Simple Existenz –- Das Leben Vor Dem Tod

simpleexistenz_dlvdt.jpgErinnert sich eigentlich noch jemand an NAGELFAR? Ja genau, das war eine der wenigen Black Metal Bands aus deutschen Landen gewesen, die wirklich revolutionäre Musik machten. Aber wie fast jede legendäre Band gab es diverse persönliche Gründe, welche die Auflösung der Kombo zur Folge hatten. Seit 2002 ist NAGELFAR nicht mehr unter uns, wohl aber die Musiker. Der Gitarrist genau dieser Band (Künstlername: Zorn) ist es nämlich, der uns mit emotionalem und finsterem Dark Metal begeistern möchte. SIMPLE EXISTENZ ist der Name des Projektes, das am 12.03.10 ein erstes ernstzunehmendes Lebenszeichen von sich geben wird.

Dark Metal ist ja insgeheim der kleine Bruder von experimentellem, doomigem Black Metal, bei dem nicht immer nur gekreischt wird. Genau das ist es nämlich, was SIMPLE EXISTENZ zu bieten hat. Dabei wird wirklich bei jedem Lied geachtet, einen neuen experimentellen Bestandteil zu integrieren. Das geht von Akustikgitarrenparts über fast schon technoartige Synthesizerpassagen bis hin zu einem Mix aus hellem Frauengesang, tiefer Männerstimme und kehlkopfvernichtendem Gekreische. Sogar die Gitarrenriffs können als Produkt kreativer Experimentiersessions aufgefasst werden, denn manche sind irgendwie marschartig treibend, andere maximalistische Gitarrenläufe, die melodisch so harmonierend sind, dass es eine wahre Ohrenfreude ist. Auf diesem Gebiet ist der seit gut 17 Jahren bei mehreren verschiedenen Bands aktive Gitarrrist Zorn einfach der Meister seines Faches.

Die Texte sind alle auf Deutsch gehalten, was mir prinzipiell sehr gut gefällt. Es ist einfach eine Sprache, aus der man sehr viel herausholen kann, wenn man sie richtig einsetzt (will sagen: auf Englisch klingt eigentlich alles passabel). Dass dazu auch viel Mut gehört, dürfte klar sein, denn die Gefahr, sich durch seine muttersprachlichen Texte bis ins lächerliche bloßzustellen ist einfach sehr groß – ebenso wie die Gefahr, einfach nicht gut gedichtet zu haben. Gerne spricht man dann von Gossenpoesie und – mit Verlaub - das trifft es in der Regel auf den Punkt. Zorn selbst schreibt über seine Texte, sie haben Aussagen, die der ein oder andere Geist erkennen mag. Dazu noch ließ er sich nach eigenen Angaben nicht von Klischees leiten. Diese zwei Aussagen sind nicht wirklich stichhaltig, oder? Das kann ja jeder Künstler über seine Texte sagen. Aber das sei mal dahingestellt. Es handelt sich auf jeden Fall nicht um Gossenpoesie, denn die lyrischen Qualitäten der gesungenen Verse sind nicht zu überhören. Mich erinnern die Texte zwar durchweg an Gruftie Band wie SAMSAS TRAUM und DAS ICH, was aber alles andere als schlecht ist. Viel interessanter als die Texte ist aber der Gesang, der diesen Seele einhaucht. Leider ist dieser nicht allzu toll geworden. Es ist einfach sehr wenig Druck in der Stimme und auch das Klangbild selbiger ist nicht wirklich der Hammer. Kompensiert wird dieses Manko jedoch duch üppigen Einsatz verschiedenster Gastsänger/-innen (u.a. NAGELFAR Sänger Jander), die alle wirklich einen Klasse Job gemacht haben. Sie verleihen der Musik ihren epischen Charakter. Bei gut fünf Minuten pro Lied ist dieser auch gut in Szene gesetzt. Bemerkenswert und fast schon einzigartig ist die Kombination aus experimentellen Exkursen und den monumentalen Arrangements.

Es ist eingentlich unmöglich, das Album beim ersten Hören in vollem Umfang zu genießen. Ich nehme mal an, dass diese viele Abwechslung einfach zu viel auf einmal für das Hirn ist. Erst nach sechsmaligem Hören befand ich mich in der Lage, ein einigermaßen brauchbares Review dafür zu schreiben. Aber ich mag Musik, in die man sich einhören muss sehr gerne, denn dann kann man davon ausgehen, dass es sich nicht um eine stupide easy-listening Platte handelt, sondern um ein mit Ernst und Hingabe eingespieltes Klangwerk.

Freunde von NAGELFAR werden nicht enttäuscht sein, ebensowenig wie Fans von authentischem, dunklem Dark Metal, der weder Schnörksel noch sonstige unnötige Feinheiten enthält. Wer jedoch auf richtig rohe Musik steht oder auf Gebrettere wird sich wohl nie mit SIMPLE EXISTENZ anfreunden können.

Jeder, der mal hören will, wie umfangreich ein Metalalbum sein kann, und wie die verschiedenste Elemente eingebaut werden können – und das in „nur“ gut 45 Minuten, der möge sich den 12.3.2010 rot im Kalender anstreichen. Für euch ist „Das Leben Vor Dem Tod“ ein Pflichtkauf. (Jannick)

Bewertung: 7,5 / 10

Anzahl der Songs: 8
Spielzeit: 43:49
Label: Ván Records
Veröffentlichungstermin: 12.03.2010  

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