Michael Kiwanuka - Kiwanuka

michaelkiwanuka kiwanukaAls Sohn ugandischer Einwanderer wuchs der neue Stern am Soulhimmel in London auf, wo er als Jugendlicher Gitarre lernte und in verschiedenen Rockbands spielte. Im multikulturellen Schmelztiegel dieser Metropole entdeckte der junge Mann aber bald seine wahre Leidenschaft, den Soul der Sechziger und Siebziger. Nach ein paar Gehversuchen machte MICHAEL KIWANUKA 2012 mit seinem Debüt "Home Again" auf sich aufmerksam, bevor er vier Jahre später mit "Love & Hate" den großen Durchbruch schaffte. Mit einem coolen Cameo-Auftritt im großartigen "Yesterday"-Film weckte er auch das Interesse unseres Redakteurs. Der nahm sich nun das selbstbetitele dritte Album vor, welches so oft über die weitere Karriere entscheidet. Definiert hier jemand seinen Sound neu und öffnet dem Genre weitere Pforten oder lässt er sich vom in dort allgegenwärtigen Mainstream vereinnahmen?

Es ist definitiv anders geworden das neue Werk, und Kiwanuka tut da auch gut daran. Eine bloße Kopie des Vorgängers hätte niemanden genutzt, am wenigsten ihm selbst. Die Opulenz im Sound ist verschwunden, die langen, fließenden Passagen nicht mehr vorhanden, Longtracks gibt es ebenso wenig. Das lässt an den knappen, direkten Erstling denken, wo manches nicht ganz ausgearbeitet schien, doch genau damit seinen Charme entfaltete. Jedoch hat die neue Scheibe auch wieder ihren eigenen Charakter, der optimistischer, ja fast fröhlich wirkt. Damit ähnelt die Scheibe von der Stimmung dem, was LITTLE STEVEN mit seinen DISCIPLES OF SOUL auf Platte bannt.

Manche Chöre erinnern fast an Doo-Wops, welche der Springsteen-Sidekick ebenfalls gerne verwendet. Ohnehin orientiert sich der Brite klangtechnisch stark an den Sechzigern und Siebzigern, das edle Gewand, welches er auf dem Cover trägt ist aber kein Retrogewand, das er sich überstülpt. Vielmehr nimmt er den Faden auf und spinnt ihn in der heutigen Zeit weiter, postmodern im besten Sinne des Wortes. Das knarzt an ein paar Ecken, ist angenehm rau, ohne jetzt rockig auszufallen, waren die Synthesizer zuletzt schwebend, so sind sie nun stark verzerrt. Gleiches gilt für die Backgroundgesänge oder auch die Bläser, die oft verfremdet sind, ohne ihnen die Tiefe und Dynamik zu nehmen.

Wüsste ich nicht genau, dass Danger Mouse "Kiwanuka" soundmäßig betreut hat, so würde ich da den aus dem Rockbereich bekannten Dave Cobb dahinter vermuten. Speziell bei den Gitarren hört man das klar heraus, bislang holte er ab und an einen coolen Twang aus seinen sechs Saiten heraus, der wandelt sich hier zu Klängen, wie man sie vielleicht mal von Peter Frampton in "Show Me The Way" gehört hat. Nachzuhören im fordernden "Rolling" und noch mehr im großartigen "Hero".
Jene Nummer beginnt locker und akustisch, steigert sich dann in einen emotionalen, hypnotischen Sog und offenbart die afrikanischen Wurzeln. Jene erforschte jüngst auch Carlos Santana, der ein wenig in der Rhythmik des Openers "You Ain´t The Problem" durchklingt. Wo die Legende aber von Rick Rubin zu Tode komprimiert wurde, lässt die Nachwuchshoffung seine Lieder atmen. Wärmer und analoger strömt es da aus den Boxen, vielleicht nicht immer auf Zugänglichkeit gepolt, aber auf Authentizität.

MICHAEL KIWANUKA tut uns und sich selbst den Gefallen und denkt gar nicht daran, den Erfolg mit geschliffenem Klangbild zu erzwingen, wie es im zeitgenössischen R´n´B-Sektor üblich ist. Seine Ecken und Kanten lässt sich der Londoner, sein Hauptaugenmerk liegt auf seiner samtigen Stimme und seinen tollen, spannenden Kompositionen. Wie sein Timbre es in den teils sehr reduzierten Passagen schmelzen lässt, hat unheimlich viel Gefühl. Dann wiederum beweist er sich als gewiefter Arrangeur, Piano und Orgel setzen ihre Beiträge punktgenau und heben so den Song selbst noch mehr heraus.
Wenn es angebracht ist, erlaubt er Streicher, die in "Hard To Say Goodbye" fast Morricone zitieren, was wunderbar mit den tiefen Gitarren in dem Lied harmoniert. So kunstvoll wie Kiwanuka hat noch selten ein Musiker mit seinen Background-Kollegen interagiert, beinahe kommt das wie ein eigenes Instrument rüber. Ein Trademark, welches von "Love & Hate" übernommen wurde, ebenso wie der dick groovende Bass. In Sachen Spiritualität ist der phantastische Gospel "I´ve Been Dazed" jedenfalls unübertroffen, solche Kleinode kann nur dieser Mann erschaffen.

Was er in Zukunft noch erschaffen wird, lässt sich jetzt noch nicht absehen, aber seine Reise ist noch lange nicht zu Ende. Kaum vorstellbar, dass er es bei dem Sound belässt, dazu ist er viel zu offen im Umgang mit den Möglichkeiten. Seine Kreativität, sein begnadetes, lebendiges Songwriting werden immer neue Pfade erschließen. Die kommerziellen Möglichkeiten hat er indes verschenkt, was kein Beinbruch ist, der geneigte Soul-Hörer von heute wird "Kiwanuka" etwas sperrig finden. Doch solange er diese Qualität abliefert, wird es immer Jünger geben, die ihm folgen. Vielleicht hat er es auch wie Springsteen damals mit "Nebraska" gemacht und absichtlich den Sprung zum Superstar noch hinaus gezögert. (Pfälzer)
 

 

Bewertung:

Pfaelzer8,5 8,5 / 10


Anzahl der Songs:  13
Spielzeit: 52:01 min
Label: Polydor/Universal
Veröffentlichungstermin: 01.11.2019

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