My Dying Bride - Feel The Misery

mydyingbride feelthemiseryKeiner leidet so schön wie Aaron Stainthorpe und das seit nunmehr 25 Jahren. Keine andere Band vertont die Traurigkeit des Doom mit einer solchen Hingabe wie die britischen Death-Doomer. Aus dem einstigen Dreigestirn von der Insel sind sie diejenigen, die am stärksten in ihren Wurzeln verhaftet blieben und denen deswegen auch der ganz große kommerzielle Erfolg versagt blieb. So sehr die Band an altem festhält, so unstet ist ihr Line-Up, doch beim jüngsten Besetzungswechsel gab es eine Rolle rückwärts. Nachdem Hamish Glencross nach 15 Jahren das Handtuch warf, kam mit Gitarrist Calvin Robertshaw ein Gründungsmitglied zurück. Macht sich diese Neuerung bei MY DYING BRIDE auch auf ihrem neuen Album "Feel The Misery" bemerkbar?

Der Titel könnte schon nicht passender gewählt sein, er drückt die Atmosphäre der Band in wenigen Worten perfekt aus. Dass diese sich auch nur ein Stück weit von ihrem angestammten Sound weg wagt, darf zurecht bezweifelt werden. Nur einmal, mit "34,788% Complete" wagten sich die Briten auf Neuland und sollten dabei scheitern. So wie der Titel es verlautbart, so muten auch die ersten Töne an, voller Melancholie und Schwermut, kein Wunder geht es bei dem Song um Aarons Vater, der zu Beginn des Jahres verstarb. Obwohl die Truppe beileibe keine solche Ereignisse benötigt, um traurige Musik zu komponieren.

"My Father Left Forever" scheint dabei auch ein bisschen melodischer zu sein, als man es zuletzt gewohnt war. Dieser Eindruck wird sich noch im Verlauf der Scheibe bestätigen, die Achse Craighan/Robertshaw scheint an den sechs Saiten besser zu funktionieren als mit Glencross. Ihr Zusammenspiel ist flüssiger und harmonischer, diese Qualität hat man lange vermisst. Auch die Riffstrukturen kommen nicht mehr so grollend rüber, düster sind sie immer noch, waren aber auf den letzten Alben irgendwie zu monoton, hier wirkt die Tristesse majestätischer.
Klassischer Doom scheint in Stücken wie "I Celebrate Your Skin" durch, der auch Emotionen überzeugend rüber bringt. Auch Keyboard und Geige werden viel prominenter eingesetzt, und vor allem mit ihrer ureigenen Schönheit und Romantik, ja "Feel The Misery" spricht wieder den Romantiker unter den Metallern an. Wenn die Geige leise vor sich hin weint, stellen sich die Nackenhaare wie zu besten Zeiten von "Turn Loose The Swans". Ist es eine gewollte Rückbesinnung, hat der Besetzungswechsel damit zu tun, oder ist eine natürlich Entwicklung? Schwer zu sagen, aber das Ergebnis überzeugt.

Überzeugen kann die nunmehr zwölfte Scheibe auch mit einer neu gewonnen Vielfalt, bereits im Opener lassen sirrende Gitarren an schwerfällige PRIMORDIAL denken. Neben neuen Gitarrenakzenten wissen sich auch die Drums viel besser einzubringen, können sich im Gesamtsound bemerkbar machen und dadurch die Songs lebendiger gestalten. Die wuchtigen Fills im Titelsong treiben diesen deutlich voran, an der Unterpräsenz von Mullins´ Schlagzeug litt vor allem das vorangegangene "A Map Of All Our Failures". Das treibendere Element kommt vielen Gitarrenlinien zugute, die mal thrashig oder metallisch riffen dürfen, was die Band noch mehr in ihre Anfangstage zurück bringt.

Auch Stainthorpes Gesang weist eine größere Vielfalt auf, bei den klaren Melodien scheint er selbstbewusster, das Wechselspiel zu klagenden Vocals und den teils sehr tiefen Grunts passt punktgenau. Die Vielschichtigkeit des Albums wird von zwei Nummern manifestiert, welche klar aus dem Rahmen fallen und damit zusätzliche Abwechslung bringen. "A Thorn Of Wisdom" ist sehr wavelastig, kommt mit vielen post-punkigen Klangflächen, welche auch in anderen Songs verwendet werden, und atmosphärischer Tom-Arbeit von Mullins daher. Noch reduzierter geht es bei vom Piano dominierten "I Always Loved You" zu, das als Fortsetzung des legendären "For My Fallen Angel" durchgeht.

Von Beginn an nimmt einen "Feel The Misery" gefangen, von der Stimmung her kommt das ruhigere "For Lies I Sire" am nächsten. Hier können die Songs aber noch mehr überzeugen, weil sie trotz ihrer Länge haften bleiben. Für mich der größte Wurf seit mindestens "The Light At The End Of The World", so viel Spaß hatte ich schon lange nicht mehr mit einem Werk von MY DYING BRIDE. Obwohl die Frage erlaubt sein muss, ob man an dieser Musik überhaupt Spaß haben darf? Doch auch die düstersten Emotionen wollen ausgelebt werden, und wenn sie so wohlige Schauer erzeugen, dann ist das schon ein Grund zur Freude. (Pfälzer)

Bewertung: 8,5 / 10

Anzahl der Songs: 8
Spielzeit: 62:52 min
Label: Peaceville Records
Veröffentlichungstermin: 18.09.2015

Wir benutzen Cookies
Für optimalen Benutzerservice auf dieser Webseite verwenden wir Cookies. Durch die Verwendung unserer Webseite erklären Sie sich mit der Verwendung von Cookies einverstanden