empyrium theturnofthetides preEine passende Location für die Pre-Listening Session hatten sie sich da ausgesucht, die Herren und Damen von Prophecy: Hoch oben, in der Kuppel der Heiligkreuzkirche in Berlin-Kreuzberg, fand man sich ein, um dem kommenden EMPYRIUM-Album „The Turn Of The Tides“ zu lauschen. Oft schon angekündigt, soll dieses Anfang 2014 nun endlich erscheinen.

Lange genug hat es ja gedauert: „Weiland“, das letzte Album, erschien bereits 2002. Zwischenzeitlich lag die Band auf Eis, bis man sich 2010 wieder zusammenfand und bald auch schon in Form eines Beitrags zum Neofolk-Sampler „Whom The Moon A Nightsong Sings“ erstes neues Material veröffentlichte.

Die Erwartungshaltung unter den anwesenden Pressevertretern war hoch, das war deutlich zu spüren, gelten doch zumindest die letzten drei Alben im Neofolk- und (Post-) Black Metal-Bereich als stilprägend. Die Band selbst konnte leider nicht anwesend sein, da es beim Soundcheck für das sich an das Pre-Listening anschließende Konzert Verzögerungen gab. Schade, ich hätte einige Fragen an sie gehabt.

Zum Album selbst: Es ist grob in zwei Hälften aufgeteilt. Der erste Teil besteht aus den ersten vier Stücken, die einen Zyklus bilden, der – in dieser Reihenfolge – die vier Jahreszeiten Herbst, Winter, Frühling und Sommer abdeckt. Die restlichen drei Stücke bilden den zweiten Teil, der sich dem Thema Vergänglichkeit widmet. Aufgenommen wurde „The Turn Of The Tides“ selbstverständlich im Studio E. Entsprechend gibt’s am Sound und an der Produktion nichts zu meckern.

Mit einem Piano-Intro beginnen das Album und das erste Stück („Saviour“) und man vermutet schon eine stilistische Fortsetzung von „Weiland“. Doch diese Erwartung wird schon nach wenigen Sekunden von einem bombastischen Orchester-Einsatz zerbröselt (das allerdings nur vom Synthesizer kommt – außer Schwadorf und Helm waren keine anderen Musiker an den Aufnahmen beteiligt). Neofolk ist das ganz sicher nicht mehr. Im Mittelteil wird der Song wieder etwas ruhiger, um sich dann nach und nach zu einem wiederum bombastischen Ende zu steigern.

„Dead Winter Ways“ dürfte Fans bereits von der in diesem Jahr erschienenen Live-CD/DVD bekannt sein. Allerspätestens bei diesem Stück wird die Abkehr vom Neofolk-Stil der letzten beiden Alben offenkundig. Wenn überhaupt orientieren sich EMPYRIUM eher am Stil von „Songs Of Moors And Misty Fields“ – allerdings in der instrumentalen Palette um einige Facetten erweitert (Orgel, Harfe, Holzbläser, Streicher – alles vom Synthesizer).

„In The Gutter Of This Spring“ bleibt diesem Stil treu. Cello und Streicher beginnen den Song, dann setzt ein trip-hoppiger Beat ein, was Puristen vielleicht etwas stören könnte, andererseits aber auch nicht so wahnsinnig überraschend ist, wenn man mit Schwadorfs früherem Black Metal-Projekt SUN OF THE SLEEPLESS vertraut ist. Ein deutlich modernisierter Sound also, der aber dennoch viele der früheren Elemente beibehält, die der Musik EMPYRIUMs zu ihrem hohen Wiedererkennungswert verhelfen, wie zum Beispiel die klassisch gespielten Akustik-Gitarren oder Helms Opern-Gesang.

„The Days Before The Fall“ ist bereits von dem im Jahre 2010 veröffentlichten Neofolk-Sampler „Whom The Moon A Nightsong Sings“ bekannt. Bei diesem Stück ist nun zum ersten und einzigen Mal auf dem Album Schwadorf als Lead-Vocalist zu hören. Es beendet den vierteiligen Zyklus, der den ersten Teil des Albums bildet.

„We Are Alone“, der kürzeste Track auf dem Album, ist ein Piano-Stück mit Gesang von Helm, das als Brücke zwischen dem ersten und dem zweiten Teil des Albums dient, und den „Vier Jahreszeiten“-Zyklus inhaltlich zusammenfasst.

„With The Current Into The Grey“ ist in meinen Ohren das Stück, das die neuen EMPYRIUM stilistisch und philosophisch am besten repräsentiert: Bei diesem Stück befasst die Band sich mit der spirituellen Entfremdung zwischen zwei Menschen durch das Altern und durch unterschiedliche persönliche Entwicklung, und dem damit einhergehenden Verlust. Und das ist auch die unterschwellige Stimmung, die dieses Album durchzieht: Das Alte ist unwiederbringlich vergangen – auch die alten EMPYRIUM – und es hätte keinen Sinn, zu versuchen, die Zeit zurückzudrehen. Die schwelgerische Verträumtheit von „A Wintersunset…“, der Sturm und Drang von „Songs Of Moors And Misty Fields“ und die fragile, introvertierte Naturbezauberung der letzten beiden Alben sind Vergangenheit, und an ihre Stelle ist ein deutlich gereifter, gesetzterer Stil einer gereiften Band getreten, die weder sich selbst noch sonst irgendjemandem noch irgendetwas beweisen muss. Der Sound ist voller, die Instrumentalisierung breitgefächerter, stilistisch gibt es weniger Ecken und Kanten, aber die Essenz ist die gleiche geblieben wie auf allen vorherigen Alben.

Mit Brandungsrauschen beendet das Titelstück „The Turn of the Tides“ das Album nach rund 45 Minuten. Das Stück reflektiert eine innere Ruhe und ein Einverstandensein mit dem, was ist – und nicht mehr ist und bildet einen sehr passenden Abschluss des Albums.

Als Fazit bleibt festzustellen, dass Fans sich auf jeden Fall auf ein sehr solides und ehrliches Comeback-Album freuen dürfen. Wie oben beschrieben haben EMPYRIUM sich stilistisch und instrumental weiterentwickelt, sind sich selbst aber auf jeden Fall treu geblieben. Das Album ist kein radikaler Kehraus, wie man ihn nach einer so langen Pause vielleicht erwarten würde. Auch ist es keine Fortsetzung von „Weiland“. Vielmehr verwebt die Band alles, was ihre bisherigen Alben ausmacht mit neuen Elementen, die den persönlichen und künstlerischen Entwicklungstand der Musiker reflektieren. Manch einem wird das Album vielleicht etwas zu bombastisch, schwelgerisch und gesetzt sein. In meinen Ohren übertreiben sie es damit aber nicht und wer „The Days Before The Fall“ schon mochte, wird von „The Turn Of The Tides“ nicht enttäuscht sein.


Tracklist:
Saviour
Dead Winter Ways
In the Gutter of This Spring
The Days Before the Fall
We Are Alone
With the Current Into the Grey
The Turn of the Tides

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