Riverside - Fear, Love And The Time Machine

riverside lovefeartimemachineDie äußerst sympathischen Polen haben sich in den letzten Jahren langsam aber sicher in die Spitze der Progszene vorgearbeitet. Vielleicht wäre bislang noch mehr drin gewesen, wenn man eine konsequentere Veröffentlichungsstrategie befolgt hätte. Doch RIVERSIDE lassen sich Zeit, um schlussendlich immer ein großartiges Produkt vorzulegen. So dauerte es wieder mehr als zweieinhalb Jahre, bis ein neuer Longplayer eingetütet war, dabei gab es sonst keine Veröffentlichungen. Auch Frontmann Mariusz Duda brachte lediglich ein weiteres Album seines Soloprojekts LUNATIC SOUL heraus. Somit ist auch die Gefahr wie PORCUPINE TREE zu enden gebannt, wo sich die Truppe irgendwann zu Gunsten eines Soloabenteuers verflüchtigt zu haben scheint. Jetzt liegt die volle Konzentration wieder bei der Stammformation, die mit „Fear, Love And The Time Machine" ihr sechstes Album veröffentlicht.

Wobei auch hier wieder mit Worten und Zahlen gespielt wurde, der Titel enthält abermals so viele Worte wie man Langeisen auf dem Buckel hat - was machen die erst in zwanzig Jahren. Dafür und für seine intelligenten sehr persönlichen, psychologisch tiefgründigen Lyrics ist Duda bekannt. Beibehalten wurde auch die Marschroute durch das Spannungsfeld zwischen Progressive und New Art Rock, obwohl man ankündigte, die Phasen etwas zu verschieben. Verändert hat sich die Formation schon immer, alleine wegen ihrer weit gesteckten Einflüsse. Ähnlich wie PARADISE LOST in ihrer Frühphase sind alle Elemente stets vorhanden, bekommen aber je nach Produktion eine andere Gewichtung.
Definitiv aus dem Rennen ist beim aktuellen Dreher der klassische Hardrock, welcher die beiden letzten, strafferen Studiowerke geprägt hat, den metallischen Ballast hat man ebenso über Bord geworfen. Eine Rückkehr zu den ätherischeren Klängen der „Reality Dream"-Trilogie darf man aber nur teilweise erwarten. Klar geht man wieder sanfter und konzentrierter zu Werke, dennoch hat sich das Rad weiter gedreht. Als erstes fallen die noch weiter entschlackten, wesentlich offeneren Arrangements auf, die nicht mehr diese tiefe drückende Atmosphäre verströmen. Eine gewisse Leichtigkeit war schon auf dem Vorgänger zu spüren, auch wenn sich die Melancholie über die gesamten Kompositionen legt.
Heuer sind die Lieder vornehmlich von der Akustikgitarre bestimmt, was den Bogen zum Ende der Trilogie, der zweiten Seite von "Rapid Eye Movement" spannt. Auf Ausbrüche wartet man vergebens, mit der Dynamik jonglieren sie zwar weiter, doch RIVERSIDE sind hier noch mehr im Fluss, lassen sich einfach treiben. Da muss auch Gitarrist Pjotr Grudzinski umdenken, vor allem er und Pjotr Kodzieradski treten ein wenig in den Hintergrund, der Drummer ist bei einigen Tracks ganz außen vor. Schwere Riffsalven gibt es natürlich weniger, doch auch die schönen Soli wurden zurück gefahren, nur selten darf er im gefühlvollen Sektor glänzen.

Dieser Glanz schimmert allerdings anders, weniger nach Neo Prog, eher nach späten PINK FLOYD, oder der Übersetzung von CRIPPLED BLACK PHOENIX. Moderner könnte man das nennen, doch eher eine Art Postmodernisierung, wie sie MARILLION zurück gelegt haben, wobei ja die Grenzen des New Artrock und des Post Rock seit jeher fließend waren. Grudzinskis Gitarren flirren mehr, wenn sie elektrifiziert sind, wie in "Caterpillar And The Barbed Wire", tragen so den neuen Sound. Michal Lapaj hat ebenfalls weniger Soundlöcher zu stopfen, lässt seine Orgel nicht mehr dröhnen, darf aber ein paar wunderbare Analogsynthesizersoli zelebrieren. Damit gerät das Klangbild, wärmer, organischer, macht die Polen immer greifbarer, die introvertierte Barriere bröckelt, vielleicht hält man sich deswegen so zurück, um nicht die Distanz weiter zu verringern.

Was schon auf "Shrine Of New Generation Slaves" durchschimmerte war ein Loslösen von den anfangs präsenten Einflüssen, nun hat man die eigenen Trademarks noch stärker in den Vordergrund gestellt. Wo früher Psychedelic - und Ethnoanleihen für Weite sorgten, bringen die aufgeräumteren Strukturen die Melodien viel besser zur Geltung. Die wunderschöne Stimme von Mariusz Duda erhält hier endlich den Raum, den sie braucht, schon beim Opener "Lost (Why Should I Be Frightened By A Hat?)" brilliert er mit seiner bislang besten Gesangsleistung. Und so eine betörende Schönheit wie in "Towards The Blue Horizon" suchte an seit "In My Times Of Need" von OPETH vergeblich.
Dazu kommt sein unverkennbares, trockenes Bassspiel, welches erneut prominent heraus gemischt wurde. Gerade nach dem Tod vom Chris Squire braucht die progressive Szene wieder Viersaiter, die heraus zu hören sind und Akzente setzen. Mit derart ausgeprägten Charakteristika ist ein Act schon nach den ersten Takten wieder zu erkennen, egal wie sie das Mischungsverhältnis ihrer Klangzutaten ansetzen. Die Vier wachsen sogar immer mehr zu einer völlig eigenständigen Band, in dem Maße, wie sie sich entwickeln. Diesen Weg gehen RIVERSIDE schon seit Beginn an, ein Weg, der das Ziel ist, dass sie vielleicht schon erreicht haben und dennoch weiter streben. Eine Ausnahmeband! (Pfälzer)

Bewertung: 9 / 10

Anzahl der Songs: 10
Spielzeit: 60:42 min
Label: Inside Out
Veröffentlichungstermin: 04.09.2015

Kategorie: CD-Reviews