Borknagar - True North

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Bei BORKNAGAR hat sich seit dem letzten Album wieder einmal einiges getan. Die langjährigen Mitglieder Andreas „Vintersorg“ Hedlund, Jens Ryland und Baard Kolstad haben die Band 2018 und 2019 aus persönlichen, ganz unterschiedlichen und nachvollziehbaren Gründen verlassen. Neu hinzugekommen sind Bjørn Dugstad Rønnow an den Drums und Jostein Thomassen an der Gitarre. Den Gesang wird von nun an hauptsächlich in den Händen von Simen “I.C.S. Vortex” Hestnæs liegen. Mit den neuen Mitgliedern hat sich auch der Songwritingprozess geändert. Hat beim letzten Album noch jeder selbst zu Hause an den Songs herumgefeilt und im eigenen Heimstudio aufgenommen, wurden Songideen hin- und hergeschickt, so hat man dieses Mal die „klassische“ Variante des Songschreibens gewählt – beim Jammen im Proberaum.

Herausgekommen ist – so viel schon mal vorweg – ein Album, das harmonischer und organischer klingt als „Winter Thrice“, meiner Meinung nach. Denn obwohl der Vorgänger objektiv betrachtet eigentlich gar nicht schlecht ist, konnte er bei mir nie so zünden wie die anderen Alben, insbesondere „Urd“. Doch schon der Opener kann mich hier direkt überzeugen. Nach leisem Donnergrollen setzt „Thunderous“ sofort ein und nach wenigen Sekunden weiß man, dass man hier BORKNAGAR lauscht. Auch wenn es den ein oder anderen Gitarrenpart gibt, der von der Melodie her an TÝR erinnert.

Am außergewöhnlichsten ist aber vielleicht „Up North“, die zweite Single. Es ist eine fast schon fröhliche Midtemponummer, bei der man ausgiebig von der Hammondorgel Gebrauch macht. Beim ersten Hören fand ich den Song arg poppig. Aber trotzdem (oder gerade deshalb) gut. Zugleich steht der Song auch programmatisch für die Gesamtentwicklung der Band. Man hat sich immer weiter vom eigentlichen Black Metal hin zum Progressive Metal entwickelt und bei dieser Nummer fällt es wirklich schwer, den Black Metal noch irgendwo zu finden. Wie fast auf dem ganzen Album gibt es hauptsächlich Cleangesang, Growls werden nur sehr akzentuiert eingesetzt. Und dennoch ist dieser Song sofort als BORKNAGAR-Stück zu erkennen.

Ähnliches gilt auch für „Lights“, das auf den ersten Blick als fröhliche Uptemponummer erscheint, eher Richtung Rock denn Black Metal geht und dann aber doch noch durch ein paar Growls veredelt wird. Mindestens genauso schön ist „Wild Father’s Heart“, ein Song zum Zurücklehnen, Augen schließen und träumen, bei dem auch mal Streicher ran dürfen. Einfach ein Lied, das die Seele berührt. Und dabei gehört es noch nicht einmal zu meinen absoluten Favoriten auf dem Album. Oder vielleicht doch?

Als erste Single wurde „The Fire That Burns“ veröffentlicht. Aus meiner Sicht eine äußerst gelungene Wahl, ist es doch der Song, der musikalisch am ehesten an das letzte Album „Winter Thrice“ anschließt, es ist auf den ersten Blick ein ganz typischer BORKNAGAR-Song. Und entwickelt sich dann doch zu einem eher ruhigeren Stück, wie er für dieses Album typisch ist. „Mount Rapture“ erinnert vom Songtitel her an „Mount Regency“ von „Urd“ – und weist auch musikalisch gewisse Ähnlichkeiten auf. Auch hier darf die Hammondorgel mal so richtig ran, gleichzeitig zieht aber auch das Tempo an und der Song ist einer härtesten des Albums, bei dem auch Growls nicht zu sparsam eingesetzt werden.

„Into The White“ stimmt dann mit seinen Ohrwurmmelodien schon langsam auf das Ende des Albums ein. Wobei „Tidal“ den Hörer aus der gerade eben gewonnenen Ruhe wieder heraus reißt. Nach einem teils akustischen, ruhigen Anfang entwickelt sich der Song zu einem richtig heftigen Stück im Stil des letzten Albums, der melodische Mitsingrefrain steht im Kontrast zu den harten Strophen, in denen es richtig zur Sache geht.

Ein Juwel hat sich die Band jedoch bis zum Schluss aufgehoben. „Voices“ klingt zunächst einmal so ungewohnt, dass es beinahe schon wie ein Cover wirkt. Dabei könnte man das Stück wohl am ehesten als BORKNAGAR-Folk bezeichnen. „Voices“, bei dem der Gesang im Vordergrund steht, geht ins Ohr, bohrt sich tief in die Seele und gewinnt mit jedem Hören an Intensität. Auch wenn das Stück zunächst fast schon etwas zu simpel wirkt, so liegt gerade darin seine Stärke. Es erinnert an alte nordische Hirtengesänge und greift damit auch das Thema „True North“ noch einmal auf.

BORKNAGAR haben damit wieder ein grandioses Album abgeliefert. Meiner Meinung nach hat die geänderte Art des Songschreibens der Band sehr gut getan. Während Øystein G. Brun nach wie vor der Hauptsongwriter der Band ist, waren dieses Mal auch Lars Nedland und ICS Vortex maßgeblich am Songwriting beteiligt, was Sound und Variabilität der Band positiv beeinflusst hat. Jetzt hoffe ich nur, dass die Band die Songs bei den zukünftigen Liveauftritten auch spielt – bei „Urd“ wollten sie mir den Gefallen ja nicht tun. (Anne)

Bewertung:

Anne8,5 8,5 / 10

Anzahl der Songs: 9
Spielzeit: 59:07 min
Label: Century Media
Veröffentlichungstermin: 27.09.2019

 

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