Mehrfach-Wertung der Redaktionaerosmith_musicfromanotherdimensionWenn man unken wollte, könnte man behaupten, dass AEROSMITH dann angefangen nachzulassen, als sich der große Erfolg einstellte. In der Tat waren sie in den Siebzigern trotz Hammerscheiben wie "Rocks" nur jenseits des Atlantik eine Nummer, was auch daran lag, dass Europa tourtechnisch vernachlässigt wurde. Nach dem Comeback mit den Überalben "Permanent Vacation" und "Pump" konnte man sich auch hierzulande einen Namen machen. Welches der beiden das bessere ist, darüber streiten sich bis heute die Gelehrten.
Mit "Get A Grip" kam dann der Welterfolg, doch die Scheibe konnte den Vorläufern nicht das Wasser reichen. Das lag viel daran, dass die Refrains bis zum Erbrechen repetiert wurden, nur damit man Videos in Spielfilmlänge darin unterbringen konnte. Ein Beitrag zu einem richtigen Film konnte in der Folge den kommerziellen Absturz auch nicht verhindern, vor allem das schwache "Just Push Play" blieb hinter den Erwartungen zurück. Das ist nun elf Jahre her und bislang hörte man nur noch mit dem Blues-Album "Honkin´On Bobo" etwas von den Bostonern. Doch nach allerlei internen Querelen hat man nun mit "Music From Another Dimension" endlich ein neues Studiooutput auf dem Markt.

Es beginnt zäh, ein langes Intro, ein paar mehrstimmige Gesänge, dann schon der Refrain, bevor „Luv XXX" in bester Siebzigermanier losrockt. Ganz typischer Groove, ein cooles Riff und die ballernde Snare von Joey Kramer lassen aufhorchen. So geht es beim lässigen „Oh Yeah" weiter, der Blues ist allgegenwärtig, und soulige Frauenchöre sorgen für eine interessante Klangfarbe. Schon lange waren AEROSMITH ihrem klassischen Einfluss, den ROLLING STONES nicht mehr so nahe.

Wäre zu schön, wenn es so weitergehen würde, doch mit „Beautiful" kommt erstmal eine völlig krude moderne Pop-Nummer, die völlig ziellos umher eiert. Da werden Erinnerungen an die letzten Alben wach, das hier kann höchstens als Parodie ihres Hits „Walk This Way" durchgehen. Mit „Tell Me" gelingt zwar eine kitschfreie Ballade, aber der große Wurf ist das auch nicht. Knackiger schießt da schon das funkige Riff von „Out Go The Lights" um die Ecke. Die Soulladys haben hier noch mehr Einsätze und Frontlippe Steven Tyler zückt die Mundharmonika.

Nun sind diese Blackmusic-Einschübe ja schon seit jeher Bestandteile des typischen Sounds des Fünfers, doch hier kommen sie völlig falsch zur Geltung. Was bei den ersten Songs schon störte, entpuppt sich spätestens hier als das große Problem des Albums. Dieser glatte, völlig gen Radio-Airplay getrimmte Sound, der jegliches Gefühl im Keim erstickt, und eine solche Nummer braucht schon viel Feingefühl beim arrangieren. Das Feeling hat die Truppe, kann ich bestätigen, da ich sie schon mehrmals live gesehen habe. Aber es wurde auf „Music From Another Dimension" überhaupt nicht eingefangen. Dabei saß mit Jack Douglas ein Mann an den Reglern, der wissen müsste, wie man diese Kompositionen richtig abmischt. Doch der hatte schon bei „Honkin´On Bobo" kein glückliches Händchen.

Ich kann zwar schon etwas mit einer Pop-Schlagseite im Hardrock anfangen, aber wenn man so tief im Blues watet, dann passt das einfach nicht mehr. Bei aller Liebe, wer glaubt auf die Art und Weise heutzutage noch dicke Hitsingles produzieren zu können, hat den Schuss echt nicht gehört. Das ekelhafte Mastering drückt dann auch den letzten Funken Dynamik und Tiefe aus der Scheibe, da ist alles zu spät. Da hebt sich nichts ab oder ist im Hintergrund, alles schön gleich laut ausgesteuert, extra für den Konsumenten. So einen Sound können irgendwelche R&B-Acts wie PINK fahren, die gerne mal einen auf Rocker machen, hier haben wir es aber mit echter Rockmusik zu tun.

