Simeon Soul Charger - Harmony Square

simeonsoulcharger_harmonysquarenb-nackenschonerSIMEON SOUL CHARGER stammen ursprünglich aus Akron in Ohio, leben aber seit rund anderthalb Jahren auf einem Bauernhof in der Nähe von Freising in Bayern. Wie das kommt, ist eine andere Geschichte, und das könnt ihr hier nachlesen. Aber irgendwie ist das ja schonmal seltsam. Und irgendwie seltsam ist auch die Musik der Band. Wenn man zum ersten Mal mit dem Vierer in Kontakt kommt, dann ist man doch etwas verwundert, ob dem, was da auf einen einprasselt. Hat man sich aber von diesem ersten Schock erholt, dann geht einem ziemlich schnell ein Licht auf, wie genial die Musik der Amis eigentlich ist.


Und so braucht auch ihre neueste Scheibe, „Harmony Square“, definitiv mehrere Durchläufe, bis man dieses Werk in seiner Gänze erfasst hat. Da kann man selbst im x-ten Durchlauf immer noch etwas neues entdecken. Beim ersten Hören wird man von der Vielzahl der Eindrücke und Töne fast erschlagen, aber davon sollte man sich nicht abschrecken lassen. „Harmony Square“ ist auf jeden Fall diese Durchläufe wert.

Textlich handelt es sich hier um ein Konzeptalbum, das von dem fiktiven Ort Babylon Grove handelt, in dem die Bewohner vordergründig glücklich sind, doch es stellt sich ziemlich schnell heraus, daß sie mit allerhand Pillen ruhiggestellt werden und daß auch sonst so einiges ganz und gar nicht nett dort abläuft und man Ehrlichkeit vergeblich sucht. Und man sollte sich wirklich die Mühe machen, die Texte im Booklet einmal mitzulesen. Denn „Harmony Square“ ist ein sehr textlastiges Album. Die Geschichte des Konzeptes wird in Form von Balladen (und zwar im ursprünglichen Sinn des Wortes) erzählt, so daß die Songs weitgehend ohne Refrains auskommen, was für manch einen Hörer doch ungewohnt ist. Dennoch gehen die Songs ins Ohr, als eingängig kann man sie aber auf keinen Fall bezeichnen. Die einzelnen Songs gehen dabei nahtlos ineinander über, so daß der Eindruck eines einzigen langen Stückes entsteht, das die Erzählungen musikalisch begleitet.

Auch das Coverartwork steht symbolisch für Musik und Texte, die sich erst bei genauerer Betrachtung erschließen. So wie die Musik fast schon fröhlich klingt, so präsentiert sich auch das Cover in knallig bunten Farben. Doch bei genauerer Betrachtung zeigt sich, daß hier ein Totenkopf dargestellt ist, und der gilt im Allgemeinen ja nicht gerade als Symbol für ausgelassene Fröhlichkeit. Und genauso berichten auch die Texte des Albums von Unterdrückung und Ausnutzung. Harte Gesellschaftskritik gekleidet in ein Gewand wunderschöner Poesie. Und schaut man sich das Cover noch genauer an, so kann man dort auch den Harmony Square entdecken, um den sich die Häuser von Babylon Grove gruppieren, man sieht seine Bewohner, das Schloß des Königs und eine Person im Zentrum des Geschehens (und spätestens hier wünscht man sich das Album im LP-Format, damit man besser gucken kann).

Und genauso versteckt sich sowohl in der Musik, als auch in den Texten so manche Feinheit. Und hier muß ich gestehen, daß ich ein großer Fan von Aaron Brooks' Art zu schreiben bin. Mal ganz abgesehen von der Art, wie er mit sanfter Stimme und scharfer Zunge Gesellschaftskritik in wunderschöne Poesie kleidet. Ich liebe es, wie er mit Worten spielt und sie zu einem interessanten Bild zusammensetzt, das nicht immer auf den ersten Blick offenbart was es darstellt. Hier findet man eine ausgefeilte Lyrik wie man sie in der Musik heutzutage immer seltener findet. In Aarons Texten liegt soviel Spitzzüngigkeit, liegen so viele versteckte Hinweise und Andeutungen, daß es einfach nur Spaß macht, diese Texte nicht nur zu hören, sondern auch zu lesen. Ja, es macht einfach Spaß, in Musik und Texte einzutauchen und all diese Details und Facetten zu entdecken. Und da es sich hier  um ein Konzeptalbum handelt, bietet es sich ja auch an, bzw. kann ich jedem nur empfehlen, auch mal einen Blick in das reich bebilderte Booklet zu werfen. Alleine die Texte sind schon so großartig, daß ich SIMEON SOUL CHARGER einfach nur gut finden kann (und mit einer unheimlich guten Stimme ist der Kerl auch noch gesegnet).

