Lyriel - Leverage

lyriel_leverage2008 traten LYRIEL erstmals in Form eines Auftritts auf dem Dong Open Air in mein Leben. Auf Anhieb fand ich die Band interessant. Dabei half auch, daß die Gummersbacher ihre ersten beiden Alben zum kostenlosen Download auf ihrer Homepage stehen hatten. So konnte man sich in aller Ruhe in die Band einhören und sie zwar nicht überragend, aber zumindest ziemlich gut finden. Nur irgendwie habe ich es trotzdem geschafft, daß das letzte Album „Paranoid Circus“ komplett an mir vorbeigegangen ist. Das soll mir mit „Leverage“ nicht mehr passieren. Gesagt, getan, da isses.

Und…nun ja. Ein Freund langer Alben waren LYRIEL noch nie. Da verwundet es auch nicht, daß „Leverage“ auf gerade mal 35 Minuten kommt. Aber irgendwie ist das auch gar nicht so schlecht. Bevor das Album die Chance hat, einem auf die Nerven zu gehen, ist es auch schon wieder vorbei. Wobei – das stimmt so eigentlich nicht. Denn der Siebener hat es geschafft, der Welt unnötigstes und langweiligstes Intro auf Platte zu bannen. Ein bißchen Geklimper und Getöne, dazu Sängerin Jessica Thierjung, die von 10 an flüsternd rückwärts zählt – und das auch noch auf mehr als anderthalb Minuten gestreckt – der helle Wahnsinn.

Aber wenn man das dann erstmal hinter sich hat (oder erfolgreich die Skiptaste betätigt), dann kann man mit dem Titelsong auch gleich das beste Stück der Platte genießen. Und dem hört man doch deutlich an, daß LYRIEL seit „Autumntales“ einen gewaltigen Schritt nach vorne gemacht haben. Insbesondere Sängerin Jessica Thierjung hat sich sehr verbessert, auch wenn man immer noch hört, daß sie wenig Gesangsunterricht hatte. Aber auch die harten Gitarren, die hin und wieder durchspitzen, stehen der Band gut zu Gesicht. Ein wirklich guter Einstieg in die Platte, der auch Folkverächtern gut gefallen könnte.

Doch spätestens bei „Parting“ merkt man dann, daß hier LYRIEL am Werk sind, das ist ihr typischer Sound. Auch wenn mir hier die Geige etwas zu sehr im Vordergrund steht. Nichtsdestotrotz ist „Parting“ ein mitreißender Song, der vor allem den Feierwütigen zusagen dürfte. Dafür klingt „Voices In My Head“ ungewohnt hart und düster und erinnert auch (insbesondere die Geigenparts) an aktuelle SUBWAY TO SALLY. Und auch wenn der Song gegen Ende dann doch wieder in Richtung „typisch LYRIEL“ driftet, ist es ein richtig starker Song geworden.

Aber mit dem harten Rock ist es dann auch schon wieder vorbei und man packt mit „The Road Not Taken“ und „White Lilly“ erstmal zwei Balladen aus. Das ist schön, das ist romantisch, das ist was für die NIGHTWISHs-bester-Song-ist-„Nemo“-Fraktion. Naja, immerhin  entwickelt sich „White Lilly“ Richtung LACUNA COIL und ist damit zumindest ansprechend (und Jessica Thierjungs Entwicklung am Gesang beeindruckend).

Mit „Aus der Tiefe“ und „Wenn die Engel fallen“ gibt es dann erstmals in der Geschichte von LYRIEL Songs mit deutschen Lyrics. Und zumindest „Aus der Tiefe“ ist gut gelungen (auch wenn ich jetzt langsam genug von Balladen habe). Aber „Wenn die Engel fallen“ ist dann wohl eher Geschmackssache. Mir jedenfalls wird wieder bewußt, warum ich SCHANDMAUL nicht mag, denn deren Sänger Thomas Lindner singt diesen Song im Duett mit Jessica. Gut, im Duett ist es auch wirklich gut, aber in den Solopassagen kann ich den Gesang des Herrn Lindner nur schwer ertragen. Das ist aber reine Geschmackssache, meiner Meinung nach paßt seine Stimme nicht zum Song, aber das kann gerne jeder sehen, wie er möchte.

„Side By Side“ ist dann wieder typisch LYRIEL, bevor man das Album wieder mit einer wirklich guten Powerballade ausklingen läßt. Insgesamt ist „Leverage“ damit ein gutes Album, das deutlich zeigt, daß LYRIEL sich doch sehr verbessert haben (und nebenbei bin ich auch beeindruckt, wie schnell Jessica Thierjungs Haare gewachsen sind…oder sind das Extensions?). Vor allem der Sound ist allererste Sahne, und ich glaube, die ersten beiden Alben der Band würden mit diesem Sound auch nochmal eine ganze Ecke besser klingen (wobei es die beiden Scheiben ja auch schon als Re-Release gibt und daher nehme ich einfach mal an, daß die jetzt tatsächlich ordentlich klingen). Wer auf die Mischung von Folk und Gothic mit weiblichem Gesang steht, vielleicht noch eine etwas verträumte Seele ist, die aber gerne auch mal verzerrte Gitarren hört, der sollte LYRIEL auf jeden Fall mal antesten. Mir persönlich sind auf „Leverage“ zu viele Balladen enthalten. Aber auch die sind nicht schlecht gemacht und die paar härteren Songs finde ich richtig gut. Außerdem haben LYRIEL es geschafft, einen ganz typischen Sound zu entwickeln, den man sofort erkennt und mit dem sie aus dem großen Mittelalter-/Folk-/Gothic-Einheitsbrei hervorstechen. Das kann auch nicht jede Band. Also alles in allem find’ ich das hier wirklich gut. (Anne)


Bewertung: 7,5 / 10

Anzahl der Songs: 10
Spielzeit: 34:50 min
Label: AFM Records
Veröffentlichungstermin: 24.02.2012
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