Darunter leiden auch Titel wie der folgende Groover „Legendary Child", welcher auch hätte als Nachfolger von „Sweet Emotion" durchgehen können. Danach setzt es auch noch austauschbare kitschige Balladenkost in Form von „What Could Have Been Love", und das ist erst der Anfang einer ganzen Reihe. Und die kommen noch nicht einmal an „Crazy" oder „Amazing" heran, von „Angel" rede ich erst gar nicht. Auch die Diane Warren-Komposition dürfte nicht an den Erfolg der letzten Kollaboration anknüpfen. Lediglich die Country-Nummer „Can´t Stop Loving You" weiß zu gefallen, weil sie sich wohltuend aus dem Einheitsbrei abhebt. Hier gibt es noch ein Duett mit „American Idol"-Gewinnerin Carrie Underwood, wer die wohl angeschleppt hat?

Nun bleibt es im Anschluss an „Street Jesus" das ganze noch zu retten. Der Besungene hat ganz gute Karten, denn zwischen Blues-Einlagen gibt er bevorzugt Vollgas, so dass ihm die fehlende Dynamik wenig anhaben kann. Ein lecker mundender Cocktail aus „Toys In The Attic" und „Don´t Get Mad, Get Even", bei dessen Schwermut klar wird, dass der zweite Gitarrist Brad Whitford seine Hände im Spiel hat. Noch mehr offenbart sich allerdings der Einfluss seines kongenialen Partners, Joe Perry.
Jener war schon maßgeblich am starken Auftakt beteiligt, und streut im weiteren Verlauf immer wieder tolle Songs zwischen die seichten Belanglosigkeiten. Vor allem die zwei von ihm gesungenen Stücke sorgen endlich mal für Spaß an der Sache. „Something" ist ein trockener Blues, während „Freedom Fighter" erneut den Geist der Seventies-STONES beschwört. Das fordernde Piano treibt den federnden Rhythmus, der ein wenig an „Sick As A Dog" erinnert, noch mehr nach vorne.
Für manche Rockfans ist ja Joe Perry der liebe Gott, wäre er für mich auch, wenn es nicht einen gewissen Bruce Springsteen geben würde. Und wo wir gerade über den Heiland und seinen Vater sinnieren, für „Music From Another Dimension" ist der Mann der Messias. Nicht auszudenken, was da raus gekommen wäre, hätte er in der Zeit als sich Tyler als Casting-Show-Juror verdingte, die Songs für ein Soloalbum verbraten oder mit den anderen ein Album ohne den Sänger aufgenommen.

Würde man diese unsägliche Pop-Nummer und die zweite Hälfte der Balladen raus nehmen, wäre schon viel geholfen. Überhaupt könnten noch ein paar Songlängen als Ballast dran glauben, ebenso wie Co-Produzent Marti Frederiksen und diverse andere Songwriter. Wenn man dem Ganzen noch einen erdigen Sound verpasst hätte, wäre ein wirklich gutes Werk entstanden. Mit dem Ergebnis aber wird das wohl nichts mit dem zweiten großen Comeback. Obwohl das erste Comeback ja mit „Done With Mirrors" ebenfalls halbgar angegangen wurde, bevor die zwei Überalben im Zweijahresrhythmus nachgeschoben wurden. Warten wir also 2014 ab und hoffen für 2013 auf einige Europa-Shows. Wobei ich da mehr Geld drauf setzen würde, als darauf, dass sie endlich mal wieder eine wirklich gelungene Scheibe einspielen.(Pfälzer)

Bewertung: 6 / 10


Anzahl der Songs: 15
Spielzeit: 68:04 min
Label: Sony Music
Veröffentlichungstermin: 02.11.2012

Wertung der Redaktion
David Andreas Anne Maik Jochen Kevin Pascal
8 6,5 7 6,5 7 7,5 8
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