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Scorpions Forever And A DayDer großen Rückkehr nächster Akt: Nach dem starken Studiodreher "Return To Forever" und der Ankündigung von neuen Konzertdaten, folgt nun die Dokumentation "Forever And A Day". Diese wurde von der erfolgreichen Filmemacherin Katja von Garnier ("Bandits") gedreht, welche die Band auf ihrer letzten, zweieinhalb Jahre dauernden Tournee begleitet hat. Dabei förderte sie einiges aus der Geschichte der SCORPIONS und viele persönliche Einblicke zu Tage. Zuerst kommt diese in die Kinos, bevor dann höchstwahrscheinlich noch ein DVD-Release folgen wird. NECKBREAKER hatte die Möglichkeit sich den Streifen in der Kaiserslauterer UCI-Kinowelt anzuschauen. Dabei ist Rockmusik im Kino immer ein klangtechnisches und oft auch visuelles Erlebnis, gilt das auch für Dokumentarfilme?

Da es wie für solche Arbeiten üblich genügend Liveausschnitte gibt, hat man schon Möglichkeit genug, um die Vorzüge des guten Raumklangs dort zu genießen. Einige der besten Nummern werden angespielt, dabei muss es sich nicht unbedingt um die größten Hits handeln. Natürlich wäre in der Hinsicht ein reiner Konzertfilm besser geeignet, doch von Garnier gelingt es die wichtigen Momente auf der Bühne während ihrer Reise mit der Truppe festzuhalten. Hier wird der Vorteil deutlich eine klassische Filmerin an den Stoff zu lassen. In wenigen, sehr gut aufgenommenen Sequenzen kann man die Stimmung innerhalb der Band, die ganzen Emotionen während eines Konzertes sehr lebendig und authentisch einfangen.

Und Emotionen, das wird die Band nicht müde zu betonen, sind in der Musik und auf den Brettern, welche die Welt bedeuten, am wichtigsten. Ob nun das Beste erst noch kommt, weiß keiner vorherzusagen, doch der Weg der Band geht weiter und der Weg ist immer das Ziel. Sie hätten wirklich aufhören können, genau dann, wenn es am schönsten gewesen wäre. Sie hatten ihre alte Reputation wieder gefunden und wurden auf der ganzen Welt gefeiert.
Egal ob Russland, zu dem sie immer eine besondere Beziehung pflegten, Brasilien, Ungarn, Thailand oder sogar im Libanon, wo die SCORPIONS auftreten, strömen die Menschen in Tausenden herbei. Doch so einfach ist es nicht abzutreten, so ein Gig gibt einem Musiker einen ungeheuren Adrenalinschub, den man nicht mehr missen möchte, wie Matthias Jabs es auf den Punkt bringt. Man hat es bei Udo Jürgens gesehen, es wird erst zu Ende sein, wenn es wirklich zu Ende ist.
Auch wenn einige auf dem Weg verloren gingen, wie der ehemalige Manager und gute Freund Peter F. Amend, der vor einem halben Jahr verstarb und im Film noch zu sehen ist. Er stellt auch am Ende die Frage, wer denn vom Aufhören geredet hat. Andere Trennungen von Bandmitgliedern wurden nicht so thematisiert, es wird immer von der Band als Familie geredet. Und das Bewusstsein, dass sich diese auflösen wird nach dem letzten Konzert, wurde allen Beteiligten immer bewusster, je näher der Tag rückte.

Es ist großartig zu sehen, wie es der Regisseurin gelungen ist, genau diese Spannung im Laufe des Films auf die Spitze zu treiben. Wie die Zweifel am einst so unumstößlichen Entschluss immer mehr ins Wanken geraten. Am Ende fand man in der Einladung zu "MTV Unplugged" genau jenen Rettungsanker, der den SCORPIONS ohne Glaubwürdigkeitsverlust das Tor öffnete, welches sie selbst geschlossen hatten. So wird selbstverständlich auch der gesundheitliche Aspekt nicht außer Acht gelassen, gerade Klaus Meine hatte da öfter zu kämpfen. Es spricht aber für die Band, wie sie in den Situationen, wie bei den Aufnahmen zu "Blackout" oder dem ausverkauften Konzert im Pariser Palais d´Omnisport hinter ihrem Sänger gestanden hat.

