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scorpions liveinmunichFast drei Jahre dauerte die Abschiedstour der größten deutschen Rockband, die sie durch alle Erdteile führte. Doch im Verlaufe dieser Mammutrundreise kam den Bandmitgliedern immer mehr Zweifel an ihrer Entscheidung, viele Lieder besingen ja auch das Verhältnis zu ihren Fans. Von so einem Job kann man eben nur schwer lassen, auch wenn es manchmal zwickt, dies wurde eindrücklich im Film „Forever And A Day“ dokumentiert. Bei den Aufnahmen dazu wurde auch das vermeintlich letzte Konzert am 17. Dezember 2012 in der Münchener Olympiahalle mitgeschnitten. Diese Aufnahmen liegen nun als DVD unter dem Titel „Forever And A Day – Live in Munich 2012“ vor.

Schon das Einlaufen zum Titelsong des damals aktuellen Studiodrehers „Sting In The Tail“ zeigt klar, dass sich hier fünf Herren auf den Brettern befinden, die weit weg vom Altenteil sind. Nun könnten die Zuschauer bei der Show auch an ein letztes Aufbäumen gedacht haben. Da sich unsere Redaktion sich in den Wochen davor zweimal von einer ähnlichen Power bei Konzerten überzeugen konnte, scheint das also der Normalfall gewesen zu sein. So kannte man die SCORPIONS, so kennt man sie auch heute noch, wenn sie nicht gerade durch Krankheiten passen müssen. Die Truppe hat im Hard Rock Maßstäbe in Sachen Stageacting eingebracht, so etwas verpflichtet auch nach so vielen Jahren.
Ist die Bühne nicht schon breit genug, so ragt noch ein riesiger Steg mitten ins Publikum. Doch den meistern die Musiker mit Bravour, Rudolf Schenker sprintet mehrmals von ganz vorne nach hinten außen auf seinen Platz, um ein paar Backingvocals zu singen. Es ist diese fast kindliche Freude, die er dabei hat und die man ihm ansieht. Egal ob Bei Gimmicks wie rauchenden oder kreisenden Gitarren, einfach keine Gedanken darum machen, ob das in dem Alter vielleicht nicht mehr passend aussieht, so lange man Spaß dabei hat und noch abgefeiert wird dazu ist alles erlaubt.

Selbst die Rampen auf den beiden Seiten der Drumkits werden mühelos erklommen, dabei leidet der musikalische Vortrag kein bisschen darunter. In der Mitte schreitet Klaus Meine die Weege etwas gemächlicher ab, während sein Tenor den Saal erbeben lässt. Doch kein Weg ist den Herren zu weit, kein Blick ins Publikum zu viel, jede kleine Aufmerksamkeit wird sofort aufgenommen. Und das Publikum ist noch eines, das diesen Namen verdient. Denn gerade bei der letzten Tour hatte man den Eindruck, dass sich die Fans längst haben verrenten lassen, während die Band immer noch unterwegs ist. Sicher gibt es viele Konzertmitschnitte der SCORPIONS, selbst diese Tour wurde in Saarbrücken schon mitgeschnitten, wenn auch nicht offiziell.

Alle haben eines gemeinsam, es zeigt die Anhänger, die sich auch als solche zeigen. Natürlich darf man bei einem Gig dieser Formation hüpfen, mitsingen, klatschen Luftgitarre spielen, was einem auch immer beliebt. Es wäre nicht schlecht, wenn sich jeder des skandalösen Publikums von Mannheim im Frühjahr hier Anschauungsunterricht nehmen würde. Immer wieder kommen Zuschauer der ersten Reihe in Aktion ins Bild, in der Totalen von der Bühne sieht man ein Händemeer und die massiven Chöre wurden perfekt eingefangen. Nicht nur typische Stichwortsingalongs, ganze Textzeilen intonierte München an dem Abend unglaublich lautstark.

Was bei der Interaktion auch auffällt, der Abschied wird mit keinem Wort erwähnt. Möglicherweise wurden diese Passagen heraus geschnitten, denn gerade die Zugaberufe fielen der Schere zum Opfer. Es wären die Momente, in denen solche Ansprachen zu erwarten wären, doch es geht direkt mit dem nächsten Song weiter. Vielleicht wollten die Fünf das Konzert damals auch wie jedes andere durchziehen, ohne dass Wehmut aufkommt. Oder sie hatten sich schon vom Rücktritt verabschiedet und die ersten neuen Pläne im Hinterkopf. Ein Statement von dem Abend in der Doku des mittlerweile verstorbenen Managers Peter F. Amend lässt den Schluss zu.

Egal ob jetzt das letzte Konzert, die Band spielt jedes, als wäre es ihr letztes, leidglich das Drumsolo von James Kottak war schon mal inspirierter. Mit ihrem an Hits reichen Repertoire können die Hannoveraner nichts falsch machen, am Ende kam sogar das zuletzt oft vermisste „No One Like You“ zum Zuge. Die neuen Titel fügten sich auf der Tournee gut ins Programm, vor allem „The Best Is Yet To Come“ eignete sich für die angesprochenen Publikumschöre. Nach einem weiteren Balladenchor von „Holiday“ explodiert die Band dann richtig mit dem Reprise des Stückes. Die Spielfreude und die Laune sind förmlich greifbar.

Dies alles wurde von vielen Kameras gut eingefangen, gerade die Mimik der Mucker, bei der man eben den Spaß erkennt. Tolle Close-Ups, komplette Verfolgung während eines Sprints über die Bühne und die vielen Gesten, nichts entgeht der Regie. Einzig mit dem Licht hat man in einigen Einstellungen ein paar Probleme. Beim Sound lässt sich ebenfalls nicht meckern, der wurde sehr druckvoll wiedergegeben, streckenweise fast schon zu perfekt. Abstriche muss man bei der Aufmachung machen, denn es gibt weder ein Booklet noch irgendwelche Bonusvideos. Bei der Vielzahl von SCORPIONS-DVDs hätte man „Live In Munich 2012“ auch zur Dokumentation dazu packen können, doch auch als Einzelrelease kann der Mitschnitt bestehen. (Pfälzer)

 

Bewertung:

Pfaelzer8,0 8 / 10


Anzahl der Songs: 21
Spielzeit: ca. 109 min
Label: Edel
Veröffentlichungstermin: 30.09.2016

 

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