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santanamclaughlin montreux2011Eines der renommiertesten Musikevents des Erdballs ist unbestritten das "Montreux Jazz Festival". Alljährlich trifft sich am Ufer des Genfer Sees eine nb-nackenschonerRiege der Top-Musiker, die stilistisch weit über das enge Korsett des Jazz hinaus gehen. Der jüngst verstorbene Impressario Claude Nobs öffnete sich schon zu Beginn der Siebziger in die Rockrichtung, so waren Legenden wie QUEEN, DEEP PURPLE und GARY MOORE Stammgäste in dem mondänen Kurort. Jon McLaughlin von MAHAVISHNU ORCHESTRA und Carlos Santana, der mit seiner eigenen Band weltberühmt wurde gehören ebenso zu beliebten Gästen des Festivals. Mit "Love Devotion Surrender" nahmen sie 1973 ein gemeinsames Album auf, dem eine Tour folgte. Nun standen sie zum ersten Mal seit damals wieder für ein komplettes Konzert auf der Bühne, eine dieser besonderen Momente, für welche die Veranstaltung bekannt ist. Dieser wurde für die Nachwelt festgehalten und nun auf DVD und Blu-Ray veröffentlicht.

Jener Claude Nobs, Mitbegründer, langjähriger Leiter und Seele des Festivals war laut Carlos Santana besessen von Musik, die sein Leben darstellte. So ließ er es sich nicht nehmen an jenem Abend des 1. Juli 2011 das Konzert anzusagen und die Musiker bei der letzten Zugabe, der JOHN LEE HOOKER-Komposition "Shake It Up And Go" auf der Mundharmonika zu begleiten. Bekannt wurde er vor allem durch „Smoke On The Water" von DEEP PURPLE, wo er als „Funky Claude" besungen wurde. Seine Umtriebigkeit wurde ihm letztens Endes zum Verhängnis, als er zu Beginn des Jahres im hohen Alter von 82 Jahren an den Folgen eines Skiunfalls verstarb. Diese DVD mit dem Untertitel "Invitation To Illumination" ist ihm gewidmet.

Zu den beiden Großmeistern an der Gitarre gesellte sich an jenem Abend eine nicht minder illustre Schar an Mitmusikern. Beide hatten quasi ihre Backingband aufgeboten, so dass viele Positionen doppelt besetzt waren. McLaughlin hatte Bassist Etienne M´Bappé und vor allem den brillanten Jazzdrummer Dennis Chambers, mit dem ihn seit Jahren eine enge Freundschaft verbindet im Gepäck.
Sein Kollege bot noch ein paar Musiker mehr auf, seine Rhythmusabteilung bestand aus Viersaiter Benny Rietveld und seiner Ehefrau Cindy Blackman. Diese ist zwar auch eher im Jazz beheimatet, dürfte aber Rockfans von ihrer Arbeit mit Lenny Kravitz bekannt sein. Weiterhin befanden sich noch Rhythmusgitarrist Tommy Anthony, die beiden Sänger Andy Vargas und Tony Lindsay, Keyboarder/Organist David K. Mathews und Percussionist Paul Rekow auf der Bühne.

Die beiden Hauptprotagonisten betraten als letzte die Bühne, ganz in weiß gekleidet, sowie auf dem Cover ihrer gemeinsamen Scheibe. „Love Devotion Surrender" sollte bis auf das kurze „Meditations" komplett gespielt werden. Damals wurde sie ja als Hommage an den Jazz-Musiker John Coltrane aufgenommen, aus dessen Feder A Love Supreme" und „Naima" stammen. An dem Abend stand auch die spirituelle Seite im Vordergrund, beide waren ja Anhänger des Guru Sri Chinmoy und predigten immer wieder seine Botschaften.
Gegen Liebe und Frieden ist nichts einzuwenden, doch das Hauptaugenmerk lag natürlich auf der Musik, und die war vom allerfeinsten. Gerade Musikhörer, die mit SANTANA immer nur Hitsingles und Karibik-Feeling verbinden sollten sehr überrascht sein, was für ein Feuerwerk der Herr auf der DVD abbrennt. Von seinem Partner ist man ja die Jazz/Fusion-Schiene gewohnt, vom Mann mit den lateinamerikanischen Wurzeln eher weniger. Noch überraschender ist das blinde Verständnis der beiden untereinander.