Dieser zeigt sich dafür zutiefst dankbar und in dieser Dokumentation kommt diese öfter zum Ausdruck. Die beiden Führungsfiguren Meine sowie Gitarrist und Gründer Rudolf Schenker wissen, dass sie Glück hatten und es ihre Fans sind, denen sie alles zu verdanken haben. Dankbarkeit kommt von Meine vor allem seiner Frau Gabi zu, die bei seiner ganze Karriere immer hinter ihm stand und sich oft zurück nehmen musste. Diese lang anhaltende Ehe ist in dem Business eine absolute Ausnahme, auf die beide zurecht stolz sind.
So steht am Anfang die große Ungewissheit als die Jungs aus Hannover hinaus in die Welt, diese mit ihrem Rock´n´Roll erobern wollen. Nenne man es Traum oder Vision, was der ältere der beiden Schenker-Brüder hatte, er hat sich nie davon abbringen lassen, er hat jedes Ziel in die Tat umgesetzt, selbst wenn es noch so abwegig war. Wie die Person tickt zeigt eine Sequenz aus früheren Tagen, als er unbedingt im vier Grad kalten Baikalsee baden will und ihn niemand stoppen kann.

Scorpions Premiere Band

Niemand stoppen konnte auch den Erfolgszug der Formation, der hier immer wieder in Rückblicken beleuchtet wird. Katja von Garnier pendelt dabei geschickt zwischen Vergangenheit und Gegenwart und lockert so die straffe Geschichtsstunde auf. Immer wieder werden Dinge, die angeschoben wurden, in der heutigen Zeit reflektiert. So plaudern die Herren auch munter aus dem Nähkästchen, über die schwere Frühphase, über den Stolz der ersten eigenen Platte, über dem Umweg über England, Japan und die USA zum Erfolg, über das legendäre US-Festival ´83 oder den endgültigen Durchbruch mit "Love At First Sting".
Da darf natürlich auch nicht das Moscow Love&Peace-Festival fehlen und die Stimmung, welche Klaus Meine zu "Wind Of Change" inspirierte. Auch wenn sie heute dafür belächelt werden, politisch konnten sie durchaus ein paar Geister wecken, immerhin wurden sie von Michail Gorbatschow in den Kreml eingeladen. Auch der anschließende Absturz wird zum Thema, als sich die SCORPIONS in den Neunzigern etwas verloren. Hier benennen die Musiker die Arbeit mit den Berliner Philharmonikern als den Wendepunkt, der sie sich mit ihrer erfolgreichen Geschichte auseinandersetzen ließ.

Zu den vielen Gesprächen, die teils sehr intime Einblicke in die Seelenwelt der Musiker geben gesellen sich immer wieder alte Archivvideos, die das Rock´n´Roll-Feeling vermitteln, das die Band stets in sich trug. Da kommen so manche derbe Scherze zum Vorschein oder auch völlig abgedrehte Aktionen. Ein paar Kampfjets mal eben so den Bandnamen in den Himmel schreiben lassen, würde heute vermutlich die Grünen auf den Plan rufen. Doch die Achtziger standen den Siebzigern in kaum etwas nach und so manches Bühneoutfit ist aus heutiger Sicht echt sehenswert.
In vielen Liveauschnitten aus dem Archiv wird auch ihr Erfolgsgeheimnis deutlich, nämlich immer alles zu geben, auf der Bühne immer ein Feuerwerk abzubrennen. Sie waren immer die hungrigen und ehrlichen Rock´n´Roll-Arbeiter, welche in Sachen Stageacting neue Maßstäbe setzten. Doch bei den geerdeten Deutschen kam das nicht so aufgesetzt rüber, eine Ehrlichkeit, welche andere Mucker wie Paul Stanley, Danko Jones oder die Jungs von JOURNEY bewundern. Neben denen kommen auch die Produzenten Dieter Dierks und Michael Nord Hansen zu Wort.

Und so ehrlich wie diese Formation ist auch "Forever And A Day". Man bekommt einen Einblick ins das Innenleben von Deutschlands größter Band. Hier wird nichts beschönigt, deswegen nimmt man ihnen das auch ab, sogar den Wandel bei den Rücktrittsgedanken. In einem kurzen Interviewausschnitt bringt es Klaus Meine auf den Punkt, dass die SCORPIONS in Deutschland nie wirklich geliebt wurden. Bei dieser Kinovorführung waren auch nur ein paar Dutzend Fans anwesend, was aber auch an der nachmittäglichen Uhrzeit lag.
Dabei gelang hier ein großartiges Portrait von Menschen, die ihren Traum leben und daran festhalten bis zum Ende. Ein Film, der die Emotionen einer Band zeigt, die trotz aller Widrigkeiten, auch intern, immer zusammen hielt. Wer die SCORPIONS nie so beachtet hat, sollte sich den Film ansehen, all ihre Fans ebenso, er zeigt wie groß sie wirklich sind. Am Ende hat man das Gefühl, es wurde sich um eine Truppe handeln, die größer als LED ZEPPELIN ist, die SCORPIONS in so ein Licht zu rücken ist mehr als verdient. Diese Herren wissen, was sie daran haben, hierzulande wissen es viele nicht, diese Dokumentation kann helfen, dies zu begreifen. (Pfälzer)

Scorpions Forever And A Day Band

(Quelle Fotos: MCS-Berlin, UCI-Kinowelt)

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