Yes - The Quest

yes thequestAls wäre derzeit nicht alles kompliziert genug, machen es die altehrwürdigen Prog-Götter noch undurchsichtiger. Bereits zum zweiten Mal in ihrer Karriere existieren von YES zwei Besetzungen, von denen die Formation um Jon Anderson, Rick Wakeman und Trevor Rabin die hoffnungsvollere schien. Nach erfolgreicher Tour bastelte man an einem Album, doch irgendwie verwarf man das Ganze wieder. Die Originalformation musste hingegen mit dem Tod von Bassist Chris Squire einen schweren Schlag hinnehmen, war er doch der einzige der immer bei der Band spielte. Dachte man, dass die Version um Steve Howe und Geoff Downes nur auf eine weitere Hit-Tour wartet, sind sie es, die ein neues Studiowerk auf den Markt werfen. Was kann "The Quest" nach dem enttäuschenden "Heaven & Earth" bieten?

Man orientiert sich in erster Linie mal zurück, und sucht sein Heil dort, wo man einst kreativer war. Natürlich fällt das Fehlen von Squire direkt auf, Billy Sherwood kann sein knarzendes Bassspiel nicht ersetzen, ob es unbedingt sein muss, steht ohnehin auf einem anderen Blatt. So fällt das einundzwanzigste Jubiläumsalbum etwas weicher aus, was natürlich die Hörer erst einmal an die jüngere Vergangenheit denken lässt. Zum Glück bringt gleich der Opener "The Ice Bridge" mehr von "Fly From Here" ein als vom direkten Vorgänger.
Man erkennt sofort den Kompositionstil von Geoff Downes, der mächtige Keyboardkathedralen errichtet, um welche Steve Howe viele Gitarrentöne streuen kann. Gemeinsam legen sie ein schönes Fundament für die schwebenden Melodien, wobei man nicht unbedingt YES-typisch agiert. Mit der Achtziger-Schlagseite ist das näher an Neo Prog-Acts wie MARILLION oder SAGA dran als am Werk der Briten. Das gilt auch für den Soloteil, in dem sich der Tastenmann und Sechssaiter gekonnt duellieren, aber nicht den Song aus dem Auge verlieren.

Mit einem weitern Siebenminüter beschließt eine weitere Komposition von Downes die Scheibe, wobei hier wie in der gesamte zweiten Hälfte ruhiger zu Werke gegangen wird. Jon Davison singt fast schon süßlich, die großen Momente kommen beim Satzgesang und Downes steuert mit der Orgel eher Vintage-Sounds bei, wie an anderen Stellen von "The Quest", etwa Mellotron und Piano in "Music To My Ears" aus der Feder von Steve Howe, einem ebenfalls sehr ruhigen Lied, da ist Howe an der Akustischen im abschließenden Downes-Stück präsenter.
Generell packt er oft die Klampfe aus, wie bei "Dare To Know", das er ebenso geschrieben hat. Hier darf zum zweiten Mal nach "Magnification" wieder ein Orchester ran, das in Nord-Mazedonien aufgenommen wurde und dem Stück ein interessantes Filmscore-ähnliches Flair verleiht. Wie sich Howe und das Orchester in der Mitte des Songs jagen ist schon meisterhaft arrangiert. Beim zweiten Lied mit klassischer Begleitung kann Howe mit einem schönen, warmen Lead-Thema glänzen, auch wenn die getragene Nummer von Sherwood stammt.

In der zweiten Zusammenarbeit von Sherwood und Davison steuert er auch die Steelguitar bei, die er einst auf "Going For The One" verstärkt einsetzte. Den Höhepunkt und längsten Track behält sich der in den letzten Jahren zur Triebfeder avancierte Gitarrenheld selbst vor. Feine Töne leiten ein, bevor sich die Synthesizer über eine ungewöhnliche rhythmische Basis erheben. Danach lässt es sich sehr sphärisch an und setzt eine Achterbahn der Dynamik in Gang, die auch mal jazzige Gefilde streift und viele mehrstimmige Arrangements bereithält. Obendrein beweist sich der Meister an der klassischen Gitarre und darf am Ende ausladend solieren.

Allerdings zeigt es auch wie sehr man die unterschiedlichen Songwritingmuster erkennt, was "The Quest" nicht homogen erscheinen lässt. Zu sehr verbindet man verschiedenen Phasen der Band, die trotz spannender Lieder nicht zu einer Einheit geformt werden können. So richtig auf die Retro-Schiene führt den Anhänger dann die zusätzliche CD oder vierte LP-Seite, die fast in den Sixties-Pop-Gefilden der Frühphase wildert. "Sister Sleeping Soul" und "Damaged World" sind sehr folkig gehalten und geben Downes die Möglichkeit sich an analogen Synthesizern zu beweisen. Und das beschwingte "Mystery Tour" stellt natürlich eine Verbeugung vor den BEATLES dar. YES sind sicher im Aufwind, sollten sich aber auf eine Linie einigen. (Pfälzer)

 

Pfaelzer7,0 7 / 10


Anzahl der Songs: 8 (CD1) / 3 (CD2)
Spielzeit: 47:37 min (CD1) / 13:41 (CD2)
Label: Inside Out
Veröffentlichungstermin: 01.10.2021

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