lionshepherd hiraethMit RIVERSIDE hat die polnische Progszene in den letzten fünfzehn Jahren einen ungeheuren Schub bekommen. Bislang konnte zwar noch keine Band groß aus ihrem Schatten heraus treten, aber fähige Musiker treffen sich immer wieder im Rahmen unterschiedlicher Projekte. Zwei davon sind Sänger Kamil Haidar und Gitarrist Mateusz Owczarek, die nun mit LION SHEPERD eine neue Band am Start haben. Die guten Beziehungen zu den Szeneführern ihres Landes verhalfen ihnen zum Supportslot auf deren aktueller Tour zum neuen Album. In dem Rahmen konnten sie einige Werbung in eigener Sache betreiben, was das Interesse am nun erschienen Debüt "Hiraeth" deutlich steigern dürfte.

Auf dem sind sie im erweiterten Umfeld des Progressive Rock unterwegs, doch die typischen Instrumentalexzesse stehen nicht im Vordergrund. Vielmehr setzen die Polen auf Folk - und Ethnoeinflüsse sowie weltmusikalischen Klängen, was sie eher bei den französischen Freigeistern von LAZULI verorten lässt. Grundlage ihrer Klangmixtur ist allerdings eher moderner bis alternativer Rock, der immer wieder mit knackigen Riffs durchscheint. Diese beiden Eckpfeiler laufen schon im ersten Song zusammen, bei dem die Sitar mit orientalischen Motiven  das Album einläutet. Mit dem Einsteigen der sechs Saiten kommt man späten Sachen von LED ZEPPELIN oder Platten von deren Mitgliedern näher, bevor man mit den rockigen Anklängen verstärkt die eigene Identität durchsetzt.

Dabei bedient man sich aber stets dem gleichen Muster, bei dem die Strophe her ruhig und introvertiert gehalten ist, während man im Refrain deutlich aus sich heraus geht. Die orientalischen Motive tauchen dabei wie in "Brave New World" immer wieder auf, ebenso die Sitar, die aber nicht zwangsläufig Themen mit ebenjenem ethnischen Hintergrund liefert. Im ätherischen "Music Box Ballerina" fügt sie sich nahtlos ins New Art Rockschema ein. Gegen Ende tauchen auch noch leichte psychedelische und bluesige Anleihen auf, die man auch in "Past In Mirror" finden kann. Hier zieht die Dynamik im Refrain wieder deutlich an, wobei LION SHEPERD hier ein wenig wie NICKELBACK klingen, was auch an Haidars Stimmfärbung liegt.

Seine syrischen Wurzeln sind sicherlich ausschlaggebend, dass die orientalischen Klänge so authentisch rüber kommen. Gerade im schon auf der Bühne überzeugenden "The Smell Of War" entführt die Atmosphäre den Hörer in 1001 Nacht. Im weiteren Verlauf mutiert der Track zum aggressivsten des Albums, der gute Kamil agiert fast in Growlregionen, was die Vielfalt der Truppe unterstreicht. Neben den rockigen Liedern gibt es eine ganze Reihe durchgehend ruhig und atmosphärisch gehaltener Stücke, welche mit ihrer Melancholie deutlich näher an ihre berühmten Landsleute rücken.
Dabei gelingt es ihnen, jedem dieser teils betörend schönen Songs den eigenen Stempel aufzudrücken, um der Beliebigkeit zu entgehen. Perlende Akustikgitarren, die in "Lights Out" von dezenten Orgelschleiern getragen werden klingen am stärksten nach RIVERSIDE. Zum Schluss des sehr entrückten "Wander" gibt es gefühlvolle und klassische Rocksolikunst und im sich dramatisch steigernden "Infidel Act Of Love" ein paar Pianotupfer. Hier kann der Frontmann sein melodisches Gespür am besten zur Geltung bringen, seine sanfte Stimme scheint dafür am besten geeignet.

Die polnischen Newcomer haben ihre ganze in anderen Projekten erarbeitete Erfahrung in ihren Erstling gelegt und teils wunderschöne Klänge geschaffen, in denen man sich treiben lassen kann. So kreieren sie eine unglaublich dichte Atmosphäre, welche die Songs spannend gestaltet und so jedem Detail die Aufmerksamkeit zukommen lässt. Zwar könnten sie öfter wie in "The Smell Of War" aus ihren zwei gängigen Schemen ausbrechen, doch die interessante Instrumentierung macht den Makel wieder wett. Aus vielen Einzelteilen, die man so nur selten in Verbindung gehört hat, machen LION SHEPERD eine stimmige Scheibe mit Wiedererkennungswert. (Pfälzer)

Bewertung: 8 / 10

Anzahl der Songs: 10
Spielzeit: 46:28 min
Label: Glassville Records
Veröffentlichungstermin: 20.11.2015

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