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yes songsfromtsongasDie Proglegende schickte mich in diesem Jahr durch Himmel und Hölle, obwohl ihr Album ja „Heaven & Earth" hieß. Dies war auch der Stein des Anstoßes, denn so uninspiriert und halbgar agierten YES bislang noch nie. Ihr Konzert in Luxemburg hingegen war fast nicht von dieser Welt und rang selbst alten Klassikern noch neue Facetten ab. Nun kommt mein dritter Kontakt mit der Formation in diesem Jahr in Form von ebenfalls älterem Material. „Songs From Tsongas-The 35th Anniversary Concert" wurde 2004 auf der letzten großen Tour mit Rick Wakeman, der seinerzeit erst zurückgekehrt war, aufgezeichnet. Für mich eine interessante Sache, konnte ich doch beim ArrowRock-Festival im niederländischen Lichtenvoorde einem Gig dieser Tournee beiwohnen. Wo ordnet sich diese DVD qualitativ ein?

Aufgenommen wurde ein Konzert in den USA, wo YES immer noch eine ganz große Nummer sind. Dementsprechend war auch die Tsongas Arena in Lowell, Massachusetts sehr gut gefüllt, wobei es sich um eine für amerikanische Verhältnisse mittelgroße Halle handelt. Für diese Tour entwickelte Coverdesigner Roger Dean extra ein komplettes Bühnenbild mit riesigen Bäumen an den Seiten und einem vogelähnlichen Gebilde, welches von oben über den Musikern hing. Dieses war mit Seilen zu bewegen, so dass die Position und die Flügelstellung je nach Lichtstimmung bewegt werden konnten.

Beim Konzert selbst braucht die Band ein wenig, um warm zu werden, bei den ersten Songs wirkt speziell die Stimme von Jon Anderson nicht voll auf der Höhe. Das ändert sich zum Glück recht schnell, so dass er den gewohnt starken Frontmann geben konnte. Mit seinen späthippesken, fast predigthaften Ansagen und seinen großen und gleichsam bedächtigen Gesten scheint er immer ein wenig aus der Zeit gefallen. Doch das ist genau das, was seine Anhänger an ihm so schätzen, auch die Art wie er vollends in seiner Musik aufgeht. Während sich Jon Davison heute nur auf den Gesang konzentriert, unterstützt er auch bei dem Mitschnitt seine Mitstreiter wahlweise an einem kleinen Drumkit oder dem Keyboard.

Wie angesprochen werden die ansonsten von Wakeman bedient, der allerdings nur eine Keyboardburg auffährt, da allerdings auch alles an Instrumentarium stehen hat, was man sich vorstellen kann. Die ganz große Materialschlacht wie in den Siebzigern, als er von seinem Roadie einen Plan brauchte, lieferte er seinerzeit schon nicht mehr. Sein Spiel ist auch hier gut eingefangen und lebt mehr wie der Rest von einigen sehr aufschlussreichen Close-Ups.
Bassist Chris Squire ist beim Posen auf einem Bein standfester als auf der letzten Tournee. Dazu liefert er neben seinem charakteristischen Spiel auch viele Harmoniegesänge, eine der Spezialitäten von YES. Dahinter sorgt Alan White für das ansprechende Rhythmusfundament. Ganz den Virtuosen gibt Steve Howe, egal ob er die Steelgitarre, die elektrische, halbakustische oder komplett akustische Klampfe bedient. Auf dieser spielt er auch seinen Solospot „Second Initial", den er zum Abschluss des akustischen Sets darbietet.

Damit überrascht die Formation ihre Anhänger in der Mitte des Gigs, in der Form hätte man einige Lieder nicht erwartet. Die Band versammelt sich in der Mitte der Bühne, White bekommt ein kleines Kit vor seinen Riser gestellt, Wakeman sitzt am Flügel. Der Referenznummer „Roundabout" tun die entschlackten Arrangements erstaunlich gut. Die deutlich relaxtere Fassung hat wie Anderson schon vorab ankündigt einen Hauch Chicago Blues, was schon ungewöhnlich klingt. Auch dem im Original sehr von Studiotechnik geprägten Superhit „Owner Of A Loneley Heart" gewinnt die Band so neue Seiten ab. Natürlich funktionieren die ruhigen, ätherischen Stücke wie „Wonderous Stories" hier am besten.

Von der Songauswahl ist „Songs From Tsongas" recht gut über die komplette Diskografie durchmischt, wobei nur das Fehlen von „Relayer"-Material auffällt. Mit je drei Songs sind „Fragile", „The Yes Album" und „Going For The One" am stärksten vertreten, von „Close To The Edge gibt es lediglich „And You And I". Auf Material vom unterbewerteten Drama darf man mit Anderson nicht hoffen, dafür gibt es mit „Rhythm Of Love" einen zweiten Song aus der von Howe verpönten Achtzigerphase. Ebenso überraschend sind Songs der beiden ersten Schieben, während vom Spätwerk fast nur die „Keys To Ascension"-Studiotracks berücksichtigt werden.

Soundtechnisch ist das Konzert gut eingefangen, wenn auch der Klang ein wenig mehr Volumen vertragen könnte. Vor allem die Zuschauer werden gut in Szene gesetzt, die machen sich dann lautstark bemerkbar, wenn sich die Band in langen, konzertanten Instrumentalabfahrten in einen Rausch spielt. Sonst bleiben die Leute eher diszipliniert auf ihren Stühlen sitzen, selbst wenn Jon Anderson durch die Reihen läuft, stehen sie nur auf, verbleiben jedoch auf ihren Plätzen.
Nicht so toll auf Konserve wurde allerdings das Bild gebannt, welches nicht unbedingt das Schärfste ist. Das bekommt die Lightshow zu spüren, die zu viel überblendet, das Bild hat meist einen starken Farbstich. Als Bonus gibt es noch „Ritual", das ursprünglich die erste Zugabe darstellte. Warum es hier als Extra vorhanden ist, kann ich nicht ganz nachvollziehen. Weiterhin findet man noch ein Interview mit Roger Dean, bei dem aber nur kurze Aussagen mit Probemitschnitten kombiniert wurden.

Eine viel bessere Zugabe findet der Zuschauer auf der zweiten DVD, die einen nicht kompletten Mitschnitt vom „Estival" im schweizerischen Lugano beinhaltet. Dieser Gig fand ein paar Tage vor dem Auftritt in den Niederlanden statt und hat eine identische Setlist. Hier präsentieren sie die Songs, die auf dem Hauptkonzert akustisch gebracht wurden, in voller Pracht. Dafür haben sie die große Produktion nicht dabei, die Bühne ist recht nüchtern gehalten, dafür wurde hier das Licht deutlich besser eingefangen.
Mit der Abrundung schnüren YES ein gutes Paket, das sie auf der letzten großen Rundreise in der klassischen Besetzung zeigt. Mit zwei verschiedenen Konzertansätzen zeigen sie hier ihre komplette Bandbreite. Insofern stellt „Live From Tsongas" eine interessante Momentaufnahme dar. Aufgrund einiger nicht ganz ausgereifter technischer Details ist da allerdings noch etwas Luft nach oben. Damit ordnet sich diese DVD wieder frei nach dem aktuellen Longplayer auf der irdischen Seite ein. (Pfälzer)

Bewertung: 7,5 / 10

Anzahl der Songs: 22 (DVD 1) / 10 (DVD2)
Spielzeit: ca. 182 min (DVD 1) / ca. 70 min (DVD 2)
Label: Eagle Vision
Veröffentlichungstermin: 19.09.2014

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