Andras Atlason - Atlantis

andrasatlason atlantisANDRAS ATLASON ist Sohn eines Färingers und einer Brasilianerin (beide klassische Violinisten) und wurde so in eine musikalische, mehrsprachige Familie hineingeboren. Diesen vielfältigen Hintergrund verarbeitet er nun in seinem neuen Album „Atlantis“, das ein liebevoll geschaffenes Gesamtkunstwerk aus Musik, Dichtung und Lithographie darstellt. Vertont hat er verschiedene Gedichte auf Färöisch und Portugiesisch, die auf dem Album immer abwechselnd aufeinander folgen. Dabei singt er nicht nur, sondern hat bei allen Songs Klavier, Keyboard und Bass eingespielt, beim abschließenden „Dorme“ spielt er auch Akustikgitarre und eine griechische Bouzouki. Daneben greift er auf eine ganze Riege internationaler Gastmusiker zurück.

Auf Atlasons Homepage ist dem Album eine ganze Seite gewidmet, auf der die Texte jedes einzelnen Songs wiedergegeben sind, zu jedem Stück ein YouTube-Link vorhanden ist und auch die für jeden Song eigens von Marius Olsen geschaffenen Lithographien sind hier abgebildet. Man bekommt also auch schon mal einen visuellen Eindruck des Albums und dieser Internetauftritt macht schon alleine optisch Lust darauf, dieses Album zu kaufen – und wenn es nur ist, um die Bilder zu betrachten und die Gedichte lesen zu können. Die meisten Songs des Albums wurden dabei schon im Laufe des Jahres auch als Singles veröffentlicht, in der Regel auch mit aufwendigem Video, was zeigt, wie viel Liebe zum Detail in diesem Werk steckt, das den Namen Gesamtkunstwerk wirklich mehr als verdient hat.

Schon die Optik dieses Albums ist so beeindruckend, dass man fast vergisst, dass ja eigentlich die Musik im Vordergrund steht. Und hier ganz besonders ANDRAS ATLASONs beeindruckender Bariton, der den Songs eine ganz besondere Note verleiht. Dabei fällt das Album sozusagen mit der Tür ins Haus, denn es beginnt mit dem Titelsong und startet sofort mit Gesang und musikalischem Thema, ohne erst Zeit mit einem Intro zu verschwenden. Da braucht man erst mal einen Moment, um hier reinzukommen.

Doch dann nimmt Andras Stimme einen gefangen und führt als Konstante durch dieses wechselhafte Album, bei dem man einfach nicht weiß, in welche Schublade man es stecken soll. Im Vordergrund steht natürlich Andras opernhafter Gesang, doch so richtig klassisch ist die Musik nicht, auch wenn man nicht umhin kommt die wunderschöne Orchestrierung der Songs zu genießen. Immer wieder schlägt der Folk durch, hin und wieder ist das Ganze auch jazzig vertrackt oder fast schon rockig angehaucht. Mir persönlich ist es fast schon ein wenig zu kunstvoll, es fehlt oft etwas an Eingängigkeit.

Mein absolutes Lieblingsstück, das ich auch in Dauerschleife hören könnte, kommt schon gleich zu Beginn des Albums. „Havið Sang“ ist eine Vertonung des gleichnamigen Gedichts von Hans Andrias Djurhuus, dem Andras, der das Album auch arrangiert und produziert hat, eine ganz neue Dimension verleiht. Hier kommt auch der rockige Anteil etwas an die Oberfläche, ja, es gibt sogar ein Gitarrensolo zu entdecken. Dafür ist „As Ilhas Afortunadas“ (Text von Fernando Pessoa) sehr ruhig geraten.

Das Volkslied „Droymdi Meg Ein Dreym Í Nátt“ wirkt durch viele Wiederholungen etwas einschläfernd – was ja perfekt zum Titel passt und hoffentlich vielen Hörern schöne Träume verschaffen wird. Und dann wird man von „Nos portões de Atlântida“ (Text: Alexandre Sugamosto) fast schon unsanft geweckt. Hier treffen Soundsamples auf Stimmengewirr, ein wild gewordenes Klavier auf eine metallisch angehauchte Gitarre im Hintergrund und insgesamt wird es sehr vertrackt und jazzig. Dieser Song ist wohl das beste Beispiel dafür, warum es so schwer fällt, diesem Album ein Label aufzudrücken.

Auch der nächste Song, „Krummavísa“, ein traditionelles isländisches Stück, zu dem ein düsteres Video in der Kathedralenruine in Kirkjubøur aufgenommen wurde, geht wieder in eine komplett andere Richtung und zeigt die musikalische Variabilität von ANDRAS ATLASON. Ein im Grunde ruhiger Song, der im Hintergrund aber dennoch ganz schön vertrackt ist.

Und trotz all dieser Vertracktheit, all dieser vielen musikalischen Stile, die man auf diesem Album findet (dazu kommen noch die verschiedenen Sprachen) schafft es ANDRAS ATLASON, das ganze wie eine Einheit klingen zu lassen – eine Einheit, in der man auch nach dem x-ten Hören immer noch etwas neues entdecken kann. „Atlantis“ ist sicher kein Album für jedermann, man muss sich schon darauf einlassen (können). Aber es ist ein künstlerisch anspruchsvolles, gelungenes Werk, das sich jeder, der offen für neues und viele verschiedene Einflüsse ist, einmal anschauen sollte. Nicht nur musikalisch, auch optisch und lyrisch ist dieses Album ein Genuss. (Anne)

Bewertung:

Anne7,5 7,5 / 10

Anzahl der Songs: 12
Spielzeit: 50:28 min
Label: Tutl
Veröffentlichungstermin: 13.10.2022

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