Pain - Coming Home

pain cominghomeIn den letzten Jahren wurden die Abstände zwischen den einzelnen PAIN-Alben immer länger. Ganze fünf Jahre ist es jetzt her, dass das letzte Album „You Only Live Twice“ erschien. Und ich muss sagen: Ich war nicht traurig drum. Die beiden letzten Scheiben waren zwar nett, jede hatte auch den einen oder anderen wirklich guten Song drauf – aber wirklich nachhaltig überzeugen konnten mich die Platten nicht. Kein Vergleich zu den Erstlingswerken der Band, die ich nach wie vor liebe.

Entsprechend gelassen nahm ich die Ankündigung des neuen Albums hin, entsprechend gelassen ging ich an das Album selbst. Und so ohne jede Erwartung, finde ich mich plötzlich in einem Western wieder. Der Opener „Designed To Piss You Off“ beginnt mit herrlichen Western- und Banjo-Vibes, bekommt dann aber gleich den von PAIN gewohnten Industrialeinschlag und geht so ganz nebenbei direkt ins Ohr. Und auch wenn Peter Tägtgren es im Song behauptet – angepisst kann ich mich grade überhaupt nicht fühlen.

Noch besser wird es beim zweiten Song „Call Me“, der schon vorab veröffentlicht wurde. Hier hat Peter Tägtgren sich Joakim Brodén von SABATON eingeladen, der mit ihm dieses wunderschöne Callboy-Stück singt. Dabei auch herrliche Textzeilen wie „I will love you as long as your money loves me back“ (bei den ersten Hördurchgängen verstand ich noch “as long as your Mommy loves me back”, was irgendwie noch lustiger gewesen wäre) oder „I show you what your boyfriend don’t understands“. Voll froher Erwartung kaufte ich mir gleich am Veröffentlichungstermin das Album, doch leider musste ich feststellen, dass es keine Nummer zum Anrufen gibt. Lieber Peter, bitte teile mir doch deine Nummer mit, damit ich dich anrufen kann! Ach ja, musikalisch ist das Stück natürlich auch nicht zu verachten. Aber alleine das Bild in meinem Kopf, von den beiden Callboys… speziell Joakim Brodén würde da eine gute Figur machen (Argh!).

Da ist das akustisch beginnende „Wannabe“ fast schon ein Ruhepol, der sich gegen Ende sogar etwas zieht. „Pain In The Ass“ ist, wie der Name schon sagt, ein schöner, flotter Arschtrittsong (sehr schön auch das zugehörige Foto im Booklet), wie man ihn von Peter Tägtgren erwartet und macht schön Laune (Auch wenn ich mir jetzt nicht mehr so sicher bin, ob ich den Peter noch anrufen will (der Peter anscheinend auch nicht, seinem Blick auf dem Foto im Booklet nach zu urteilen). Erst versprechen „Who said money can’t buy happiness?“ Und dann sagen „I’ll be the pain in your ass!“. Nö, nö…).

„Black Knight Satellite“, bei dem es um den gleichnamigen, sogenannten „Geistersatelliten“ geht, der verschiedenen Verschwörungstheorien zufolge die Erde bereits seit 13.000 Jahren umkreist, beginnt mit sanften Orchesterklängen, die immer wieder in symphonischen Parts durchschimmern, sich aber oft auch dem Industrial unterordnen müssen. Insgesamt mal wieder ein richtig cooler PAIN-Song.

„Coming Home“ ist dann wieder ganz anders. Mit Akustikgitarren und swingenden Posaunen ausgerüstet, hat man textlich das Gefühl, dass Peter Tägtgren endgültig in der Midlife Crisis angekommen ist. Sowohl musikalisch als auch textlich ist dieses Stück mal etwas ganz anderes und ist völlig zu Recht der Titelsong des Albums und eines meiner Lieblingsstücke auf dieser Platte. Beim geradezu fröhlich lebensbejahenden Flower-Power-Lovesong „Absinthe-Phoenix Rising“ könnte man dann annehmen, dass der gute Peter seine Midlife Crisis überwunden hat und fragt sich, was er jetzt wieder eingeschmissen hat. Tatsächlich spielt der Song aber auf einen Vorfall in Leipzig an, wo die Band zusammengeschlagen wurde. Und vor diesem Hintergrund hat der Text auch wieder seinen ganz besonderen Reiz.

Dafür fragt man sich dann, wo Joakim Brodén beim militärischen „Final Crusade“ steckt. „Natural Born Idiot“ (klingt doch gleich vielmehr nach Peter Tägtgren) geht vom Elektroanteil stellenweise schon fast Richtung Techno, ist auf der einen Seite mit der härteste Song auf dem Album, verfügt über einen tägtgrentypischen Ohrwurmrefrain und bekommt durch den Einsatz von weiblichem Gesang eine ganz besondere Note. Aber für sowas hat Herr Tägtgren eben auch einfach ein Händchen. Schlicht ein großartiger Song.

Und großartig endet das Album auch mit „Starseed“, das zu Beginn etwas an das schon von PAIN gecoverte „Eleanor Rigby“ erinnert, vom Text her aber auch auf dem letzten NIGHTWISH-Album hätte stehen können. Für PAIN-Verhältnisse ist dies ein geradezu romantischer Song, der fast schon als Ballade durchgeht und an „Coming Home“ anknüpft.

Damit kommt dieses Album ohne einen einzigen Ausfall aus. Ich muss gestehen, damit habe ich nicht gerechnet und ich bin über diese Scheibe positiv überrascht. Peter Tägtgren geht musikalisch etwas neue Wege, es gibt deutlich mehr Orchesterparts, die aber perfekt zum Rest passen. Auch die Texte heben sich von vielen, was man heutzutage so vorgesetzt bekommt, mehr als positiv ab und der typische Tägtgren-Humor scheint immer wieder durch. Apropos Tägtgren-Humor: Der Kauf der CD lohnt sich schon alleine wegen den herrlichen Fotos von Peter, die man im Booklet so geboten bekommt. Ich jedenfalls habe seit gut zwei Wochen massive Probleme, mal ein anderes Album zu hören als „Coming Home“, das hier in Dauerschleife läuft. Also, Obacht, hohes Suchtpotential! (Anne)


Bewertung:

Anne9,0 9 / 10

Anzahl der Songs: 10
Spielzeit: 41:23 min
Label: Nuclear Blast Records
Veröffentlichungstermin: 09.09.2016

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