Dream Theater - Black Clouds & Silver Linings

Mehrfach-Wertung der Redaktiondreamtheater_clouds.jpgAls ich ziemlich zu Beginn meiner Metalleidenschaft mit dem Namen DREAM THEATER konfrontiert wurde, die damals mit ihrem Debüt alle Kritiker zum Schwärmen brachten, hätte ich nicht gedacht, dass die Truppe einmal solch eine Karriere hinlegen würde. Wie so oft kommt eine Band erst mit ihrem zweiten Album bei mir an, aufgrund des Hits war es dann auch schwer ihnen aus dem Weg zu gehen. Nach einigen Querelen manifestierte man dann mit „Metropolis Pt. II“ zehn Jahre später die absolute Vorherrschaft im Progmetal.
Weitere zehn Jahre danach sind die New Yorker eine international in weiten Kreisen anerkannte Formation und eine der bedeutendsten Progressive-Acts aller Zeiten. Dabei sind ihre Scheiben immer noch für Überraschungen gut, sei es das arg heftige „Train Of Thought“ oder das retro gewandte „Six Degrees Of Inner Turbulence“. Nun dürfen die zahlreichen Fans wieder auf Entdeckungsreise gehen, denn mit Opus Nummer zehn „Black Clouds & Silver Linings“ steht ein Jubiläum ins Haus. Den Anlass ließ sich die NECKBREAKER-Redaktion nicht entgehen und nahm den Dreher genau unter die Lupe.

Zu aller erst fallen einem beim Betrachten der Scheibe die massiven Spielzeiten auf, gerade mal sechs Songs füllen die CD fast bis zum möglich Machbaren. Das könnte ein neuer Trend sein, denn immer mehr Prog-Formationen entdecken den Longtrack wieder, gerade kürzlich brachte es die polnische Hoffnung auf durchschnittlich 9 Minuten pro Song, bei den New Yorkern dauern sie gar noch länger. Eigentlich in Zeiten musikalischen Fast-Foods ein Risiko, doch jede Bewegung hat auch ihre Gegenbewegung, so dass es Leute gibt, die sich gerade gegenteilig lange mit einem Lied beschäftigen wollen. Und man erinnere sich an RUSH, denen damals mit ihrem Festhalten an überlangen Stücken der Durchbruch gelang.

Wer die Geschichte von DREAM THEATER verfolgt hat weiß, dass sie von Album zu Album eine stetige Veränderung durchleben ohne ihre Identität auch nur ein Stück weit zu verlieren. Neben dem weiteren Zugewinn an Spielzeiten fällt vor allem die auf dem Vorgänger „Systematic Chaos“ begonnene Hinwendung zu Thrashmetal-Riffs auf. Vor allem bei „The Shattered Fortress“ und dem recht eingängigen „A Rite Of Passage“ hackt John Petrucci etliche solcher Attacken raus, scheut dabei auch nicht vor moderneren Phrasierungen und rockigeren Akkorden zurück.
Ebenfalls keine Scheu vor neuen Ausdrucksmöglichkeiten hat auch Mike Portnoy, der beim instrumentalen Abspann des Openers „A Nightmare to Remember“ ein paar Blastbeats zum Besten gibt. Ungewöhnlich, aber bei dem Song durchaus passend. Somit zeigt nach dem gewollt kommerziellen „Octavarium“ und dem mit New Artrock-lastigen Vorläufer die Härtkurve wieder nach oben.
Aber auch der andere Pol wird bedacht, die typischen Stimmungswechsel kommen noch deutlicher zum Vorschein als zuletzt. Denn gerade wenn es ruhiger wird tönt der Fünfer opulenter, bombastischer als je zuvor, vieles reicht an SAVATAGE-Epik heran. So baut man bei dem ruhigen „The Best Of Times“, das Mike Portnoy seinem zu Beginn des Jahres verstorbenen Vater widmete echte Streicher ein und auch Jordan Rudess experimentiert vermehrt mit Keyboardorchestrationen.

Diese Entwicklungen zusammen spannen natürlich den Bogen zwangsläufig zu ihrer eigenen Vergangenheit, vieles könnte man so auch auf den beiden ersten Alben finden. Das gilt vor allem für das abschließende Epos „The Count Of Tuscany“, für mich der Höhepunkt des Albums. Ein großartiges Stück, welches sich langsam aufbaut, mit Zitaten an die Frühphase nicht spart um dann gut loszurocken. In der Mitte wird sehr ruhig mit warmen Synth- und Gitarrensoli, die ein wenig die Atmosphäre von PINK FLOYD atmen, bevor es zum wuchtigen Finale geht.
Bei der Nummer und bei „The Best Of Times“ werden auch wieder verstärkt Erinnerungen an RUSH offensichtlich. Früher taten die Musiker alles um Vergleichen mit den Kanadiern aus dem Weg zu gehen, jetzt scheint man sich damit arrangiert zu haben. Es ist auch schwer sich dem riesigen Einfluss dieser Institution zu entziehen. Diese neue Selbstverständlichkeit bringt auch eine leichtfüßigere Note in das Songwriting, die manchmal etwas gequält wirkenden Melodien können sich auf „Black Clouds & Silver Linings“ so gut entfalten wie schon lange nicht mehr.

Ich vertrete ja die Theorie, dass sich durch das Werk von DREAM THEATER ein roter Faden zieht, die Alben aber nicht in der richtigen Reihenfolge erschienen. Das neue Meisterwerk könnte als das Bindeglied zwischen „Images & Words“ und „Train Of Thought“ durchgehen, bisher sah ich „Awake“ und „Metropolis Pt. II“ in der Position. Qualitativ ist es nach den zuletzt nicht gänzlich überzeugenden Longplayern eine Steigerung, die Songs wirken geschlossener, die Übergänge fließender und trotz der Mammutspielzeiten nicht unzugänglich. Das Beste was seit eben „Metropolis Pt. II“ aus deren Lager kam. (Pfälzer)

Bewertung: 9 / 10


Anzahl der Songs: 6
Spielzeit: 75:27 min
Label: Roadrunner Records
Veröffentlichungstermin: 19.06.2009

Wertung der Redaktion
Brix Mika Holger Maik Reini Bernie Seb
7,5 9 8,5 9,5 8 8 8,5
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