RPWL - Wanted

rpwl wantedEs ist gerade zwei Jahre her, dass die Freisinger mit "Beyond Man And Time" ihr Opus Magnum veröffentlicht haben. Das Konzeptalbum über die Thesen von Friedrich Nietzsche zeigte die Band in Hochform und kam bei Fans und Kritik gut an. Dieses Privileg haben RPWL schon seit ihrem Debüt "God Has Failed" und bislang konnten sie stets einen drauf setzen. Nur war der Vorgänger sowohl musikalisch als auch lyrisch derartig ausufernd, dass dies schwierig erscheint. Deutschlands Art Rock-Vorzeigeband wartet nun auf "Wanted" überraschend früh mit einem ebensolchen philosophisch tiefgreifenden Thema auf.

Hier dreht sich alles um die totale Befreiung des Geistes basierend auf den Arbeiten des Hippokrates, die von Giuseppe Garibaldi in einer Schriftrolle Platons gefunden wurden. Dieses Mal hat sich die Band sogar selbst als Protagonist in die Storyline mit eingebaut. Die totale Befreiung, die Loslösung von allen Dogmen und Regeln bringt auch einige Risiken mit sich. Denn damit tritt man auch den Gralshütern gehörig auf den Schlips und so sparen die Texte nicht mit Religionskritik, einem durchaus aktuellen, oder soll ich besser sagen ewigen Thema.

So wie man vom lyrischen Ansatz her den Weg des Vorgängers weiter verfolgt, so knüpfen RPWL auch musikalisch direkt dort an. Der darauf eingeschlagene Weg hin zur Verwendung härterer und deftigerer Riffstrukturen wird hier ausgebaut. Das Schlagzeug nimmt sich noch mehr zurück, alles ist etwas spartanischer arrangiert, zudem sind die cleveren elektronischen Rhythmuscollagen auch wieder vorhanden. Dadurch wirken die Gitarren noch härter, fast schroff und beherrschen oft alleine die Szenerie. Auf die Art funktionieren auch die akustischen Parts, nur mit umgekehrtem Effekt, die Reduziertheit tönt nach Singer/Songwriter.
Wenn sich die Songs dann zu den gewohnt flächigen, weiten Refrains öffnen, entsteht ein noch größerer Kontrast, der fast dissonant rüber kommt. Auch der Sound ist nicht mehr so warm, „Wanted" setzt erstaunlich wenig auf Wohlklang, sondern ist ein bisschen unterkühlter. Das liegt auch am Bassspiel von Werner Taus, das die Stimmung nicht mehr so weich und voluminös unterstützt, sondern kantiger abgemischt ist. Die vier Saiten klingen dominanter, übernehmen auch mal die Führungsrolle, und werden ähnlich wie bei RIVERSIDE eingesetzt.

Die einstigen PINK FLOYD-Legaten wagen sich von der traditionellen Genreauslegung immer mehr ins New Artrock-Terrain. Besonders dann, wenn eben dieser rauere Input von Kalle Wallner auf seine schönen, flirrenden Gitarrenflächen trifft. Doch ihre Hauptinspirationsquelle können die nunmehr als Quintett agierenden Musiker nicht abschütteln. Vor allem im etwas ruhigeren zweiten Teil des Longplayers tauchen immer wieder Anklänge an die Überväter auf. Mit dem klassischen Prog hatten RPWL dagegen nie viel am Hut, nur gelegentlich schielen sie in diese Richtung. Dann etwa, wenn die Hammond zu dezent jazzigen Breaks wie DEEP PURPLE in Glanzzeiten rocken darf.

Ihre Stärken lagen schon immer im Spiel mit den Stimmungen, im Aufbauen der Dynamik. Die Atmosphäre steht immer im Vordergrund und nicht zahlreiche Tempowechsel. Hier ist die Veränderung eher gemächlich und nachvollziehbarer, die Herren waren schon immer Meister darin im Laufe eines Songs die gleich bleibenden Themen in Strophe und Refrain geschickt zu variieren. Da wird einfach ein wenig anders arrangiert oder auch die Instrumentierung geändert, ohne dass die Melodie ihren Wiedererkennungswert verliert.
Selbst ungewöhnliches Instrumentarium findet den Weg in die Lieder, seien es die Voicebox oder Wah-Wah-Effekte, wenn plötzlich bluesige Versatzstücke hervor gezaubert werden. So erschaffen die Fünf eine große Detailfülle, welche die Titel sehr interessant gestaltet. Details, die sich der Hörer nicht erst erarbeiten muss, sondern, die ihm zugeflogen kommen. Denn die Titel würden auch geradliniger funktionieren, da man aber immer wieder Neues entdeckt, bekommen sie eine außerordentliche Langzeitwirkung.

Und bei all diesen scheinbaren Gegensätzen, diesen vielen kleinen Einsprengseln, klingt „Wanted" dennoch wie aus einem Guss. Auch die Soli bei den Longtracks fügen sich nahtlos in das dichte Soundgebilde ein. Yogi Lang und Markus Jehle haben speziell an den analogen Tasten wie Mellotron oder Moog ein paar wahre Kleinode geschaffen. Diese stützen ebenso wie die Vocodersounds, die Langs Vocals wie ein weiteres Instrument einsetzen, die Bildsprache, welche das Konzept trägt.
Die Bayern unternehmen nur kleine Schritte im stilistischen Wandel, so ist dieses Werk auch die logische Fortführung von „Beyond Man And Time" und ein würdiger Nachfolger. Durch die Dichte kann es innerhalb des Kosmos von RPWL seinen eigenen Charakter entfalten. Das ist große progressive Kompositionskunst. (Pfälzer)

Bewertung: 8,5 / 10

Anzahl der Songs: 10
Spielzeit: 61:31 min
Label: Gentle Art Of Music/Soulfood
Veröffentlichungstermin: 14.03.2014

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