thegentlestorm thediaryVorab: „The Diary" ist ein Paradebeispiel dafür, dass die Bewertung und die Beurteilung von Musik tatsächlich relativ und bei aller gewünschten Objektivität zumeist ein Stück weit von persönlichen Gegebenheiten und Befindlichkeiten abhängig ist. Ich kann auf jeden Fall jeden verstehen, der dieses Doppelalbum für eine überladene und überwiegend belanglos-kitschige Produktion hält, ich kann aber auch jeden verstehen, der „The Diary" liebt, vor allem weil Anneke van Giersbergen so schön singt wie eh und je.

Das Konzept hinter THE GENTLE STORM ist jedenfalls vom Grundsatz her interessant, nicht nur weil Arjen Lucassen und Anneke van Giersbergen hier erstmals außerhalb von AYREON abend- und albumfüllend zusammenarbeiten, sondern auch weil Arjen ein Konzept aufgreift, welches an das Prozedere bei „Flight Of The Migrator" und „The Dream Sequencer" (beides AYREON Alben, die am gleichen Tag veröffentlicht worden sind) erinnert. Erstgenanntes Album war 2000 das Metalalbum mit Gastsängern wie Bruce Dickinson, Russell Allen oder Ralf Scheepers, zweitgenanntes das deutlich ruhigere und atmosphärische mit Gastsängern wie Neal Morse, Damian Wilson oder Johan Edlund.
Das Projekt THE GENTLE STORM knüpft hieran an, denn von den 11 Songs gibt es jeweils eine „Gentle Version " und eine „Storm Version"; die Gesamtspielzeit beträgt dadurch fast 2 Stunden. Und wie eingangs erwähnt ist das nun Geschmacksache, ob man wirklich von ein und demselben Song zwei unterschiedliche Versionen benötigt.

Wenn solch begnadete Musiker miteinander arbeiten, sollte doch eigentlich nichts schief gehen...oder doch? Der Erstkontakt mit „The Diary" lässt bei mir jedenfalls Zweifel aufkommen, denn es fällt direkt auf, dass das Songmaterial zuweilen unspektakulär ist und da die Unterschiede zwischen der ruhigen A-Seite und der rockigen B-Seite teilweise gar nicht so groß sind, muss man schon die Frage aufwerfen, ob dieses Konzept in dieser Art sinnvoll ist. Die beiden Protagonisten machen sich das Leben dadurch nicht unbedingt leichter, denn auch wenn Anneke van Giersbergen auf den vorliegenden Songs fantastisch singt und auch die Produktion von Arjen Lucassen hier einwandfrei ist, finden sich unter den 11 Stücken ein paar, die nicht zu den kompositorischen Glanzlichtern des niederländischen Hünen gehören, und die hat man dann sogar doppelt. Insbesondere „The Moment" und „New Horizons" finde ich recht unspektakulär.

Umgekehrt ist es dann so, dass die wirklich guten Songs, die sich überwiegend in der ersten Albumhälfte befinden, dann in beiden Varianten funktionieren, wobei die ruhige Version zumeist dann doch einen Tick besser ist, weil die Instrumente und die gewünschte Stimmung besser rüberkommen. Da „The Diary" auf einer „Lovestory" beruht, die sich im 17. Jahrhundert abspielt, sollte man als Hörer auf jeden Fall ein gewisses Faible für romantische Texte und dezent kitschige Arrangements mitbringen. Selbst die „Storm Versionen" bewegen sich lediglich in einem normalen, gut zugänglichen Rockformat, und sind von Heavy Metal ein ganzes Stück entfernt. Wie eingangs gesagt, ein interessantes Konzept, das Arjen Lucassen vielleicht mit etwas wenig Mut zum Risiko umgesetzt hat, spannend wird sein wie das Ganze live funktionieren wird, welche Songs in der ruhigen und welche in der deftigen Fassung serviert werden.

Ich habe im Laufe der Zeit, entgegen der anfänglichen Skepsis, „The Diary" schätzen gelernt, verglichen mit den AYREON Großtaten wie „Into The Electric Castle" oder „The Human Equation" ist vorliegendes doppelstöckiges Konzeptalbum aber nur ein laues Lüftchen auf hoher See, vielleicht auch einfach nur ein Übergangsalbum für Arjen Lucassen, bis er uns hoffentlich demnächst mit einem weiteren AYREON Werk von den Sitzen reißen und in Verzückung versetzen wird. (Maik)


Bewertung: 7,5 / 10

Anzahl der Songs: 22
Spielzeit: 113:59 min
Label: Inside Out Music
Veröffentlichungstermin: 20.03.2015

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