Pristine - The Lines We Cross

pristine thelineswecrossWenn man das Schaffen von PRISTINE die letzten Jahre verfolgt hat und die vergangenen Alben der Band noch zumindest etwas im Ohr hat, dann weiß man einerseits relativ genau, was einen erwartet und andererseits geht man auch fest davon aus, dass man am Ende nicht enttäuscht wird. Beides trifft auch auf das neue Album der norwegischen Band zu, das den Titel „The Lines We Cross“ trägt.

Verbotene Linien oder rote Linien übertritt die Band mit ihrem neuen Studioalbum definitiv nicht, dazu bleibt man sich selbst zu sehr treu, was natürlich kein Fehler ist. Trotzdem überrascht das Album gerade gegen Anfang und gegen Ende ein wenig. Die Band scheint im Vorfeld der Albumproduktion relativ viel LED ZEPPELIN gehört zu haben oder vielleicht hat man sich auch daran erinnert, dass man mal bei dem Metal-Label Nuclear Blast unter Vertrag stand, denn mit den ersten beiden Songs „Action, Deeds & Suffering“ und „Ghost With A Gun“ kracht man sozusagen ohne Vorwarnung durch die Decke. So dynamisch, energiegeladen und dreckig klangen PRISTINE meiner Beobachtung nach bislang noch nicht.

Das Thema des ersten Songs wird dann bei der Abschlussnummer „Instant Conclusion Decade“ nochmals aufgegriffen, ebenfalls ein Song, bei dem man sich festhalten muss.
Das kann man natürlich so machen und diese Dynamik trägt sicherlich dazu bei, dass die Band nicht auf der Stelle stehen bleibt, sondern um Abwechslung in ihrem eigenen Classic Rock Sound bemüht ist. Vor diesem Hintergrund stehen PRISTINE stilistisch einer Band wie SIENNA ROOT sicherlich näher als beispielsweise den BLUES PILLS, mit denen sie früher so gerne in einen Topf geworfen wurden.

Im weiteren Verlauf des Albums wird einem dann aber trotzdem wenig überraschend bewusst, dass Dynamik ja gut und schön ist, die Band aus Tromso ihre Stärke aber vor allem in den epischen und gerne auch mal ruhigeren Passagen hat. Das liegt ganz generell daran, dass die Stimme von Heidi Solheim, die ja nicht nur die Sängerin, sondern auch die treibende Kraft der Band ist, einfach besser zur Geltung kommt, wenn sie nicht gegen ihre eigene Band im Hintergrund ankämpfen muss.

Das fällt einem gut auf bei einem der Albumhighlights, das auf den Namen „The Loneliest Fortune (pt. 1 & 2)“ hört, die ersten fünf Minuten des Songs (Part 1) stellen eine klassische, emotionale Halbballade dar, die zweiten fünf Minuten (Part 2) rocken und rollen dann im frühen JETHRO TULL Stil mit Querflöte daher. Insgesamt wirklich eine tolle Nummer, wobei man sich schon die Frage stellt, ob es sinnvoll war, die beiden doch recht unterschiedlichen Teile nicht zu trennen.

„Stepping In To The Breach“ kommt danach etwas songdienlicher daher und hat einen gewissen 60er Jahre Hippie-Charme. Im Albumkontext ganz nett, was dadurch verstärkt wird, dass anschließend mit „Valencia“ und „Carnival“ zwei der besten PRISTINE Songs überhaupt folgen. „Valencia“ wirkt relativ ruhig, klingt aber nicht nach einer typischen Ballade und bei „Carnival“ ist es vor allem das hinzugezogene Orchester, das eine tragende Rolle spielen darf und definitiv den Unterschied macht. Spätestens in der zweiten Hälfte, wenn dieser Song vor Spannung zu explodieren droht, klingen PRISTINE nicht mehr nach einer Band aus einer kleinen norwegischen Stadt, sondern so groß wie eine Metropole.

„Sad Sack In A Cadillac“ kann danach nur verlieren, in meinen Ohren klingt diese kurze Nummer etwas nach Rockabilly, was mir nicht so besonders gut gefällt. Erschwert wird die Sache durch den verzerrten Gesang von Heidi Solheim und den recht modernen Sound.

Vielleicht mag es sich für die Band gut angefühlt haben, dass man jeden Song separat aufgenommen hat, im gesamten Kontext fehlt leider dadurch in Sachen Sound der rote Faden. Manches wie das bereits erwähnte „Stepping In To The Breach“ klingen nach retro und nach 60er und 70er Jahre und Songs wie eben „Sad Sack In A Cadillac“ klingen dann ziemlich modern.

Sehr cool ist dann wiederum die erneute Rückbesinnung auf die 70er im Titelstück „The Lines We Cross“, das ebenfalls eine sehr straighte Nummer ist, die ohne große Drehungen und Wendungen auskommt. Dass man sich dabei sehr von einem ganz bestimmten LED ZEPPELIN Riff und Groove hat beeinflussen lassen, kann man jetzt böse finden oder gerade noch so als legitime Inspiration durchgehen lassen.

„The Lines We Cross“ ist erneut ein starkes Album einer nach wie vor unterschätzten Band geworden. Vermutlich ist das Album künstlerisch wertvoller als die Alben davor, die etwas mehr vorhersehbarer gestaltet waren. Trotzdem gefallen mir im direkten Vergleich „Road Back To Ruin“ und „Reboot“ besser, weil die einzelnen Songs über die gesamte Albumdistanz besser waren. Auf dem aktuellen Album sind es insbesondere „Carnival“ und „The Loneliest Fortune (pt. 1 & 2)“, die ein Sonderlob verdienen. (Maik)

Bewertung: 

Maik 20168,0 8 / 10

Anzahl der Songs: 10
Spielzeit: 47:30 min
Label: Pristine Music Production
Veröffentlichungstermin: 27.01.2023

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