Scorpions - Blackout (50th Anniversary Deluxe Edition)

scorpions blackoutEs sollte eines der wichtigsten Alben ihrer Karriere werden, doch als die Band am Scheideweg stand, rückten andere Probleme in den Vordergrund. Während der Vorproduktion verlor Klaus Meine plötzlich seine Stimme und stelle das ganze Unternehmen in Frage. In ihrer Not wurde bereits der Name Don Dokken, eines Bekannten aus Amerika, in den Raum geworfen, der für Aufnahmen in Berlin weilte. Doch Gründer Rudolf Schenker entscheid sich gegen dessen Rockstarattitüde und für die Freundschaft mit seinem langjährigen Weggefährten. Damit ebnete er den Weg für einen weiteren Meilenstein zur Weltkarriere. Das besagter Dokken mit seiner eigenen Band sich öfter bei den Vorlagen der Deutschen bediente ist eine andere Geschichte. Nach Erfolgen in Japan und England wollte man auch den US-Markt knacken. Mit der Hinwendung zur reinen Hardrocklehre bekam man schon einen Fuß in die Tür, es bedurfte noch eines weiteren Schrittes in Form eines Hits. Davon lieferte „Blackout" 1982 dann genügend, welches jetzt als „Deluxe Edition" wiederveröffentlicht wird.

Am Ende hatten die Hannoveraner alles richtig gemacht und innerhalb eines Jahres zwei Millionen Einheiten jenseits des großen Teichs abgesetzt. Nun lag ihnen der lukrativste Markt zu Füßen, nicht nur wegen ihrer fulminanten Performance. Zu der Zeit setzten die Fünf Maßstäbe in Sache Stageacting, gerade in den Staaten orientierten sich in den Achtzigern viele Hardrockacts auf der Bühne an ihrer energischen Show. Diese Energie hatten sie auf „Lovedrive" schon einmal einfangen können, „Animal Magnetism" geriet zu experimentell, es musste wieder geradlinigeres Material her, ohne zu vorhersehbar zu klingen.

Da kam der titelgebende Opener gerade recht, ein treibender Metalsong, der schnurstracks nach vorne ging. Am Ende steigerten sich Screams, die Schenker beisteuerte in die schiere Raserei. Dies wurde auf dem Cover des österreichischen Künstlers Gottfried Helnwein kongenial visualisiert. Auch sonst herrschte ein ordentliches Tempo, zu den Zeiten, in denen die SCORPIONS die amerikanische Szene beeinflussten, hatten sie solche Nummern einfach drauf. Zu nennen sind da vor allem das rock´n´rollige „Now" und natürlich „Dynamite". Einer ihrer absoluten Signaturlieder, dieses Killerriff, flankiert von messerscharfen Leadeinsätzen, mit dem marschierenden Schlagzeug von Rarebell, bis heute einfach großartig.

Doch die Truppe konnte so viel mehr als nur rocken, damit meine ich nicht nur ihr Faible für Balladen. Hier gibt es nur eine davon, das sehr ruhige „When The Smoke Is Going Down", eines von vielen Stücken über das Leben auf Tour und der Bühne. Doch Meines markante Stimme verwandelt diese mit wunderschönen Melodien zu einem Kleinod. Das war einfach sein Metier, in dieser Zeit schuf er selbst in der großen Ära der Rockballaden Klassiker in Reihe.
Da schüttelten sie einen Gute-Laune-Rocker wie „Arizona" fast im vorbei gehen aus dem Ärmel, der ebenfalls für Abwechslung sorgte. Ganz an die Gegensätze zwischen hart und sanft wie auf „Loverdrive", doch die Scheibe wimmelte nur so von cleveren Arrangements. Einen Titel wie das schleppende, dramatische „China White" durfte man sicher nicht unbedingt erwarten.

Es war allerdings ein Song, der diese Platte zu jenem Erfolg geraten ließ, der er am Ende war, der 1982 zum beliebtesten Rocksong in den USA gewählt wurde. Mit „No One Like You" waren die SCORPIONS nicht nur in den Achtzigern angekommen, sondern lieferten die Blaupause für das, was noch kommen sollte. Jubilierende Leads duellieren sich mit kraftvollen Akkorden, die Strophe ist eher ruhig gehalten, während sich die Bridge zum knalligen Refrain hin aufbaut. Keiner verband so geschickt kernigen Hardrock mit Stadiontauglichkeit wie die deutsche Vorzeigeband.

