Meat Loaf - Braver Than We Are

meatloaf braverthanweareDie beiden Streithähne scheinen sich wieder zusammen gerauft zu haben, eine der bekanntesten On/Off-Beziehungen der Musikgeschichte macht wieder gemeinsame Sache. Dabei war die Trennung dieses Mal so kurz wie nie zuvor, aber man wird halt älter. "Bat Out Of Hell - Part III: The Monster Is Loose", die letzte Zusammenarbeit von Jim Steinman und MEAT LOAF konnte nicht an die beiden ersten Teile heran reichen, aber wer kann das schon. Dennoch war es doch ein starkes Symphonic Rockwerk, welches es zumindest mit "Dead Ringer" aufnehmen konnte. Danach fiel die Qualität wieder deutlich ab, wie es immer bei nicht von Steinman komponierten Platten der Fall war, doch "Hang Cool Teddy Bear" und "Hell In A Handbasket" waren selbst für die Verhältnisse noch schwach. Eigentlich hatte sich der unter Marvin Lee Aday geborene Sänger schon von der Bühne verabschiedet, doch nun steht "Braver Than We Are" in den Läden. Geht da nochmal was für den Kultmops und seinen kongenialen Songwritingpartner?

Zum Einstieg überraschen ein paar Blues Rocktöne, wobei der Barde zuletzt stilistisch schon sehr offen wurde. Das nach wenigen Sekunden folgende Wirrwarr aus Sirenengesängen, Pianoklängen und Swingrhythmus hingegen erschreckt dann eher. Was soll das sein, Klamauk, der Versuch wie ALICE COOPER und den Siebzigern zu klingen, Musical oder vielleicht doch Avantgarde? Dass sich dann noch jazziges Geklimper, Holzbläser und Sprechgesang einreihen macht es auch nicht einfacher, zumal sich eine Songidee nicht aufdrängen will. Schnell noch ein paar Versatzstücke von „The Wall“-Atmosphäre und ein QUEEN-Solo drauf gepackt, fertig ist der Schock zu Beginn.

Und man bleibt weiter bei den Koordinaten QUEEN und Blues, nämlich qualitativ genau dort, wo sich deren immer noch aktuelles Machwerk in jener Stilistik einreiht. Der Quasititelsong „Going All The Way“ fängt ja archetypisch mit Leadfills über kraftvollen Pianoklängen an und geht genau in die Ballade über, die man erwartet hat. Doch die Steigerungen, wenn man sie den so nennen möchte, finden nur marginal statt, da hilft auch keine Gesangsunterstützung seiner alten Weggefährtinnen Karla DeVito und Elen Foley. In einem einzigen Gitarrenakkord hat „I´d Do Anything for Love“ mehr Wucht als die gesamten zehn Minuten hier.
Es passiert kaum etwas, wo sind die Wendungen, wo der hemmungslose Bombast? Auch die Kanongesänge am Ende laufen ins Leere, das grandiose Duell der offensichtlichen Vorlage wird noch nicht mal annähernd erreicht. Da ist sogar der folgende, sehr ruhige Gospel „Speaking In Tongues“ deutlich weniger langweilig, wobei sich auch hier wieder viele weibliche Stimmen untergemischt haben. Natürlich hat die Stimme von MEAT LOAF in all den Jahren gelitten, das machte sich schon bei der letzten Tour bemerkbar, aber anscheinend lässt ihn Steinman kaum noch lange Passagen alleine absolvieren.

