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tot liveatmontreuxVom legendären Montreux Jazz Festival sind mittlerweile schon einige Konzerte als Konserve erschienen. Kein Wunder geben sich dort Künstler unterschiedlichster Richtung die Klinke in die Hand, welche dort oft besondere Konzerte spielen. Vom Flair ist das Event am Genfer See ohnehin unvergleichlich und eine echt Institution, die auch in Zukunft viel Interessantes bringen wird. Vor 25 Jahren waren TOTO dort zu Gast, wobei sie wie viele andere den Jazz nur am Rande streifen. Doch unter der Oberfläche des Radiorocks schlummerten immer wieder musikalische Leckerbissen, vorgetragen von absoluten Ausnahmemusikern. Einer davon war Drummer Jeff Porcaro, der die letzte Tour mit seiner Band absolvieren sollte, sein Bruder Mike verließ uns im letzten Jahr. Ihnen ist die nun erfolgte DVD-Veröffentlichung „Live At Monteux 1991“ gewidmet, ebenso Organisator Claude Nobs. Der unterstützte den Plan das damaligen Kurators Quincy Jones die Truppe in die Schweiz zu lotsen.

Die beiden sind es auch, die die Truppe zu Beginn anmoderieren, bevor diese mit Elan auf die Bühne kommt. Über die bunten Klamotten hülle ich jetzt mal das Mäntelchen des Schweigens und Steve Lukather hätte seine Haare einfach noch wachsen lassen sollen, dann hätte es gut ausgesehen. Doch zu der Zeit war das durchaus angesagt, ich betone ja immer, dass die Neunziger einfach nur die Achtziger in Sachen schlechtem Geschmack getoppt haben, nur will das keiner zugeben.
Aber zurück zum Elan, den die damals Vier und ihre Begleitmusiker mitbrachten, sie sprühen bei dem Konzert geradezu vor Lebens – und Spielfreude. Man kann zwar nicht unbedingt behaupten, dass die Veränderungen in ihrer Musik zu der Zeit unbedingt zum Guten waren, doch live wirkt die Hinwendung zum Soul und Blues sehr lebendig. Das war nicht zuletzt Lukathers Verdienst, der ab jener Tournee für ein paar Jahre den Leadgesang übernahm.

So ist es nicht verwunderlich, dass man in das kurze Set zwei Coverversionen einbaute, denn sie stammen von Musikern, die TOTO zu jenen Zeiten inspiriert haben. In „Red House“ darf der gute Steve seine Fähigkeiten als Bluesgitarrist ausgiebig unter Beweis stellen, was ihm gut gelingt, immerhin tendiert er auch solo gerne in die Ecke. Am Ende gibt es noch „I Want To Take You Higher“ von SLY AND THE FAMILY STONE, zu welchem sich viele Musiker des Festivals, unter ihnen der spätere Keyboarder Greg Philliganes, gesellten und die Nummer so richtig abfeierten.

Hier groovt es an allen Ecken und Enden, der jazzige Input von Stücken wie „Rosanna“ kommt deutlicher zum Vorschein. Hier brilliert David Paich mit großartigem Jazzpiano, ebenso wie im Instrumental „Jake To The Bone“. Dieses sollte erst im kommenden Jahr auf „Kingdom Of Desire“, von dem auch der Titeltrack vorab gespielt wurde, seinen Platz finden. Die beiden Lieder zeigten die Richtung auf, die in den folgenden Jahren eingeschlagen werden sollte.
Um noch mehr urwüchsigen Rhythmus im Sound zu haben, hat man mit Chris Trujillo noch einen Percussionisten mit an Bord, dazu drei Backgroundsänger. Vor allem die beiden Damen, von denen Jenny Douglas bis heute immer wieder mit TOTO tourt, geben in Sachen Stageacting Gas und dürfen auch mal den Leadstimme übernehmen. Die Harmonien von „Africa“ haben auch ein bisschen mehr Tiefe, was verdeutlicht, dass die Formation vom Mainstream weg wollte, ein Schritt der sich songwriterisch nicht auszahlte.

Hier aber funktioniert dieses perfekt abgestimmte Groovemonster wie aus einem Guss, da sitzt jeder Ton, die Parts werden sich blind zugespielt. Diese Präzision bei aller Spiellaune ist beängstigend, eine Tugend, die bis heute nicht verloren ging. Mitverantwortlich für den überragenden Bandsound waren vor allem die Porcaro-Brüder, von denen leider nur noch der mittlerweile wieder eingestiegene Steve an den Keyboards unter uns weilt. Deswegen ist diese DVD so wertvoll, denn sie zeigt die beiden zum ersten Mal für die Nachwelt eingefangen bei ihrem Spiel.
Bei aller Klasse seines von mir hochverehrten Nachfolgers Simon Phillips, was Jeff Porcaro mit einer unglaublichen Ruhe an Breaks hinaus haut ist sensationell. Eine Lässigkeit, wie sie nur Jazzer haben und dennoch die Kraft des Rock´n´Roll. Mike am Bass durfte ich ja noch live erleben, dieses Rhythmusgefühl, seine tief in die Magengrube drückende Saiten, immer mit angestrengten Gesichtsausdruck vorgetragen bildeten das perfekte Gegenstück zu seinem Bruder.

Von der Aufnahmetechnik her ist „Live At Montreux 1991“ natürlich nicht mit den Hochglanzprodukten der heutigen Zeit zu vergleichen. Hier und da wurde etwas an der Abmischung getüftelt, die ausgewogener ausfällt als bei der Studioversion des Openers „On The Run“ von „XX (1977-1997)“. Lukather jedoch achtete dabei stets darauf, dass der Livecharakter nicht verfälscht wurde.
Vom Licht her gibt es die von vielen Photographen gefürchteten Überblendungen, bei dem sich alles in einen Ton hüllt. Doch wenn die Kamera direkt einen Scheinwerfer direkt anvisiert und sich der Lichtkegel nach außen immer schemenhafter wird, kommen Erinnerungen an die Fernsehübertragungen der Achtziger hervor. Von Resteverwertung so mancher alter Mitschnitte kann hier aber keine Rede sein. Ein wichtiges Dokument einer genialen Truppe, welches nun glücklicherweise für die Nachwelt erhältlich ist. (Pfälzer)



Bewertung:

Pfaelzer8,0 8 / 10


Anzahl der Songs: 9
Spielzeit: ca. 70 min
Label: Eagle Vision/Universal
Veröffentlichungstermin: 16.09.2016

 

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