Porcupine Tree - Anesthetize

porcupinetree_anesthetize_dvd.jpgDass PORCUPINE TREE zu den wichtigsten Rockbands unserer Tage zählen muss hier glaube ich nicht mehr gesondert erwähnt werden. Wenn man sich viele der Combos, die heute frisch den Markt erobern wollen anschaut erkennt man erst den Einfluss, den der britische Vierer hat. Doch bei aller kompositorischen Klasse, bei der ganzen Innovation welche sie in die Szene brachten liegen die wahren Stärken der Formation auf der Bühne. Was insofern verwunderlich ist, weil man ja als reines Studioprojekt begonnen hat, aber sich eben erst als Band, die live spielt auf Erfolgskurs brachte. Nun steht die zweite DVD mit dem Titel "Anesthetize" in den Regalen, um die Konzertatmosphäre und die ungeheure Magie auch ins Wohnzimmer zu transportieren. Hier können Steven Wilson und seine Mitstreiter ihr ganzes Können demonstrieren.

Aufgenommen wurde diese Live-Dokumentation bereits 2008 zum Abschluss der „Fear Of A Blank Planet“-Tour, was ein wenig verwunderlich ist. Mittlerweile ist ja mit „The Incident“ schon ein neues Album erschienen und eine Tour dazu geht mit den kommenden Festivalauftritten zu Ende. Erklärbar ist das vielleicht mit der Tatsache, dass „Anesthetize“ nicht bei ihrem Stammlabel Roadrunner erscheint. Als Location wählte man mit dem 013 im niederländischen Tilburg einen der renommiertesten Konzerttempel dessen Arenenbauweise mit dem Balkon eine gute Stimmung garantiert.

Gemäß dem die Tour begleitenden Longplayer liegt der Fokus bei der Setlist auch eindeutig bei den Songs daraus. Mehr noch, zum Auftakt des Gigs wird die ganze Scheibe komplett durchgezockt und von den vier Liedern der dazugehörigen „Nil Recurring“-EP findet nur das titelgebende Instrumental nicht den Weg ins Set.
Ähnlich wie QUEENSRYCHE neigen auch PORCUPINE TREE dazu das Augenmerk nur auf ein paar Alben zu richten, hier kamen wieder viele Songs vom 96er „Signify“ zum Zuge. Zwischen diese wurden mit „Half-Light“ und „Drown With Me“ noch ein paar weniger bekannte B-Seiten sowie ein „In Absentia“-Block, allerdings ohne die Hits eingefügt. Als Zugabe gibt es dann mit dem verstörenden „Halo“ einen Song von „Deadwing“.

Bei „Anesthetize“ handelt es sich meiner Ansicht nach nicht um eine dieser einfachen Live-Best Ofs, wie man sie von vielen Künstlern her kennt, sondern um ein klassisches Live-Album im Stile der Siebziger. Hier steht nicht so sehr der Song im Vordergrund, sondern die Performance, die gewohnt hingebungsvoll ausfällt. Unbestrittener Mittelpunkt natürlich Steven Wilson, der in seiner typischen Art entweder seinen Kopf oder seine Gitarre unablässig von rechts nach links schwenkt und in seinen Kompositionen aufgeht.
Im Vergleich zu früher ist er aber viel offener geworden und überlässt der Live-Verstärkung John Wesley öfter die Vocals. Dabei bietet seine hohe und dennoch leicht angeraute Stimme einen interessanten Kontrapunkt zu Wilson und auch ein paar Soli darf er beisteuern. Dieser nutzt auch mal die Größe der Bühnen auf denen man heute spielen darf und flirtet direkt mit seinen Mitmusikern, was beim introvertierteren Wilson von vor zehn Jahren weniger denkbar war.

Das große Plus dieser DVD ist vor allem die Kameraführung und der Schnitt, der zwar zeitgemäß hektisch ist, aber auch mal verweilt wenn es die Situation verlangt. Stark gefilmt sind vor allem die Schwenks am Bühnenrand entlang und auch mit tollen ungewöhnlichen Einstellungen wird nicht gegeizt. So hält die Kamera von der Seite die Köpfe der stehenden Musikern schön in einer Reihe fest, was vor allem bei den Duetten von Wilson und Wesley schön aussieht.
Hier hat man sich mit dem dänischen Videokünstler Lasse Hoile (DREAM THEATER, OPETH) einen Könner des Fachs ins Boot geholt, der alles sehr fein arrangiert hat. Auch die Zuschauer wurden nicht einfach in der Masse gefilmt, sondern immer wieder einzelne mit verträumten Blicken rangezoomt. Interessant sind auch die Einstellungen an den Drums wo beim Titelsong teilweise die Toms von unten gefilmt wurden.
Und das Spiel von Richard Barbieri wurde genial eingefangen, hier sieht man die vielen Möglichkeiten die er aus seinen Synthesizern heraus holt. Gerade der Keyboarder will das Material nach eigenen Angaben möglichst originalgetreu wiedergeben, wobei die nötige Konzentration fast greifbar ist.

Technisch gibt es auch sonst nicht viel zu bemängeln, ein paar Mal ist das Bild von den Scheinwerfern in einer Farbe überblendet, meist ist auch die Lightshow gut fest gehalten worden. Als Schönheitsfehler kann man auch das nicht immer scharfe Bild werten, aber irgendwie passt das sogar zu der flirrenden Atmosphäre. Überhaupt wurde bei dem Regisseur viel mit cineastischen Mitteln gearbeitet, auf grafische Verfremdungen wie bei der ersten DVD „Arriving Somewhere But Not Here“ wurde zum Glück verzichtet. Wie auch auf diverse Boni, hier gibt es PORCUPINE TREE pur ein komplettes Konzert lang.
Der druckvolle, transparente und nicht zu voluminöse Sound kann sich ebenfalls sehen lassen. In den härteren Passagen dominiert zwar die wuchtige Rhythmusfraktion, doch das ist Livesound der mit einer gewissen Rohheit sehr direkt rüber kommt. Dadurch lebt auch die Musik, die hier zelebriert wird, großes Kino und da würde ich mir „Anesthetize“ gerne mal anschauen. (Pfälzer)

Bewertung: 9 / 10

Anzahl der Songs: 18
Spielzeit: 129:51 min
Label: K-Scope
Veröffentlichungstermin: 21.05.2010

 

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