wurden. Das Lied klingt geradezu typisch für seine Zeit, was man jetzt positiv oder negativ sehen kann. Synthfanfaren zu funky Licks und soulige Backgroundvocals sind nicht jedermanns Sache und gerade die älteren Fans dürften das seinerzeit nicht unbedingt goutiert haben.

Doch der Mann wäre nicht so ein hochdekorierter Musiker, wenn er daraus nicht etwas Anspruchsvolles zaubern würde, gerade in der Livesituation bekommen die Songs, das was sie auszeichnen sol, nämlich Seele. Kurz lässt er sein Spiel aufblitzen und experimentiert ein wenig mit dem Wah-Wah, überlässt aber seinem Pianisten mehr die Initiative zum Ende hin. So sehr die Konzentration auf dem Hit-Material liegt, kürzere oder längere Improvisationen lässt sich die Formation nicht nehmen.
Vor allem die beiden letzten Stücke des Drehers sind voll davon, "Cruise Control", eines der späteren Stücke bietet viel jazzige Licks zu funkigem Background, in dem sich nicht nur die Instrumentalisten austoben, sondern auch der Meister selbst mit dem öfter eingesetzten Scat-Gesang. Die einzige Komposition aus der Frühphase, das flirrende "Affirmation" hingegen ist sehr spannend gehalten, die legendäre Ibanez GB-Signature und das Piano solieren bravourös und von der Stimmung her denkt man öfter an SANTANA.

Dein Eindruck erweckt ebenso die Version der Donny Hathaway-Nummer "The Ghetto", welches gerade im rhythmischen Bereich mit tribalartigen Elementen zu überraschen weiß. Ein wenig lockert ein Shuffle in der Mitte den spannend inszenierten Song auf und öffnet die Bühne für jazzige Variationen. Die Herangehensweise zeigt ähnlich wie bei der Jazz-Phase des Latin Rock-Pioniers einen deutlichen Einfluss von John Coltrane. Der lässt sich auch im Spiel von GEORGE BENSON ablesen, der allerdings auch mal Michael O´Neill ein paar Parts an den sechs Saiten überlässt. Sein Hauptaugenmerk an dem Abend lag eher im Vortrag mit seiner samtigen Stimme, die viel Feeling vermittelt und auch allzu offensichtlichen Liedern Würze gibt.

Es ist eben die Art und Weise wie man "Love X Love" oder "Love Ballad" interpretiert, so manche Harmonie aus Bläsern und Keyboardstreichern klingen wie aus der Titelmelodie einer Siebziger-Fernseh-Serie. Doch mit ihrem Spiel holt das Ensemble großartige Momente heraus. In "Feel Like Makin´ Love" groovt der Funk-Bass ohne Ende und "Don´t Let Me Lonely Tonight" wird mit Blueslicks garniert. Bluesig sind auch die Anschläge in "I Hear You Knocking", der Hommage an FATS DOMINO, das man mit Bläsern und Barpiano noch nie so beschwingt und dennoch lässig gehört hat. Noch mehr Barfeeling, was dem Ort des Geschehens gut zu Gesicht steht gibt es in "Moody´s Mood", Benson liefert sich darin ein grandioses Duett mit einer Vokalistin, die er mit Miss Liviana vorstellt.

Klar klingt auch manches recht schwülstig, die Pianoballade" In Your Eyes" greift tief in den Kitschtopf, doch sogar "Nothing´s Gonna Change My Love For You" gerät zum Emotionsförderer. Die ein paar Jahre später veröffentlichte Version des damals blutjungen GLENN MEDEIROS hat zwar weit mehr Einheiten über die Ladentheken gehievt, aber wie klasse man die Komposition vortragen kann hat selbst den Rezensenten überrascht. Im Gesamtbild fügen sich Titel aller Phasen gut ein, die Band spielt wie aus einem Guss und lässt immer noch genug Widerhaken an der Angel. Der Kontrast zwischen Hit-Collection und spielerischer Finesse ist sehr interessant und lässt vieles mit neuen Augen sehen.

Was "Weekend In London" aber so stark ausfallen lässt, ist wie das Ganze eingefangen wurde, denn die Atmosphäre des Gigs wurde ungeheuer plastisch auf Konserve gebannt. Verantwortlich dafür ist ein weiterer Meister seines Fachs, die Mischpulthändchen von Kevin Shirley haben wieder ganze Arbeit geleistet, der Mann ist großartig. Jeder einzelne Ton ist so exakt hörbar, alles so perfekt ausbalanciert, die Chöre, die Bläser, alles kommt so auf den Punkt und in der richtigen Intensität. So wie die Protagonisten ihr Spiel aufeinander abstimmen, so dosiert gibt es das Soundgewand wieder.
Nicht nur die Zuschauer und launigen Ansagen sorgen dafür, dass echtes Konzertfeeling entsteht, denn trotz aller Voluminösität wird der typische Spirit bewahrt. Besonders das Schlagzeug tönt so echt und direkt und weit weg von eben jenen aufgeblasenen Airplay-Produktionen, wie sie heute für manche der Lieder verwendet werden. Thematisch ist das engverwandt mit dem R´n´B-Einheitsbrei unserer Tage, aber hier kommt das unverfälscht, wahrt die Jazz-Wurzeln und sollte von vielen Chart-Sternchen gehört werden, um zu sehen wie man es richtig macht. (Pfälzer)

 

Bewertung:

Pfaelzer8,0 8 / 10


Anzahl der Songs: 14
Spielzeit: 74:09 min
Label: Provogue/Mascot
Veröffentlichungstermin: 13.11.2020

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