Aber auch die Musik des Vierers ist etwas ganz besonders. Und wahnsinnig schwer zu beschreiben. Ich kann jetzt schreiben, daß SIMEON SOUL CHARGER ungefähr so klingen (also eigentlich kommt es dem ziemlich nahe – denke ich), als würde man all meine mehr oder weniger dubiosen Lieblingsbands von den 60ern bis heute nehmen, in einen großen Pott werfen, einmal gut umrühren und fertig. Da hier aber nicht jeder weiß, wer meine Lieblingsbands sind, geht das ja nicht. Puh, also, wie beschreibe ich das jetzt?  Am auffälligsten bei „Harmony Square“ sind auf jeden Fall die BEATLES-Anleihen, während  die NIRVANA-Schlagseite, die auf „Meet Me In The Afterlife“ noch ziemlich deutlich war, zum größten Teil verschwunden ist (ja, wenn man das so liest, dann glaubt man, daß das doch unmöglich funktionieren kann. Aber das tut es).

Ich weiß nicht, ob man mit der Musik der 60er und 70er Jahre aufgewachsen sein muß, um SIMEON SOUL CHARGER gut zu finden. Ich finde es jedenfalls sehr schön, auch mal wieder solche Klänge zu vernehmen (und das ganze auch noch vermischt mit meinem geliebten Metal) und mir gefällt vor allem der warme, organische Klang, der sich positiv vom kalten, klinischen Sound der meisten heutigen Aufnahmen abhebt (wobei ja allgemein in der letzten Zeit ein Trend zurück zu organischen Sounds, zumindest im Rock- und Metalbereich, festzustellen ist). Dabei klingt der Vierer nicht retro, nicht aufgesetzt, sondern wie aus dieser Zeit entsprungen. Man spürt einfach, daß dies der Sound ist, der aus der Band heraus kommt. Dazu trägt sicher auch die Tatsache bei, daß „Harmony Square“ teilweise live eingespielt wurde. Und man spürt bei jeder Note die Freude der Band an dem, was sie da tut.

Der Sound von SIMEON SOUL CHARGER klingt vertraut und doch neu, irgendwie schon oft gehört und doch erfrischend und unverbraucht. Am deutlichsten hört man diverse Bands der 60er und 70er Jahre heraus. „Harmony Square“ wurde komplett analog aufgenommen und das kommt dem Sound der Band sehr zugute. Ein wunderbar erdiger,  organischer Sound ist so entstanden, der der Musik schmeichelt. Dabei orientiert man sich vor allem am Psychedelic Rock der 70er, der eigentlich überall durchschimmert.  Vielleicht sollte man die Musik des Vierers auch als progressiv bezeichnen, aber auch das trifft es nicht wirklich, denn SIMON SOUL CHARGER setzen sich einfach über alle Grenzen hinweg. Die Band versteht es, all diese Einflüsse aus unterschiedlichsten Musikrichtungen (Rock, Punk, Metal, Pop,...) in perfekter Harmonie miteinander zu verbinden und dabei ganz natürlich zu klingen.

Dabei kann man auch beobachten, daß „Harmony Square“ im Vergleich zum Vorgängeralbum „Meet Me In The Afterlife“ und besonders zu den beiden EPs eher soft und weniger rockig ausgefallen ist. Insbesondere wenn man das Album mit Songs wie „Coffin Party“ vergleicht, kann man da doch einen großen Unterschied ausmachen. Aber das stört mich ehrlich gesagt überhaupt nicht. Und wer genau hinhört, der kann auch auf „Harmony Square“ einen gewissen Härtegrade entdecken. Und um fabelhafte Musiker, die ihre Instrumente wirklich beherrschen, handelt es sich bei den vier Jungs aus Akron sowieso. Neben den in einer Rockband üblichen Instrumenten verwenden SIMEON SOUL CHARGER ja schon immer gerne dubiose Rhythmusinstrumente (Propangastank, mit Nägeln gefüllte Eimer, Waschbretter und was das Leben sonst so hergibt). Auf „Harmony Square“ erhalten die Amerikaner aber auch noch deutsche Unterstützung in Form von Violinen, Cello, Harmonica, Querflöte und anderem. Und ja, auch das alles paßt perfekt in den Sound der Band.

Zugegeben, es klingt manchmal schon etwas schräg, fast atonal, aber es paßt eben einfach. Für mich gehört dieses Album auf jeden Fall zu den Topalben den Jahres. Und obwohl mir das Album in seiner Gänze sehr gefällt, will ich dann doch noch meine Lieblingssongs als Anspielttips herausstellen: Die beiden extrem an die BEATLES erinnernden „Babylon Groove“ und "All's Fair In Harmony Square", „Miss Donce“, zu dem die Band auch ein Video gedreht hat, „The Changing Wind And Reign“, das ganz im Gegensatz zu seinem Text ruhig und sanft daherkommt um dann doch noch mächtig und rockig zu werden (außerdem mag ich das ANIMALS-Zitat) oder das ebenfalls rockige, zu Beginn recht eingänge, dann aber doch etwas strange „The Advent Of Awakening“. Ja, ich liebe dieses Album. (Anne)


Bewertung: 9 / 10

Anzahl der Songs: 15
Spielzeit: 67:29 min
Label: Gentle Art Of Music/Soulfood
Veröffentlichungstermin: 14.09.2012

Wir benutzen Cookies
Für optimalen Benutzerservice auf dieser Webseite verwenden wir Cookies. Durch die Verwendung unserer Webseite erklären Sie sich mit der Verwendung von Cookies einverstanden