mikeoldfield discoveryDie erste Musik, die man bewusst hört, ist auch immer die, welche einem am längsten im Gedächtnis bleibt, so manche Kindheitserinnerungen vergehen nie. Noch bevor ich härtere Klänge für mich entdeckte, war ich sehr interessiert an allem aus der Schnittmenge von AOR und progressiven Klängen, welche zu Beginn der Achtziger so populär hierzulande war. Nachdem meine Schwester und Cousine auf ALAN PARSONS und TOTO standen, war es ein Freund meiner Schwester, bei dem ich die ersten vollständigen Alben hören konnte. "In Transit", "The Getaway", "Business As Usual", "Asia" und vor allem "Crisis" konnten mich begeistern. Dieses Werk aus der Feder des Soundtüftlers und Avantgardisten MIKE OLDFIELD machte ihn mit Hits wie "Moonlight Shadow" und "Shadow On The Wall" endgültig der breiten Masse zugänglich. In seinem umtriebigsten Jahr 1984 legte er nicht nur den Filmsoundtrack zu "Killing Fields" und eine weitere Single nach, sondern mit "Discovery" auch ein weiteres Studioalbum. Dieses wird nun ebenso wie "Killing Fields" wiederveröffentlicht, sowohl als Einzel-CD als auch als Deluxe Edition und Vinyl. Gemäß der Tradition sah ich mich verpflichtet, die Vinylausgabe zu besprechen, auch wenn darauf keine Bonustracks enthalten sind.

Viele sahen ja das Werk seinerzeit sehr kritisch, weil es sich ihrer Meinung nach lediglich um eine Ansammlung von Popsongs handelt. In der Tat war Oldfield fast alleine im Studio in Villars sur Ollon hoch oben über dem Genfer See befand. Seine Begleitband blieb zuhause, bis auf den Gesang und die Drums vom genialen, als Co-Produzenten fungierenden, Simon Phillips, spielte der Meister alles selbst ein. Den Gesang teilten sich seine langjährige Sängerin Maggie Reilly und der ehemalige TRIUMVIRAT-Sänger Barry Palmer, welcher schon die Single "Crimes Of Passion" einsang.
Es war sicherlich eines der leichtesten Jahre im Leben des MIKE OLDFIELD bis dahin, in dem er auch mal positive Stimmungen zulassen konnte, das hört man der Scheibe auch an. Ja, in der Tat, es ist eine Ansammlung von Popsongs, der Longtrack über eine Albumseite wie bei den letzten Werken fehlte, doch bei dem Briten sind auch solche Stücke wahre Kleinode, bei denen es immer etwas zu entdecken gibt. Was der Mann damals anfasste, trug die Handschrift seiner Akribie und Perfektion, was aus kleinen Stücken letztlich große Nummern zauberte.

Schon der große Hit zu Beginn, die von Reilly gesungene Folkballade "To France" konnte mit interessanten Arrangements gefallen. Dabei waren viele Rhythmuspatterns programmiert, doch es war das Zeitalter des Fairlight CMI und es lag in Oldfields Wesen alle Möglichkeiten auszuschöpfen, welche ihm diese neue Technologie offenbarte. Spätestens wenn im Refrain und vor allem im Mittelteil Phillips seine wuchtigen Drums einsetzt, zeigt die Nummer ihre Größe. Nicht umsonst wurde sie von vielen, beispielsweise BLIND GUARDIAN gecovert.
Noch viel schöner in Sachen Melodieführung war das ähnliche, aber zerbrechlichere "Talk About Your Life", in welchem die gute Maggie ihre glockenklare Stimme perfekt einsetzte. Zu seiner Zeit war die Scheibe so populär, dass selbst dieser Albumtrack Airplay im Radio erhielt, und das zurecht. Als sich Reilly in den Neunzigern dem Europop zuwandte hagelte es viel Kritik, leider übersahen viele, dass sie die ganzen anderen Hupfdohlen gepflegt an die Wand sang. Und "Everytime You Touch" war mit Sicherheit ein Highlight dieser ansonsten grausamen Epoche.

