Blind Guardian Twilight Orchestra - Legacy Of The Dark Lands

blindguardiantwilightorchestra legacyofthedarklandsnb mehrfachwertungAlles zu seiner Zeit. Besser spät als nie. Gut Ding‘ braucht Weile. Was lange währt, wird endlich gut. Solche Sprüche fallen einem zuerst ein, wenn man an „Legacy Of The Dark Lands“ denkt. Man ist sogar fast versucht, das Album mit dem Namen „Chinese Democracy“ zu betiteln, aber tatsächlich müsste „Chinese Democracy“ mit „Legacy Of The Dark Lands“ betitelt werden. Immerhin erschien „Chinese Democracy“ nach rasend schnellen 14 Jahren, während BLIND GUARDIAN jetzt bereits seit sage und schreibe 23 Jahren an diesem Album werkeln.

Nun muss man der Band natürlich zugutehalten, dass sie nicht nur an diesem Album geschrieben hat, sondern in der Zwischenzeit immerhin fünf reguläre Alben veröffentlicht hat, deren Songs aber teilweise ohne das nun erschienene „Legacy Of The Dark Lands“ wohl nie in der vorliegenden Form entstanden wären. Als Fan hat man ja eigentlich kaum noch daran geglaubt. Ähnlich wie bei GUNS ‘N‘ ROSES wurde es irgendwann eine Art Witz, ein Album, an dessen Erscheinen keiner mehr wirklich geglaubt hat. Umso mehr spricht es für die Krefelder, dass sie nie von ihrer Vision abgelassen haben und über die Jahre konsequent weiter an der Scheibe gearbeitet haben.

Steter Tropfen höhlt den Stein und so kann der Vierer nach Jahren harter Arbeit nun endlich das Opus Magnum in Händen halten, von dem er so lange geträumt und worin er Unmengen an Schweiß und sicher auch Tränen investiert hat. Man kann sich eigentlich kaum vorstellen, wie man sich da wohl fühlt. Und wie gespannt man auf die Reaktionen von Fans und Presse sein muss. Und auch ich war dann irgendwann doch sehr gespannt darauf, was BLIND GUARDIAN hier fabriziert haben.

Mit kurzen Videos hat man die Fans ja schon neugierig gemacht. So wusste man, dass es wieder viele Sprechparts geben würde, so wie man es schon von der „Nightfall In Middle-Earth“ kennt. Und da sind ja die Reaktionen auch eher zwiegespalten. Ich finde diese Parts großartig, aber ich kenne viele, die sie ganz furchtbar finden. Geschmackssache, sprach der Affe und biss in die Seife. Andererseits ist es aber auch wirklich nicht einfach, solche Parts harmonisch ins Gesamtbild einzufügen, so dass man gespannt sein durfte, wie das gelöst werden würde.

Als erste Single wurde „Point Of No Return“ veröffentlicht, das sich jetzt klanglich gar nicht so sehr von den typischen BLIND GUARDIAN-Songs unterscheidet. Ja, man kann es eigentlich nicht als Metal bezeichnen und ja, hier spielt ein Orchester, aber es ist eben doch sehr der typische Sound der Band. Thematisch ist man dem Fantasy-Genre treu geblieben und hat in Zusammenarbeit mit dem Schriftsteller Markus Heitz eine Fortsetzung seines Romans „Die dunklen Lande“ geschrieben. Die Geschichte spielt also nicht in einer Phantasiewelt, sondern im Deutschland des 17. Jahrhunderts. Eingespielt wurde das Ganze von den Prager Philharmonikern.

