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Hangmans Chair  TINSTBPDas hätte ich nun nicht erwartet. Erneut bekam ich ein Paket mit CDs, von denen mir das neue Album von HANGMAN'S CHAIR als erstes ins Auge fiel. Der Name war mir zwar bekannt, aber sonst nichts. Und was soll ich sagen – was ein Verlust. Auch wenn ich anfangs der Band eher skeptisch gegenüber stand, bin ich nun Feuer und Flamme, und das Album zusammen mit dem Vorgänger gehen mir nicht mehr aus dem Schädel.

Bei unbekannten Bands, auch mit mehr oder weniger präziser Musikbeschreibung, entscheidet bei mir final meist der Gesang über Gefallen und Nichtgefallen. Der Sound stimmte schon mal zu etwa 100%, aber als der Gesang kam, war ich erst reichlich irritiert. So wird in Hardrockbands oder Ähnlichem gesungen, aber hier soll es sich doch um eine Doom-Band handeln, denn die schweren, tiefen Gitarren und das erdbebenartige Schlagzeug sagen mir das zumindest. Aber noch beim ersten Song entdeckt man die Qualität dieser Ausnahmestimme. Zusammen mit der sehr simpel, aber effektiv gehaltenen Musik und dem exzellenten Sound ergibt sich ein Hörergebnis, was ich so schon lange nicht mehr erlebt habe.
Auch wenn die Platte ja namenstechnisch nicht optimistisch ausgerichtet ist, so klingt sie dennoch schwer danach und hinterlässt in aller Tristesse und Hoffnungslosigkeit einen wunderbaren gleißend hellen Fleck der Zuversicht. Die Hardcore-Doomer werden da vielleicht einen Widerspruch erkennen, aber so sehr ich diese depressive Mucke mag, so ist dieses Album eines der schönsten Doomteile, das ich in letzter Zeit kennenlernen durfte, auch wenn das in pink gehaltene Cover meine Verwirrung komplett macht.

Schaut man dann noch auf die Herkunft Frankreich, so kann man vielleicht hier lokal gesehen eine neue Nische entdecken. Es wird also Zeit, mehr über diese Band zu erfahren, und so kann ich meinen aktuelle Euphorie noch weiter bestärken, wenn ich erkenne, wie diese Musik aus dem Vorgängeralbum „Hope///Dope///Rope" entstanden ist. Vor dieser Zeit scheinen die Pariser mehr in die Stoner-Richtung gegangen zu sein. Mittlerweile handelt es sich hier um eine magische Verschmelzung von derben Riffs und ruhigen cleanen Zupfereien zusammen mit einem überaus melodischen Ausnahmegesang, der an klassische Doombands erinnert mit der Nähe zur Genialität von Bands wie TROUBLE. Kein Wunder, wenn man sich die Idole anschaut: ALICE IN CHAINS, LIFE OF AGONY, TYPE O NEGATIVE oder auch THE CURE. Man hört zwar deutlich deren Einflüsse heraus, aber dennoch erkennt man keinerlei Abkupferungen, sondern lediglich einen musikalischen Fortschritt in diese Richtung. Demnach ist eine solche Entwicklung sehr zu begrüßen, und ich kann mir diese anmutenden Songs gar nicht oft genug anhören. Zugegeben, ein bisschen Schnulz kommt da schon zum Vorschein, aber darf man als mies gelaunter Fan des Langsamen nicht auch mal sanftmütig werden und auf einer Woge der Hoffnung und Behaglichkeit treiben?

Für mich sind HANGMAN'S CHAIR die bisher erfreulichste (Neu)entdeckung des Jahres, wenn es diese Formation auch schon seit 2006 gibt und es sich bei „This Is Not Supposed To Be Positive" bereits um das vierte Album handelt. Aber zum Glück gibt es ja das Internet, um Versäumnisse nachzuholen. Ich bin gespannt, ob ich die Band auch mal live zu Gesicht bekomme und sich mein durch und durch positiver Eindruck dann immer noch bestätigt. Bis dahin hör ich mir eben noch elfundneunzig Mal ihre Alben an. (Jochen)


Bewertung: 9 / 10

Anzahl der Songs: 10
Spielzeit: 50:47 min
Label: Music.Fear.Satan.
Veröffentlichungstermin: 06.11.2015

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