Dazu waren sie hinsichtlich der Gitarrenarbeit ebenfalls Wegbereiter für viele Axtgespanne. Hatten die meisten Formationen ihrer Zeit zwei Leadgitarren am Start, war es Langzeitproduzent Dieter Dierks, der erstmals so konsequent zwischen Solo – und Rhythmusgitarre trennte. Die Scheibe sollte man sich am besten unter dem Kopfhörer anhören, dann scheint es fast als spielen Schenker und Jabs von verschiedenen Seiten. Immer wieder war das Haupthema so deutlich heraus zu hören, während die Soli gespielt wurden, wo die Riffs sonst etwas untergingen. Speziell im Thrash Metal, der in den darauf folgenden Jahren aufkommen sollte, wurde dieser Effekt gerne benutzt.

Wenn man der Scheibe etwas ankreiden kann, dann höchstens, dass der kleine, etwas melodischere und leicht bluesige kleine Bruder „You Give Me All I Need" dem Überhit direkt hinten angehängt wurde, anstatt ihn später auf dem Album zu platzieren. Doch wenn man über die Songreihenfolge diskutieren muss, dann zeigt dies auf welch hohem Niveau gejammert werden muss, um hier das Haar in der Suppe zu finden.
Mit „Blackout" gelang völlig zu Recht der große Durchbruch auf dem größten Musikmarkt, hierzulande ließ er immer noch auf sich warten. Bis heute tun sich die Deutschen mit ihrem wichtigsten Musikexport schwer, Hauptsache eine russische Schlagerhupfdohle wird bei jeder Gelegenheit über den grünen Klee gelobt. Ihre Zeit sollte noch kommen, doch das ist eine andere Geschichte, die woanders erzählt wird.

Ergänzt wird die „Deluxe Edition" von mehreren Demoversionen, zum größten Teil noch unveröffentlicht. Lediglich der Titeltrack ist bislang bekannt, bei den vier anderen handelt es sich um Songs aus den damaligen Sessions. Bei allen lässt sich sehr gut die Arbeitsweise der SCORPIONS erkennen, die Stücke wirken hier noch nicht ganz ausgereift.
Da zeigt sich die Stärke von Dierks, der vor allem in Sachen Gesangsphrasierungen immer viel investierte und alles aus der Band herausholte. In der Dokumentation „Forever And A Day" weiß Meine ein Lied von dessen Akribie zu singen. Es nützt niemanden, wenn er die schönsten Melodiebogen aus dem Ärmel schüttelt, diese aber bei den Aufnahmen nicht so trifft, dass sie zünden. Eine bei heutigen Produktionen zu oft vergessene Tugend.

Alle bislang unbekannten Stücke können nicht ganz mit der Klasse der letztendlich sich auf dem Album befindlichen mithalten. Das ist schon in den Rohfassungen zu erkennen, meist klingen sie aber auch anderen zu ähnlich. „All My Love" verhält sich mit seinen Melodien beispielsweise zum Klassiker „The Zoo" in etwa wie „You Give Me All I Need" zu „No One Like You", nur nicht so spektakulär. Das Riff von „Sugar Man" erinnert zu sehr an LED ZEPPELIN und „Running For The Plane" groovt richtig schön in der Strophe, der Chorus fällt allerdings zu bieder aus. Einzig das treibende, Siebzigermäßige „Searching For The Rainbow" weiß zu überzeugen. Ein netter Bonus für all diejenigen, die die etwas härtere Seite der Band mögen, mehr nicht.

Da mutet die DVD schon deutlich interessanter an, auch wenn wir die vorab nicht sehen konnten. Neben einem 40-minütigen Interview dürfte aber der Mitschnitt des Auftritts vom 17.12.1983 in der Dortmunder Westfalenhalle im Rahmen der ZDF-„Rock Pop In Concerts"-Reihe alleine das Geld wert sein. Über die Bedeutung dieses Abends für die deutsche Metalszene muss man keine Worte mehr verlieren.
Auch der Metal Hammer wurde im Anschluss daran gegründet, dessen ehemaliger Chefredakteur steuert im Booklet noch einige Liner Notes bei. Auch er wird zustimmen, dass dieses Album in jeder ernstzunehmenden Sammlung stehen muss, ein Meilenstein für die deutsche Rockmusik, besser kann man Hardrock nicht zelebrieren, neben „Lovedrive" das beste Werk. Wer es jetzt noch nicht besitzt, sollte dies mit der Ausgabe nachholen. (Pfälzer)

Bewertung: - / -

Anzahl der Songs: 14
Spielzeit: 57:49 min
Label: BMG
Veröffentlichungstermin: 06.11.2015

Wir benutzen Cookies
Für optimalen Benutzerservice auf dieser Webseite verwenden wir Cookies. Durch die Verwendung unserer Webseite erklären Sie sich mit der Verwendung von Cookies einverstanden