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thinlizzy_stilldangerous.jpgIch denke nicht, dass man über THIN LIZZY noch große Worte verlieren sollte, jeder Rock – und Metalfan kann wohl etwas mit diesem Namen anfangen. Hier trotzdem noch mal in Kurzform: Die 1969 in Irland gegründete Band war anfangs stark vom Folk und Blues beeinflusst, erst mit dem vierten Album „Nightlife“ und der Hinzunahme von zwei Gitarristen schlug man rockigere Töne an, schaffte den Durchbruch und gab gemeinsam mit UFO dem aufkommenden Hardrock eine melodischere Note. Als weitere Parallele zu ihren Kollegen veröffentlichten beide 1978 auf dem Höhepunkt ein bahnbrechendes Livedokument, im Falle von THIN LIZZY „Live and Dangerous“ betitelt.
1983 kam das Ende der Formation, obwohl man sich nach schwächerer Phase mit dem für die damalige Zeit sehr harten „Thunder and Lightning“ gerade wieder berappelt hatte. Die Reunion scheiterte dann tragisch, weil Bandgründer und Hauptsongschreiber Phil Lynott am 4. Januar 1986 einer Überdosis erlag. Seit nunmehr zehn Jahren existiert die Band als Live-Truppe wieder, den Gesang übernahm Gitarrist John Sykes, neue Alben wird es aber nicht geben, man sieht sich als musikalische Nachlassverwalter. Bei aller Klasse des oben genannten Livemitschnittes muss man aber immer noch die Nachbearbeitung im Studio zu bedenken geben. Nun hat sich der zweite Mann an der Axt Scott Gorham daran gemacht, Aufnahmen von damals authentischer auf Scheibe zu bannen, heraus gekommen ist „Still Dangerous – Live at the Tower Theatre Philadelphia 1977“.

Diese wurde auf der 1977er Tournee aufgenommen von der auch die meisten Teile von „Live and Dangerous“ stammen. Allerdings stellt sich die Frage, ob es sich sogar teilweise um die selben Recordings handelt, denn einige Übergänge zwischen den Songs ähneln dem legendären Vorgänger doch gewaltig. Und auch die Ansagen bei „Dancing in the Moonlight“ sind identisch, aber der Blick auf die Credits sagt nein. Ein Beweis auch dafür wie gut die Formation damals eingespielt war.
Und kein Anzeichen von Einstudiertheit, hier wird ordentlich losgerockt, denn das ist der hörbarste Unterschied der beiden Alben. „Still Dangerous“ klingt wie es ja beabsichtigt war eine ganze Ecke rauer wie das 78er Werk. Das kommt vor allem „Jailbreak“ zugute, bei dem die Gitarren so richtig dampfen. Doch auch bei „Baby drives me crazy“ und „Me and the Boys“ machen Gorham und der zu der Zeit aktive Brian Robertson ordentlich Alarm, jammen viel und lassen eine Reihe Soli vom Stapel.

Ja, richtig gelesen, „Me and the Boys“, das eigentlich nur als Single –B-Seite bekannt ist, kommt hier zu Live-Ehren. Überhaupt könnten THIN LIZZY mal eine Compilation mit all ihren Non-Album-Tracks veröffentlichen, das wäre eine vernünftige Resteverwertung, Songs, die man sonst nur von den PRETTY MAIDS-Coverversionen her kennt. Weitere Überraschungen in der Setlist dieser Scheibe sind „Soldier of Fortune“ und „Opium Trail“ vom damals aktuellen „Bad Reputation“-Output. Natürlich ein besonderer Reiz, handelt es sich doch um das wohl beste Album der Mannen um Phil Lynott.

Die Nachteile liegen bei der wesentlich roheren Soundversion, bei der neben Gorham noch der renommierte Produzent Glyn Johns Hand angelegt hat. Im direkten Vergleich zum quasi Vorgänger fehlt die Ausgewogenheit, vor allem die Snare ist zu laut. Trotzdem hört man so direkt kaum Spielfehler, spürt aber die Energie, die auch einigen Photos im Booklet sichtbar ist.
THIN LIZZY wollen sicher nicht ihr Vermächtnis neu schreiben, denn allzu offensive Promotion für das Teil hier aufgrund der Authenzität könnte am eigenen Denkmal rütteln. Vielmehr sollte man es als einen Bonus zu den bereits bekannten Scheiben sehen, als ein ehrliches Tondokument, das eine Band auf dem Höhepunkt ihres Schaffens zeigt.

Wofür das Herz schlägt muss jeder für sich selbst entscheiden, ob ohne Overdubs oder nachgebessert. Man muss immerhin bedenken, zu der Zeit war das ein Topact, da spielten kommerzielle Überlegungen auch eine Rolle, die heute nicht mehr von Bedeutung sind. Sammler werden an dem Dreher ihre Freude haben, der geneigte Fan dürfte aber ohnehin alles besitzen und für Neulinge bietet das zu wenige Material keinen ausreichenden Überblick über das Gesamtwerk. Da sich hier Qualität und Sinn der Veröffentlichung doch sehr konträr gegenüber stehen, entfällt auch die Wertung. (MetalPfälzer)

 

Bewertung: - / -

Anzahl der Songs: 10
Spielzeit: 47:17 min
Label: Thin Lizzy Productions/Rough Trade
Veröffentlichungstermin: 06.03.2009

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