Mitch Ryder - The Roof Is On Fire

Mitch Ryder hatte es als Musiker in seiner Heimat USA nicht leicht und war definitiv nicht gerade ein „Easy-Ryder“, obwohl 1965 jemand über den Mann aus Detroit sagte, „er ist einer der aufregendsten Sänger, die seit langer Zeit auf der Musikszene aufgetaucht sind." Dieses Lob stammte von einem gewissen Keith Richards.

Alte Menschen wie ich erinnern sich mit Euphorie an eines der abgefahrensten Konzerte der Musikgeschichte. „Live aus dem Rockpalast 1979“ präsentierte einen völlig zugedröhnten Mitch Ryder, der alle Konventionen ignorierte und eine ungezügelte Intensität an den Tag legte, die seinesgleichen sucht. Schon im Interview konnte er kaum dem Moderator Alan Bangs folgen, baggerte dessen Freundin an, beleidigte und provozierte das Publikum. Aber er ließ das Mikrofon nicht aus der Hand fallen, stöhnte, hauchte und schrie sich die Seele aus dem Leib; meist mit geschlossenen Augen. Schweißgebadet mit dem völligen Wahnsinn in den Augen zelebrierte er Rock` N Roll in Reinkultur. Seine „Liberty“-Schreie sind heut noch in meinem Ohr und er widerlegte sich selbst mit seinem grandiosen Song „Nobody White (Can Sing The Blues)“, denn er konnte und kann definitiv den Blues singen.

In der schnelllebigen USA gilt er als „Hero Without Honor“. Sein Einfluss im Blues-und Soulbereich war Anfang der Sechzigerjahre immens, aber er wurde lediglich auf seine Top Ten Hits „Jenny Got A Ride“ und „Devil With The Blue Dress On“ reduziert.

45 Jahre später ist der Protagonist nüchtern und immer noch „on Stage“. Aktuell tourt er gerade im Rahmen seiner 30th-Anniversary-Tour in seiner Künstlerheimat Deutschland, wo er stets verehrt wurde und auf eine eingeschworene Fangemeinde seit seinem Auftritt im Rockpalast zählen kann. In Europa und insbesondere Deutschland lässt er sich dabei seit Urzeiten von der aus Elite-Musikern bestehenden Bluesband ENGERLING aus Ost-Berlin begleiten. In Interviews merkt man ihm immer noch den Unmut an, dass er in seiner amerikanischen Heimat lediglich auf die ganz frühen Hits reduziert wurde. Zur Frage, warum er in seiner Heimat mit ENGERLING nie wirklich Fuß fassen konnte, erklärte er.“ "Weil Rock'n'Roll für Amerikaner nichts mit Kunst zu tun hat, sondern mit Jugend, Image, Sex. Mit Sehen, nicht mit Hören. Vom Talent her könnten Engerling ohne weiteres in Amerika auftreten. Unser Aussehen würde abgelehnt."

So steht der Mann aus Detroit mit seiner rauchigen dunklen Reibeisenstimme Stimme, die zwar nicht mehr so präzise wie früher ist und neuen Hüftgelenken auch mit fast achtzig Jahren auf der Bühne und zeigt immer noch eindrucksvoll, dass er den Blues, den Soul und den Rock`N Roll in sich trägt. Man sieht ihm an, dass er vom Leben gezeichnet ist, meist in schwarz gekleidet, mit schwarzem Hut und dunkler Sonnenbrille. Ich habe ihn am 01. März 2024 live in Saarburg erleben dürfen. Er musste auf die Bühne geführt werden. Ein kleiner, gebeugter Mann, der scherzte, er hoffe, man wolle ihn nach mehreren Rücken-Operationen nicht tanzen sehen, sondern singen hören. Oh nein, er ist kein Provokateur mehr aber wenn er die Stimme erhebt, oh Mann, dann erzittert auch heute noch ehrfürchtig der Saal.

Diese Spätphase der lebenden Legende dokumentiert sein neustes Live-Album, „The Roof Is On Fire“, das im Januar 2024 erschienen ist. Auch wenn das Mitch Ryder Konzert aus dem Jahr 1979 das Maß aller Dinge dokumentiert, ist „The Roof Is On Fire“ ein fantastisches Album mit einer grandiosen Begleitband, welche diese deutsch-amerikanische Freundschaft besiegelt. Auf dem Album befinden sich Songs aus dem riesigen Repertoire des Protagonisten, die in den Jahren 2019 und 2020 in Berlin und Bonn aufgenommen wurden. Bereits der Opener „Betty`s Too Tight“ oder „Tough Kid“ gehen ab wie die Hölle; nach vorne treibender Rock, geile Harp von „Boddi Bodack“ und geniale Slide-Parts. Die starke Emotionalität von „Freezing Hell“ ist beeindruckend. Die interpretierten Coversongs "Tuff Enuff" (FABULOUS THUNDERBIRDS), "Heart Of Stone" (ROLLING STONES), „Many Rivers To Cross“ (Jimmy Cliff), "Soul Kitchen" (THE DOORS) und "From A Buick 6" sowie "Subterranean Homesick Blues" (BOB DYLAN), macht er durch sein ungebrochenes Feeling und die Improvisationsfähigkeit seiner der überragenden Begleitband ENGERLING zu eigenen Stücken. Überhaupt taucht Mitch Ryder derartig emotional und essenziell in die jeweiligen Songs ein, dass er einen völligen Einklang mit diesen Ausnahmemusikern erwirkt.

Fazit: Wer den juvenilen, völlig durchgeknallten Mitch Ryder in absoluter Höchstform erleben möchte, sollte zu „Live AT Rockpalast 1979“ greifen. Wer aber großartige Musik einer gealterten Legende mit immer noch großer, Whiskey-getränkter Stimme erleben will, sollte sich als Anspieltipp „Soul Kitchen“ anhören und Jim Morrison würde empfehlen, bedenkenlos zu „The Roof Is On Fire“ greifen, oder mit den Worten des großen Philosophen Keith Richards:“ er ist einer der aufregendsten Sänger“; und das auch heute noch. (Bernd Eberlein)

 

Bewertung:

Ebi8,0 8 / 10

Label: Ruf Records
Anzahl der Songs: 15 auf 2 CDs
Spielzeit: 86:19 min
Veröffentlichungstermin: 16.01.2024

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