Ohne vorher groß geprobt zu haben spielen die Zwei sich ihre Parts perfekt zu, selbst in den schwierigsten Passagen sitzen die Harmonien. Die Soli teilen sie sich, wobei Mc Laughlin der bessere Techniker ist, Santana den schöneren Ton hat. Die Virtuosen können einfach alles, egal in welchem Tempo, sie finden instinktiv den richtigen Anschlag. Bei „Lotus Land" und „Naima" zeigen sie auch, was auf einer Akustikgitarre alles möglich ist, hier wo man sich nicht hinter technischen Spielzeugen verstecken kann.
Ebenso munter reihen sich die Mitmusiker ein, Rietveld und M´Bappé geben den ruhigen PHARAOH SANDERS-Nummern wie „The Creator Has A Masterplan" die nötige Tiefe und Wärme. Mathews weiß ebenfalls als Solist zu überzeugen oder liefert schöne Untermalungen auf der Orgel. Dahinter sorgen die drei Trommler für den nötigen Rhythmus, der immer unfassbar präzise und groovig kommt.
Vor allem Cindy Blackman tut sich mit ihrer für einen Jazzer sehr fordernden Spielweise hervor. Flink, fast gazellenartig fliegt die großgewachsene Künstlerin über ihr Kit, der wilde Afro wippt im Takt der Sticks mit. Obendrein sieht die Dame für ihre fünfzig Jahre noch unverschämt gut aus. Lediglich Vargas und Lindsay können sich nicht groß in Szene setzen, da der Großteil des Abends intrumental gehalten ist.

Doch man sieht kein konzentriertes Anstarren der Instrumente, um ja keinen Fehler zu machen, sondern die pure Spielfreude. Allesamt Meister ihres Fachs, bei denen so etwas völlig locker daher kommt, die all ihre Erfahrung nutzen können. Dabei wirkt das alles frisch und spontan, nichts erstarrt in Routine. So scherzt man auf der Bühne miteinander, wendet sich dem Publikum zu oder bewundert das Spiel des Mitmusikers. Da wird eben mal lässig gejammt, alles rein aus dem Feeling heraus. Da gibt es auch keine Ego-Trips, dem selbst formulierten Anspruch den Zuschauer im Herzen berühren zu wollen, würde das auch nicht gerecht werden.

In Sachen weiterer Songauswahl stellt man auch nicht das eigene Schaffen in den Vordergrund, sondern wählte vor allem Stücke aus dem Umfeld von Coltrane. So befinden sich zwei Titel von Montreux-Veteran MILES DAVIS, der einst mit Jon McLaughlin den Klassiker „Bitches Brew" aufnahm in der Setlist. Aber auch Lieder des Schlagzeugers Tony Williams kommen zum Zug. Neben dem bereits erwähnten Schlussakkord zeigt man bei dem LIGHTNING HOPKINS-Stück „Downstairs", dass man auch den Blues beherrscht. Garniert wird das Ganze mit einem Medley bekannter Songs wie „Stairway To Heaven" oder Bob Dylan´s „A Hard Rain´s A-Gonna Fall".

Auch technisch wird der Standard von „Live At Montreux 2011: Invitation To Illumination" hoch gehalten, die Aufzeichnung weist keine Schwächen auf. Von der Klangqualität her schafft man es einen unglaublich transparenten Sound auf Konserve zu bannen, der jedes einzelne Detail erkennen lässt. Dem stehen die Bilder in nichts nach, die sehr scharf eingefangen wurden und die grandiose Lightshow gut zur Geltung bringen. Für Genießer ist auch die Kameraführung wie geschaffen, viele Close-Ups lassen den Meistern ganz genau auf die Finger schauen, was vor allem bei Musikern für viel offene Münder sorgen dürfte. Man muss sich natürlich auf das nicht immer einfache Material einlassen, dann offenbart sich Musikliebhabern und aufgeschlossenen Rockfans ein magischer Abend, der glücklicherweise festgehalten wurde. (Pfälzer)

Bewertung: 9 / 10

Anzahl der Songs: 16
Spielzeit: ca. 136 min
Label: Eagle Vision
Veröffentlichungstermin: 16.08.2013

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