ayreon_01011001.jpgVier Jahre nach seiner letzten Metal-Oper „The Human Eqation" beehrt uns der Niederländer Arjen Lucassen endlich wieder mit einem neuen Output seines Stammprojekts AYREON. Die letzten Jahre nutzte er, um sich mit STREAMOF PASSION seiner Leidenschaft für Gothic-Metal zu widmen, was sich auch auf seinem neuen Werk niederschlägt. Bereits vor seinem letzten Album suchte er mit seinem STAR ONE-Projekt ebenfalls nach neuen Wegen. Und auch wenn er zu seiner angestammten Arbeit zurückgekehrt ist, so kann man sicher sein, dass es auf „01011001" wieder viel neues zu entdecken gibt. Denn wie schon gewohnt gibt es ein riesiges Arsenal an bekannten Gastmusikern zu bewundern, die sich alle in den Dienst der Sache stellen. Vielmehr hat er hier das vielleicht ambitionierteste Werk in Angriff genommen. Wahrhaft großer Prog-Metal erwartet uns, der alle bisherigen Alben von ihm zu einer kurzweiligen Reise in die von Ideenreichtum geprägte eigene Welt des „Weltraumpoeten" machte.

Science-Fiction war ja schon immer das inhaltliche Steckenpferd des Arjen Lucassen, und auch auf „01011001" gibt es eine sehr ambitionierte Storyline, die nicht mit Bezügen auf aktuelle Themen geizt. Dieses mal handelt der Plot von den „Forever", einer auf dem Planeten „Y" beheimateten Rasse, die aufgrund fortschreitender Degeneration ein neues Zuhause sucht. Dieses finden sie auf der Erde, wo sie sich in der entstehenden menschlichen Rasse wiederfinden. Doch leider nimmt der Verlauf der Evolution den selben wie der ihrer Spezies, so dass sie am Ende vor einer Entscheidung stehen.

Dies ist natürlich erst mal schwerer Stoff, dem man ohne Hilfe der Texte kaum folgen kann. Die handelnden Personen der Geschichte tragen aber bei diesem Projekt ihre eigenen Namen, und unterteilen sich in eben die Menschen und die „Forever". Auf der Liste finden sich neben fast allen bekannten holländischen Frontgrazien und namhaften Sängern der Prog-Szene mit Bob Catley (MAGNUM) und Steve Lee (GOTTHARD) zwei klassische Rockstimmen. Ganz interessant ist die Verpflichtung von BLIND GUARDIAN-Shouter Hansi Kürsch, dessen charakteristische Stimme Akzente setzt.
Bei den Instrumentalisten ist vor allem Derek Sherinian, bekannt von DREAM THEATER und ALICE COOPER zu erwähnen. Er weiß aber ebenso wie SYMPHONY X´s Michael Romeo seine Fähigkeiten dem Gesamtkonzept unterzuordnen.

Und wie es die Geschichte schon vermuten lässt ist „01011001" einiges düsterer ausgefallen als seine Vorgänger. Das macht sich schon im Keyboard-Sound bemerkbar, der nicht mehr die Spitzen von früher besitzt, nicht mehr in Fanfaren und schönen Flächen rüberkommt. Stattdessen flickern und pluckern die unheilvollen Soundschwaden durch den Raum, wirken akzentuierter. Eine ähnliche Entwicklung hat der Tastensound ihrer ehemaligen Labelgenossen von THRESHOLD in diesem Jahrzehnt durchgemacht, um mal einen Vergleich zu ziehen.
Eine weitere Veränderung ist die Straffung des Soundgerüstes, was durch die Zurücknahme von ausufernden Passagen bestärkt wird. Doch hier ist auch ein kleiner Knackpunkt des Albums, denn das ganze wirkt zu sehr in das Konzept gepresst, die Texte erschlagen die Musik schier.