"Poison Arrow", das erste von Palmer gesungene Lied war ebenso ein Musterbeispiel für die Arrangierkunst von MIKE OLDFIELD. Diese mäandernden Themenwechsel, wie etwa, wenn das Piano in der zweiten Strophe das feine Picking der ersten unterstützt, kann so nur er in dieser Klasse. Selbst auf dem vielfach gescholtenen "Earth Moving" kann er damit noch punkten. Palmers variable Stimme zwischen getragener Zurückhaltung und hymnischer Kraft rundet diese Art Pop-Perle ab.
In die selbe Richtung schlägt der dritte Maggie Reilly-Titel "Crystal Gazing", der vom Tempo her etwas beschwingter daher kommt.Mit Palmer nahm er auch den Titeltrack auf, dessen rockige Attitüde die Nummer als Nachfolger von "Shadow On The Wall" durchgehen lässt. Doch bei diesem schwermütigen Stampfer geht Oldfield subtiler zu Werke, auch hier wimmelt es von starkem Picking. Ebenso wie seine Kollegin darf der Barde auch drei Songs einsingen, "Saved By The Bell" beginnt sehr reduziert, und theatralisch, eine Stimmung, welche im orchestralen Refrain gipfelt.

Neben seinem Können als Studiotüftler, kann der Meister aber noch auf ein großartiges Gitarrenspiel zurück greifen. Bei fast jedem Song brilliert er mit einem Solo und baut auch darüber hinaus immer wieder starke Passagen ein. Vor allem sein hoher, schriller Ton ist absolut unverwechselbar, was auch seinen poppigen Ausflügen stets seinen Grundcharakter verleiht. Vor allem das Up-Tempo-Thema von "Tricks Of The Light", dem Duett zwischen Reilly und Palmer sticht hervor. Die großartige schnelle Folkgitarre in der von Palmer gesungenen Strophe macht die dritte Single noch mehr zum Highlight von "Discovery".
Nachdem die gute Maggie dann mit ihrer flirrenden Bridge zum Chorus überleitet, herrscht dort wieder das geniale Gitarrenthema vor. Am Ende darf sich der Fan doch noch über einen Longtrack freuen, auch wenn "The Lake" nur auf zwölf Minuten Spielzeit kommt, wissen die ambienten Klänge zu überzeugen. Hier kann sich MIKE OLDFIELD wieder an seinem neuen Lieblingsspielzeug, dem Fairlight CMI austoben, bevor wunderschöne Gitarrenmelodien am Ende wie Feen aus dem Wasser des Genfer Sees aufsteigen.

Damit war in Sachen Pop-Appeal bei dem Briten alles gesagt, an diese Hits konnte er nicht mehr anknüpfen. Das lag auch daran, dass ihn Virgin-Labelchef Richard Branson zunehmend unter Druck setzte, bevor er mit "AMAROK" 1991 zum Befreiungsschlag ausholte. Die Scheibe markiert sicherlich den kommerziellen Zenit in Oldfields Karriere, die anschließende Europatour umfasste 51 Konzerte in großen Hallen. Aufgrund der phantastischen Produktion, bei der jedes Detail trotz der vielen Soundschichten zur Geltung kommt, hat das Werk bis heute nichts von seiner Anziehungskraft verloren. Bei MIKE OLDFIELD bestanden sogar die Popstücke den Test der Zeit. Und im heutigen 180g-Vinyl ist das ein wahres Klangerlebnis, was man von vielen aktuellen Sachen nicht sagen kann. (Pfälzer)

Bewertung: - / -

Anzahl der Songs: 8
Spielzeit: 41:23 min
Label: Universal Music
Veröffentlichungstermin: 29.01.2016

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