Aber wie ist „Legacy Of The Dark Lands“ denn nun? Wie klingt es? Zunächst einmal wirklich gut. Aber auch sehr, sehr komplex. Ich habe noch selten so viele Anläufe gebraucht, um ein Album wirklich beschreiben zu können. Aber es ist eben ein Album, bei dem sehr viel passiert. So ein Orchester muss man auch erst mal verkraften. Es gibt so vieles, auf das man achten kann - und im Grunde wird man als Hörer sogar noch mehr herausgefordert als bei typischer klassischer Orchestermusik. Denn zum Orchester kommt ja natürlich noch Hansi Kürsch als Sänger sowie die verschiedenen Sprecher.

Hier muss ich sagen, dass diese zu Beginn sehr schön ins musikalische Geschehen eingebunden sind, gegen Ende des Albums wirkt es eher hinzugefügt und weniger als Einheit. Das hat mir auf „Nightfall In Middle-Earth“, wo die Parts der Sprecher auch musikalisch oder mit Soundsamples untermalt waren, besser gefallen. Das hat man hier zwar auch in Ansätzen, doch herrscht durch die oft fehlende musikalische Untermalung oft einfach ein zu großer Gegensatz zwischen Sprechparts und orchestralen Parts, da klingt das Album einfach etwas unrund; der musikalische Fluss wird unterbrochen.

Musikalisch bin ich dagegen schon sehr begeistert. Ich habe ja als Kind viel klassische Musik gehört und ich mag einfach diese musikalische Macht, diesen Bombast, den ein Orchester verströmt. Dazu kommt noch der Chor, der hier immer sehr schön pointiert eingesetzt wird. Gut gefallen mir auch die Remineszenzen sowohl zum eigenen Werk („The Great Ordeal“ erinnert stellenweise stark an „Twilight Of The Gods“) als auch zur Klassik. Wenn ich „War Feeds War“ höre kommt mir auch unweigerlich die Stelle in Bedřich Smetanas „Vltava“ in den Sinn, als die Moldau zum ersten Mal in Sichtweite der goldenen Dächer Prags kommt. Was auch wieder den Kreis zu den Prager Philharmonikern schließt.

Insgesamt bietet das Album einfach zu viele Details, um auf jedes einzelne eingehen zu können. Ich finde jedoch, dass die Songs zu Beginn komplexer und klassischer sind, die Sprechparts sich gut einfügen und gegen Ende wirken die Sprechparts dann oft wie nachträglich hinzugefügt, oft abgehackt, während die Songs eher weniger klassisch, sondern mehr typisch BLIND-GUARDIAN-orchestral klingen. „Point Of No Return“ ist ein gutes Beispiel für einen solchen Song, der trotz Orchestereinsatz fast schon eingängig wirkt, während der erste Teil des Albums doch sehr komplex ist.

Alles in allem machen es einem BLIND GUARDIAN mit diesem Album – das ja nicht umsonst gar nicht unter dem Bandtitel, sondern unter dem Namen BLIND GUARDIAN TWILIGHT ORCHESTRA veröffentlicht wird – wirklich nicht leicht. Und ich muss sagen: So sehr ich die Sprechparts in „Nightfall In Middle-Earth“ liebe – hier empfinde ich sie eher als störend. Sie stören den Fluss des Orchesters und ohne diese wäre das hier ein richtig tolles Album geworden. Kein Album, das man im Auto hört und fröhlich mitträllert. Dafür gehen im Auto auch einfach durch den Umgebungslärm zu viele Details verloren. Dieses Album braucht die volle Aufmerksamkeit des Hörers, entfaltet dann aber auch seine ganze Schönheit. Ich muss mir nur glaube ich eine Variante ohne die Zwischenparts brennen. (Anne)

 

Anzahl der Songs: 24
Spielzeit: 75:18 min
Label: Nuclear Blast Records
Veröffentlichungstermin: 08.11.2019

 

Bewertung:

Anne8,5 8,5 / 10

 


 

Klaus6,0 6 / 10

Maik8,0 8 / 10

Matthias7,0 7 / 10

Pascal7,5 7,5 / 10

Pfaelzer7,5 7,5 / 10

Alex26,0 6 / 10

 

 


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