Drucken

deeppurple perfectstrangersliveEs war die bis dato größte Reunion der Rockwelt und sollte bis heute auch das größte Medienecho nach sich ziehen. Die Giganten der Siebziger fielen 1976 nach vielen internen Querelen auseinander, mit ihnen endete eine Ära. Über Umwege in anderen Bands fanden die Mitglieder von DEEP PURPLE wieder zusammen und traten Ende 1983 wieder im erfolgreichsten Mark II-Line-Up auf. Es war keine dieser halbgaren Wiedervereinigungen, die es alljährlich exklusiv auf Wacken gibt, die Herren wollten es noch einmal wissen. Seitdem sind sie, wenn auch mit wechselnden Besetzungen in der absoluten Oberliga des Rock unterwegs, auch wenn sie den ganz großen mythischen Legendestatus durch die viele Präsenz eingebüßt haben. Doch damals kamen sie mit einem Donnerschlag zurück, "Perfect Strangers" markierte nach "In Rock", "Machine Head" und "Burn" das vierte großartige Referenzwerk der Truppe. Nun erscheint eine DVD, welche auf der anschließenden Welttournee mitgeschnitten wurde und passender weise "Perfect Strangers Live" betitelt ist.

Aufgenommen wurde dieses Dokument Dokument in Melbourne in Australien, wo diese Tour auch startete. Es zeigt eine Band, die nicht nur im Studio in der Lage war, das alte Feuer noch einmal zu entfachen. Die Qualität und die Spielfreude des genialen Comebackwerkes wurden auf die Bühne übertragen. Das lag auch daran, dass man alte Animositäten zwischen den Beteiligten vorüber gehend im Griff halten konnte. Denn DEEP PURPLE scheiterten in den Siebzigern nicht zuletzt an Ego-Problemen und persönlichen Grabenkämpfen.
So sieht man Ritchie Blackmore und Ian Gillan in trauter Eintracht beim Improvisationsteil von „Strange Kind Of Woman", etwas das man nicht mehr für möglich hielt. Der Gitarrist selbst post mit Bassist Roger Glover um die Wette, wobei beide jeweils das Griffbrett des anderen bedienen, solche Späße war man von den Herren gar nicht gewohnt. Beim Soloduell sprintet er hinüber zu seinem Keyboarder, wo sich die Zwei ihre Parts gegenseitig zuspielen.
Leider wie wir heute wissen hielt dieser Burgfrieden nicht lange, schon bei der Produktion zum nächsten Album, dem überproduzierten „The House Of Blue Light", traten die alten Spannungen wieder hervor. Zudem wirkten eben viele Dinge, die sich auf „Perfect Strangers Live" als frisch erwiesen mit der Zeit etwas abgenutzt. Motive aus „Jesus Christ Superstar" beim angesprochenen Single-Hit der „Fireball"-Phase einzuflechten und darüber zu improvisieren ist sicherlich eine gute Idee. Doch bei der zweiten weltweiten Konzertrundreise hintereinander verlor sich der Zauber, FOREIGNER können heuer ein ähnliches Lied singen.

Doch auf dieser DVD sieht man noch keine Spuren von allzu einstudierten Showelementen. Blackmore bangt sich bei „Under The Gun" den Nacken wund und malträtiert seine Strat wie ein Berserker. Er traktiert die Saiten in einer irren geschwindigkeit, benutzt zudem alle Knöpfe und Effekte, die ihm zur Verfügung stehen. Einmal reist der Mann sein Instrument hoch, spielt über dem Kopf und schiebt anschließend den Hals über seine Monitore, was völlig schräge Töne erzeugt.
Sein solistischer Konterpart, der im letzten Jahr viel zu früh verstorbene Jon Lord steht will da in nichts nachstehen und liefert bei seinem Solo auch einige Kabinettstückchen. Er wirft seine schwere Hammond nach vorne, nach hinten, als ob er mit ihr tanzen wolle. Dabei bedient er oft noch die Synthesizer hinter ihm mit einer Hand und entlockt ihnen abgefahrene Töne. Die sind, auch für damalige Verhältnisse vielleicht nicht mehr so innovativ, doch darf man nicht vergessen, dass der Mann neben Keith Emerson oder Rick Wakeman in den Siebzigern einer der Pioniere der Keyboardtechnologie war.

Doch bei all den Ausflügen präsentieren sich DEE PURPLE hier als Einheit, diesehr kompakt und tight spielt. Der Spaß dabei ist ihnen stets anzusehen, vor allem beim neuen Material, auf das sie damals zu recht stolz waren. Von „Perfect Strangers" kommen dann auch fünf Songs zu Zuge, heute bringt man da nur noch den Titelsong, der mittlerweile zum absoluten Klassiker avanciert ist. Vor allem das schnelle „Gypsys Kiss" würde ich zu gerne einmal bei einem Konzert hören, hier hat es eine unglaubliche Power, auch im klassisch inspirierten Mittelteil. Leider war später nur noch „Knocking At Your Backdoor" im Programm, bis zum Ausstieg von Blackmore 1994 gehörte es zum Standard Der Rest besteht aus den alten Superhits von „In Rock" und „Machine Head".

Vom technischen Standpunkt her kann diese Aufzeichnung nicht mit der Qualität des Gigs mithalten. So wie sich die Aufnahmetechnik immer weiter entwickelte, so wirkt die Band heute in die Jahre gekommen, hier ist eher das Bild alt. Vor allem bei den schnellen Schwenks ziehen die Scheinwerfer Streifen hinter sich her und die Bilder sind von farbigen Scheinwerfern oft überblendet, wie man es heute bei kleinen Digicams hat. Wäre dieses Konzert seinerzeit als VHS veröffentlicht worden, könnte man das als authentisch bezeichnen, heute wirkt es etwas unzureichend. Auch die Kameraführung lässt einige Wünsche offen, warum Ian Gillan, der gut bei Stimme ist ständig während der Soli an den Congas zeigt, anstatt sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, erschließt sich mir nicht ganz.
Am Sound hingegen gibt es nichts zu meckern, auch wenn er etwas mehr Druck vertragen könnte. Dafür ist er sehr ursprünglich, differenziert und dynamisch. Zumindest akustisch wurde die tolle Stimmung in der Halle auch gut eingefangen, nur die Kamera hätte diese ein wenig öfter in Szene setzen können, wie nur ganz kurz zu Beginn. Somit wurde ein historischer Moment trotz kleiner Unzulänglichkeiten sehr gut und ehrlich festgehalten, wodurch sich die Frage stellt, warum das Material nicht schon längst auf den Markt gebracht wurde. Eine Tourdokumentation mit vielen Interviewpassagen rundet das Paket fein ab (Pfälzer)

Bewertung: 8 / 10

Anzahl der Songs: 15
Spielzeit: ca. 141 min
Label: Eagle Vision
Veröffentlichungstermin: 11.10.2013

Submit to FacebookSubmit to Twitter
hardrock hardrock  
Anmelden