Auf der ersten CD „Y" betitelt kommen Opern-mässige Chöre verstärkt zum Einsatz, wobei er mit der ganzen Riege Sängerinnen aus seiner Heimat auch die richtigen Leute dafür hat. Doch gerade bei den vielschichtigen Songs wie „Age of Shadows" oder „Liquid Eternity" wirken diese doch etwas überfrachtet.
Auf „Earth", dem zweiten Teil klingen Parts bei „The fifth Extinction", „Unatural Selection" und auch „The sixth Extinction" fast musicalartig. Phasenweise wechseln sich die Vokalisten  bei jeder Zeile ab. Dadurch leidet ein wenig die Eingängigkeit, vor allem weil die nach vorne treibenden Instrumente fast gen Limbo gedrängt werden.
Lucassen erstickt öfters seine brillante Musikalität und seine tollen Melodien schier, lässt ihnen keinen Raum sich zu entfalten. Was hat man gerade im Prog-Bereich nicht schon über Instrumentalisten geschimpft, die sich allzu sehr in Szene setzten, um zu zeigen was sie können. Im Falle des neuen AYREON-Drehers wäre ein paar zusätzliche Minuten Tasten - und Saitenzauber nicht schlecht gewesen, um den Hörer nicht mit der Story zu erschlagen.

Doch das ist das einzig negative was sich beim neuen Opus eingeschlichen hat, denn nach wie vor gibt es gerade bei den Longtracks wunderbare Melodiebogen und Harmonien zu entdecken. Dazu gesellen sich filigrane Arrangements, eine mitreißende, dichte Atmosphäre und treibende Metal-Riffs, die auch etwas düsterer phrasiert sind als gewohnt. Der vielschichtige Songaufbau, wirkt bei aller kompositorischer Reife immer noch frisch und spontan, man höre und genieße „Beneath the Waves" und „Newborn Race".
Ebenso stark präsentieren sich die aus anfängliche Tribal-Rhythmen immer mehr steigernde Rocknummer „Ride the Comet" sowie die anschließende Ballade „Web of Lies". Lucassens Faible für Folk scheint auch weiterhin durch, immer noch beeindruckend wie er diese von Flöten und Geigen geleiteten Nummern ins Gesamtkonzept integriert. „The Truth is here" oder „River of Time" erweisen sich trotz der völlig anderen Instrumentierung nicht als Fremdkörper.
Insgesamt wirkt das Werk auch homogener, es beschränkt sich nicht auf Lieder in jeweils verschiedenen Stilen, sondern vermengt diese vielmehr zu einem Ganzen. So kommen auch die reinen Synthesizer-Tracks etwas kürzer, weil die Parts in andere Songs eingearbeitet wurden. Lediglich das von Ty Tabor´s (KING´S X) soulig-warmer Stimme vorgetragene „Connect the Dot" sei da erwähnt. Doch das hat es in sich, den hymnischen Refrain, bei dem der Meister persönlich zum Duett dazustößt bekommt man nach einmaligem Hören zeitlebens nicht mehr aus den Hirnwindungen.

Insgesamt ein Werk, das Fans voll und ganz zufrieden stellen wird, auch wenn es an „Into the Electric Castle" und „The universal Migrator" nicht ganz heranreicht. Der Niederländer bewegt sich aber mehr denn je in seiner eigenen Welt, klingt vollkommen eigenständig und hat erneut einzigartiges geschaffen. Das liegt auch daran, dass die einzelnen Rollen nicht mehr längere Verse übernehmen, daher verfällt man kaum mehr in Vergleiche zu ihren Stammbands.
Man muss „01011001" allerdings auch mehr Zeit geben als den Vorgängern, da es sich einem nicht nebenbei erschließt. Grosses, intelligentes Kopfkino mit Anspruch, auf dem sich nach etlichen Durchläufen immer noch neues offenbart. Technisch wie immer absolut makellos in Szene gesetzt, ein wahres Klangerlebnis. Bleibt nur zu hoffen, dass sich Lucassen in Zukunft weniger verzettelt. (MetalPfälzer)

 

Bewertung: 8,5 / 10

Anzahl der Songs: 15
Spielzeit: 102:05 min
Label: Inside Out
Veröffentlichungstermin: 25.01.2008

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