Broilers - (sic!)

broilers sicAls Punk-/Skinhead-Band haben die BROILERS 1992 angefangen. Da war ich 10, und die Bandmitglieder um den charismatischen Sänger Sammy Amara gerade mal 3 Jahre älter. Erstmalig kreuzten sich unsere Wege jedoch trotz meinen stark Punk-geprägten Teenager-Jahren erst 12 Jahre später. Ich arbeitete damals neben meinem Studium im „Punk-Shop“ in Mainz und hörte bereits mehr Rock als Punk. Die BROILERS brachten in diesen Tagen, 2004, ihr Album „LoFi“ raus und mein Kollege M., 17 Jahre, so viel Punk wie ich es in seinem Alter selbst noch war, hörte diese CD rauf und runter. Ich fand sie durchaus interessant, aber der Funke sprang noch nicht über. 2007 dann mit „Vanitas“ kamen wir uns ein wenig näher, aber die große Liebe war es noch nicht. Bei „Santa Muerte“ im Jahr 2011 hatte ich erste Schmetterlinge im Bauch und spätestens 2014 mit „Noir“ war es dann spätestens um mich geschehen. Heute 2017 mit (sic!) ist da ist ein „glühendes Herz“ und ein verliebtes Funkeln in meinen Augen (kein Witz).

Gute deutsche Lyrics schreiben ist eine besondere Kunst. Während es ja Leute gibt, denen die Texte völlig egal sind solange nur der Beat stimmt, pflege ich einen ausgeprägten Textfetischismus. Und den insbesondere als deutschsprachige Band zufriedenzustellen ist, sagen wir mal, "nicht einfach". Das Amara das kann hat er bereits spätestens mit „Noir“ bewiesen, mit „(sic!)“ hat er noch krass eins draufgesetzt.

(sic!) - Lateinisch: so (und nicht anders) - Das Vorausgegangene ist exakt so gemeint, wie es gesagt/geschrieben wurde.

Während andere Bands mit ähnlichem musikalischem Musikstil Mitte der 2000er Jahre im Morast der Grauzone stecken blieben, setzten die BROILERS bereits damals bewusst auf klare Worte. In Zeiten wie diesen, die geprägt sind durch erstarkenden Rechtspopulismus, Aluhüte und Chemtrail-Verschwörungstheorien, setzt die Band auf noch klarere Widerworte, und das geht direkt los mit dem ersten Lied „Nur ein Land“ („Was willst du mir erzählen? Was soll ich denn spüren? ... Du bist nur ein Land – du regierst mich nicht!) – Und zack, direkt mal eben ne Hammer Hymne rausgehauen. Die Anarcho-Braut ist hellauf begeistert.

Sammy Amara kommentierte die Vorab-Veröffentlichung des Videos zu „Keine Hymnen heute“ (“weißes Rauschen, brauner Ton, aber was ist wenn ich nicht mehr will...“) mit „Man könnte meinen, Höcke wäre ein Promo-Gag zur neuen Single. Fast lustig, wenn es nicht so traurig wäre...“. Das Video ist übrigens wieder einmal ziemlich fett geworden, der Stakkato-Beat geht unter die Haut – musikalisch und in seiner eindringlichen politischen Botschaft, die an das schwärzeste Kapitel der deutschen Geschichte erinnert, mehr als überzeugend. Apropos unter die Haut: Wer bei „Ihr da oben“, einem Andenken an vermisste, weil viel zu früh verstorbene Menschen, keine Gänsehaut bekommt, muss ein schlechter Mensch sein.

Die BROILERS verbinden ihren „Punkrock im Herzen“ (Ines Maybaum), mit authentischem Rock-Beat, hier und da ein bisschen eingestreutem Ska und echten Songwriter-Qualitäten („Ich hock in meiner dunklen Kammer, krummer Rücken, armer Poet, über einen Stapel Blätter, spuck ein wütendes Pamphlet. Diese Säufer um mich rum, sagen ich war mal süßer Wein, nur mehr Campari-O im Verhältnis 3 zu 1“). Wenn man diese Dinge zu schätzen weiß, kommt man um (sic!) nicht herum.

Und wieso soll ich eigentlich mühsam um Worte ringen, wenn Sammy Amara alles schon auf unschlagbare Art längst auf den Punkt gebracht hat: "Unser neues Album ist eine Broilers-Best-Of geworden — mit Liedern, die noch keiner kennt. Ein Lieblingsalbum in Gründung! »(sic!)« zeigt uns, dass wir uns darüber einig sind, wie Punk für uns klingen soll, dass gewisse Dinge thematisiert werden müssen und still am Rand stehen immer die schlechteste Option ist."

Wer eine erwachsen gewordene und gereifte Band mit verdammt viel Spielfreude („Wie kannst du lieben was du nicht lebst?“) live sehen will, die ihre Musik mit voller Leidenschaft und Authenzität lebt, sollte sich die anstehenden Konzerte auf GAR KEINEN FALL entgehen lassen.

Das Album hat keinerlei Ausfälle und bekommt bei mir nur deshalb nicht die volle Punktzahl, weil ich mir sicher bin, dass Sammy, Ines, Ron, Andi und Chris es schaffen werden beim nächsten noch eine Schippe drauf zu legen. Die Messlatte haben sie sich jetzt leider selbst so hoch gelegt - "A league of its own" indeed! Die-Hards kaufen sich die auf 8.000 Exemplare 8-teilige "Limited Fan Box". Ladies & Gentleman: Ein Platz in den Lieblingsalben des Jahres 2017 ist bereits vergeben.

Am Ende bleiben für mich zwei Fragen offen: Was hat Sammy bloß gegen Katzenbilder und was würde eigentlich mein ehemaliger Kollege M. heute zu den BROILERS sagen? Würde er ein „Zurück zum Beton“ wollen? - Ich jedenfalls nicht! (Manu)

 

Bewertung:

Manu9,5 9,5 / 10


Anzahl der Songs: 13
Spielzeit: 45:04 min
Label: Skull & Palms Recordings
Veröffentlichungstermin: 03.02.2017

Kategorie: CD-Reviews