So bekommt der Mann auch bei „Loving You Is A Dirty Job“ viel weibliche Unterstützung, wobei hier das Duett so gut funktioniert wie vor dreißig Jahren zwischen Todd Rundgren und Bonnie Tyler. Endlich findet man die epischen Weiten, die majestätischen Harmonien und die Dynamik wieder, dazu noch schön auf Engelschöre gebettet. Dabei darf man nicht verhehlen, dass es sich bei der Klassenummer um die gelungene Modernisierung eines Liedes handelt, welches seinerzeit nicht an den Erfolg des Überalbums „Faster Than The Speed Of Night“ heran kam.
Doch keine Angst, Steinman gelingt es dennoch ebenso bewährtes gegen die Wand zu fahren. Schön, dass man erfährt, dass „More“, der Tanzflächenbringer der SISTERS OF MERCY im Original von ihm geschrieben wurde. Auf „Braver Than We Are“ nehmen ihm elektronische Einflüsse, immer wieder die seltsamen souligen Chöre und die allzu harschen, abgestoppten Riffs vollständig den genialen Drive. Genauso deplaziert wirken die Zitate von „Total Eclipse Of The Heart“, welche in “Skull Of Your Country” auftauchen und nicht gerade prickelnd intoniert werden.

Was gibt es sonst noch zu Bestaunen oder zum Meckern auf der Platte? „Only When I Feel“ zeigt gute Ansätze, endet aber nach zwei Minuten als Intro. Da hätte man mehr draus amchen können, aus „Gods“ weniger, die Pianostaccatos fordern zwar schön, aber der Rest des Stampfers ist schlicht beschämend. Der Meister kommt über Sprechgesang nicht hinaus, man fragt sich schon, was das soll. Am Ende geht „Train Of Love“ als weiterer, diesmal annehmbarerer, Versuch Bluesrock in den Kosmos von Steinman zu übersetzen durch. Das Stück rockt ordentlich, der Gesang hat Esprit und Ricky Medlocke serviert ein schönes Slide-Gitarrensolo.

Nicht nur das wenig stringente Songwriting ist ein Problem, die Produktion von Paul Crook versteht es wie auf dem Vorgänger nicht, die vielen unterschiedlichen Stilmittel unter einen Hut zu bringen. Er mag ja ein guter Kerl sein, der als langjähriger Gitarrist und Busenkumpel von Schwiegersohn Scott Ian fast zur Familie Aday gehört. Doch schon ANTHRAX fanden nach ihm mit Rob Caggiano jemanden, der zumindest an den Reglern versierter ist.
Nicht wegdiskutieren lässt sich auch der stimmliche Verfall des einstigen Heldentenors, der offen zu Tage tritt. Da fehlt es an Kraft und den Höhen, MEAT LOAF schleppt sich eher durch die Songs. Eigentlich hätte nach der Tour mit der Komplettauführung von „Bat Out Of Hell“ Schluss sein sollen. Diese brachte er noch ordentlich über die Bühne, es wäre ein würdiges Finale gewesen. Doch nun reiht er sich in die Riege der ganz Großen ein, die den Zeitpunkt des Abschieds verpasst haben.

Jammerschade, und ob es die Bonustracks sind, welche solch ein Werk heraus reisen müssen, lasse ich dahin gestellt, zumal ich nicht weiß, auf welcher Version diese erhältlich sind. Der Stephen Stills-Klassiker „For What It´s Worth hat mehr Tiefe als der Rest der Scheibe zusammen, wobei der CSNY-Mann auch seinen Beitrag leistet. Mit „Prize Fight Lover“ gibt es treibendste Stück zu hören und die Neuauflage von „I´d Do Anything For Love“ weiß auch zu gefallen. Komplett umarrangiert mit akustischeren Gitarren, dafür mehr Orchester ringt sie diesem Epos neue Seiten ab. Da es keine Credits zu den drei Liedern gibt, kann ich nicht sagen, ob sie aus den selben Sessions stammen, aber bei dem Qualitätsunterschied in Sachen Gesang und Sound würde ich sagen, dass diese älter sind. (Pfälzer)


Bewertung:

Pfaelzer4,5 4,5 / 10


Anzahl der Songs: 10
Spielzeit: 72:17 min
Label: 429 Records/Caroline/Universal
Veröffentlichungstermin: 09.09.2016

 

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