kansas thepreludeimplicitManche altgediente Bands wollen es im Herbst ihrer Karriere noch einmal wissen. Eigentlich waren die Mainstreamprogger aus Topeka schon am Ende, nachdem sich Sänger Steve Walsh vor zwei Jahren aufs Altenteil zurück zog. Keine leichte Entscheidung, doch es stimmlich bekam er zusehends Probleme und auch an neuem Material war er schon lange nicht mehr interessiert. So ist es nicht verwunderlich, dass „Somewhere To Elsewhere“ das letzte Album schon 16 Jahre zurück liegt. Doch KANSAS machten aus der Not eine Tugend und erinnerten sich an die Scheibe, welche die übrigen Musiker 2009 unter dem Namen NATIVE WINDOW aufgenommen haben. Auch da funktionierte das Songwriting ohne den Frontmann, während Bassist Bill Greer den Gesang übernahm. Nun entschied man sich aber mit dem bislang unbekannten David Platt doch einen neuen Mann am Mikro ins Boot zu holen. Die Livefeuertaufe konnte er jenseits des großen Teichs bestehen, so dass man den Schritt ging und ins Studio ging, wo „The Prelude Implicit“ entstand.

Dabei war der Wechsel auf der Sangesposition nicht die einzige Bewegung im Line-Up, von der ursprünglichen Formation sind ohnehin nur noch Drummer Phil Ehart und Gitarrist Rich Williams übrig. Neben den beiden sind noch der erwähnte Greer und Geiger David Ragsdale, der mit Unterbrechung auch schon seit 25 Jahren zur Truppe gehört, mit an Bord. Da Platt nicht die Fähigkeiten eines Steve Walsh an den Keyboards hat, wurde mit David Manion ein Tastenmann rekrutiert. Neben Ragsdale übernahm früher noch Greg Robert auf der Bühne weitere Gitarrenparts um Soundlöcher zu füllen, die nun von Produzent Zak Rizvi kommen, so dass man erstmals mit sieben Akteuren antritt.

Der lange zurück liegende Vorgänger war ein Versuch die eklektische Progphase zu Beginn der Karriere ins Jetzt zu übertragen. Dies scheiterte daran, dass der moderne Sound das verkopfte Material arg steril rüber brachte. Heuer orientiert man sich songwriterisch an der Hochzeit Mitte der Siebziger, welche den klassischen Sound der Band prägte. Natürlich bedienen KANSAS klangtechnisch die zeitgemäßen Hörgewohnheiten, wobei vielleicht ein bisschen zu viel komprimiert wurde. Die typische Handschrift indes ist deutlich zu erkennen, obwohl keiner der beiden Hauptsongwriter beteiligt war. Umso verwunderlicher, tendierte NATIVE WINDOW doch in eine viel reduziertere Classic Rock-Richtung.

Ein wenig wie ein Intro wirkt die Eröffnungsnummer, ruhige vom Keyboard begleitete Passagen werden immer wieder von beschwingten Harmonien angehoben. „With This Heart“ ist zwar geschmackvoll instrumentiert, lässt aber einen echten Höhepunkt vermissen. Auch bei „Visibility Zero“ ändert sich trotz des schweren Riffs, wie sie nur Rich Williams hinbekommt, und noch stärkerem Geigeneinsatz wenig, die Gesamtstruktur bleibt in ruhigen Bahnen.
Noch ruhiger kommt die folgende Ballade „The Unsung Heroes“ rüber, die wie der Opener stark vom Piano geprägt ist und zu handzahm klingt. In dem Fach ist „Refugee“ schon eine andere Hausnummer, akustische Gitarren lassen an die Klassiker „Dust In The Wind“ und „Hold On“ denken. Dank der mystischen Geigenmelodien ist dies aber kein Abklatsch, sondern kann mit einer tiefen Atmosphäre punkten.

Richtig los geht „The Prelude Implicit“ erst mit „Rhythm In The Spirit“ bei dem die sechs Saiten zu Beginn ordentlich reinkrachen. Im Verbund mit der Orgel und den immer präsenten Streichern von Ragsdale erklimmt der Titel symphonische Höhen, bevor die Strophe etwas Fahrt heraus nimmt. Doch nur kurz, bevor die mehrstimmige Bridge wieder anzieht und im Refrain auch endlich Ausnahmeschlagzeuger Ehart nach Herzenslust die dicken Arrangements befeuern darf.
Noch stärker präsentiert sich der achtminütige Longtrack „The Voyage Of Eight Eighteen“, der noch mehr Wucht aufbaut und die Leadinstrumente im Hautptthema sehr gut harmonieren. In der Strophe ebenfalls zurück genommen sorgen vor allem die Duelle im Mittelpart für Furore, wenn Geige, Orgel und Gitarre solistisch um die Wette eifern. Das weckt Erinnerungen die Größe der Paradenummer „Icarus-Born On Wings Of Steel“, welches ähnlich aufgebaut und arrangiert war.

Zwar ist man damit näher an dieser Vorlage dran als bei „Icarus II“ auf dem letzten Longplayer, doch trotz aller Qualitäten zeigt sich hier auch ein Problem der aktuellen KANSAS. So ganz wollen die raumgreifenden Hymnen nicht gelingen, die Band wirkt frisch, aber es fehlt das letzte Quäntchen bei den Melodiebogen. Die gab es zuletzt 1995 auf „Freaks Of Nature“, welches aber insgesamt nicht so homogen ausfiel wie das neue Album. Dies nun dem Neuzugang am Mikro anzulasten, würde ihm nicht gerecht werden, denn er liefert bei seinem Debüt einen guten Job ab. Stimmlich liegt er in der Nähe seines Vorgängers, kommt natürlich nicht ganz an dessen Charisma heran.

Was ich ebenso lange vermisse ist ein Song, der von Beginn an durch rockt, denn bislang wurde das Tempo nach einem fulminanten Auftakt immer gedrosselt. Bei „Camouflage“ hat man bei dem harten Einstieg die Hoffnung, doch auch hier verschleppt sich das Tempo. Allerdings variieren KANSAS hier sehr geschickt, spielen mit der Dynamik und bringen einen poppigen Chorus als Kontrast zum proggigen Mittelteil. Gegen Ende steigert „The Prelude Implicit“ immer mehr, so dass man hier doch noch fündig wird.
Fast schon wie weiland „Mysteries And Mayhem“ schiebt „Summer“ voran, die Orgel dröhnt, die typischen knarzenden Riffstrukturen dominieren. Und mit „Crowded Isolation“ wird gleich nochmal nachgelegt, wenngleich etwas schwerfälliger mit forderndem Bass. Hier überrascht der weitere Neuzugang David Manion mit einem Synthesizersolo und bringt so eine weiter Klangfarbe mit ein. Mit „Section 60“ beschließt ein getragenes, geigenverhangenes Instrumental als richtiges Outro das starke Alterswerk, das nur eine Frage offen lässt: Warum nicht schon eher? (Pfälzer)


Bewertung:

Pfaelzer7,5 7,5 / 10


Anzahl der Songs: 10
Spielzeit: 53:44 min
Label: Inside Out
Veröffentlichungstermin: 23.09.2016

 

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