anthrax_worshipmusicEine wahre Provinzposse fand in den letzten Jahren inmitten des Big Apple statt, was ANTHRAX da ablieferten war schon Seifenopernreif. Dabei fing es ganz harmlos an, Frank Bello war nach 20 Jahren kaum draußen wurde er auch schon wieder für die Reunion im 80er-Line-Up zurückbeordert. Ob die nötig gewesen wäre darüber kann man streiten, auch wenn Gigs nur mit Klassikern gefüllt durchaus reizvoll waren. Andererseits lief es bei den Mosh-Kings, mit „We´ve Come For You All" lieferte man das beste Album seit zehn Jahren ab und auch die Greatest Hits-Bearbeitung „The Greater Of Two Evils" kam an. Wäre vielleicht auch gut gegangen wenn man es beim Projekt-Charakter belassen hätte.
Doch dann dauerte diese Tour über ein Jahr, zuviel für Sänger John Bush, der keine Lust mehr hatte, obwohl er noch öfter aushalf und stattdessen wieder mit ARMORED SAINT anbandelte. Nun war man gezwungen in der neuen, alten Besetzung weiter zu machen, was aber nach dem Ausstieg von Gitarrist Dan Spitz wieder hinfällig war. Als man sich dann auch noch von Joey Belladonna trennte war das Chaos perfekt, weil man ohne Frontmann neues Material an den Start bringen musste.
Da zauberte man den völlig unbekannten Dan Nelson aus dem Hut, der „Worship Music" einsang, von Mitgliedern der Redaktion schon live bewundert wurde und urplötzlich während dieser Tournee buchstäblich auf der Strasse saß. Dass man es nun ein drittes Mal mit Belladonna versucht muss man eigentlich als Zweckgemeinschaft einordnen. Was man nun von der Scheibe, mit der man fast nicht mehr gerechnet hat erwarten kann, lest ihr hier.

Nach einem kurzen düsteren Intro geht es mit „Earth On Hell" richtig zur Sache, Blastbeats bei ANTHRAX schocken dann auch die Härtesten, machen sich aber gut. Ansonsten dürfen hier die alten Fans frohlocken, eine direkte, schnelle Thrashkeule mitten ins Old-School-Herz. Mit thrashigen Vibes geht es auch beim folgenden „The Devil You Know" weiter, wenn auch im Tempo gezügelt. Im recht melodischen Chorus schielt man dann eher in die rockige Richtung des Vorgängerwerkes.
Überhaupt sind solche eingängigen Refrains, bei denen der gute Joey seine AOR-geschulte Stimme gut einzusetzen weiß typisch für „Worship Music". Bestes Beispiel das folgende „Fight ´Em ´Til You Can´t", das schon länger bekannt ist. Eigentlich eine Thrash-Granate wie man sie auch auf „Among The Living" hätte finden können, bis auf eben jene Hooklines. Auch sonst alles da, Benantes Kessel-Rühren, der charakteristische Bass von Bello, Gang-Shouts, so hätte sich mancher das ganze Album gewünscht.

Aber da das Leben nun mal weder Wunschkonzert noch Ponyhof ist, muss man sich ab Seite B der Vinylversion auch mit alternativen Anklängen der 90er-Ära anfreunden. „I´m Alive" beginnt ruhig, steigert sich dann zu einem schweren Rocker, der in der Art hätte auch von SOUNDGARDEN stammen können. Das liegt nicht zuletzt an den Vocals, bei denen die „Notlösung" deutlich macht, dass er in der ganzen Zeit viel an seiner Stimme gearbeitet hat. Beim stilistisch ähnlichen „Crawl" bewegt er sich in recht tiefen Lagen und kommt so den Grunge-Ikonen noch näher. Mit breitbeinigen Riffs kann auch „Constant" aufwarten, wobei im Mittelteil nicht zum einzigen Mal auf dem Dreher Erinnerungen an „Persistence Of Time" wach werden.

„The Giant" ist zwar eindeutig wieder mehr Thrash, bringt aber vor allem in den Strophen die Experimentierfreude der frühen 90er zurück. Richtig gemosht werden darf dann gegen Ende noch einmal beim rüden „Revolution Screams". Ebenfalls reichlich abgefahren ist „Judas Priest" das mit den Metal-Göttern kaum etwas gemeinsam hat. Hier wird von traditionellen Metal-Zitaten über klassische ANTHRAX und modernen Ideen ziemlich alles verwurstet was jemals unter dem Banner der New Yorker veröffentlicht wurde.
Dies kann man als Zeichen einer etwaigen Orientierungslosigkeit werten, doch es ist gerade die REFUSED-Coverversion, die zeigt, dass die Jungs nichts von ihrem Mut verloren haben. Modern wie auch die ganze Produktion knallt mit „New Noise" auch plötzlich New Metal. Sicherlich merkt man es der Scheibe an, dass sie nicht auf einen bestimmten Sänger zugeschnitten wurde. Doch die bereits erwähnte starke Gesangsleistung hält alles zusammen, bewahrt vor der Zerrissenheit.

Egal in welche Richtung das Pendel ausschlägt, alles klingt zu einhundert Prozent nach ANTHRAX. Und das ist unter den Umständen schon eine Leistung, was auch die Reife der Truppe wieder spiegelt. Spaß macht „Worship Music" auf alle Fälle, auch wenn es nicht permanent auf die Glocke gibt kann man wunderbar dazu abfahren. Absolute Überflieger sucht man zwar vergeblich, der ganz große Reißer fehlt, aber das Niveau ist konstant hoch und kann sich gegen die Konkurrenz behaupten.
Die Band festigt damit ihren Status und findet jetzt hoffentlich ihre Ruhe. Warum man sich vor 20 Jahren überhaupt von Belladonna trennte wird mit diesem Album noch unverständlicher. Es stellt genau das Bindeglied zwischen „Persistence Of Time" und Sounds Of White Noise" dar, und die wäre zumindest stimmlich mit dem aktuellen Fronter nicht unmöglich gewesen. (Pfälzer)

Bewertung: 8 / 10

Anzahl der Songs: 12
Spielzeit: 55:57 min
Label: Nuclear Blast
Veröffentlichungstermin: 16.09.2011

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