Leprous - Pitfalls

leprous pitfallsLEPROUS sind zurück. Eine Weile hatte ich die Band fast aus den Augen verloren, da ich fast jede ihrer letzten Touren aus ganz unterschiedlichen Gründen verpasst habe. Mit dem neuen Album sollte es mir jedoch nicht auch so gehen. Hier habe ich mir extra Zeit eingeplant, da ich erwartet habe, dass ich doch einige Durchläufe brauchen werde, um das Album in seiner Gesamtheit zu erfassen. Und dann ist es mir so leicht wie noch nie gefallen, in das neue Material der Norweger einzutauchen. Und das trotz der durchaus komplexen Problematik, denn Sänger Einar Solberg verarbeitet in den Texten seine Depression.

Einen ersten Vorgeschmack hat man mit dem Opener „Below“, der vorab als Single einschließlich Video veröffentlicht wurde, bekommen. Schon hier deutet sich die Thematik der Scheibe an. Und auch die etwas geänderte musikalische Ausrichtung der Band. Schon beim letzten Album hatte ich gesagt, dass man sich darüber streiten kann, ob man das noch als Metal bezeichnet. Diese Frage kann man auch hier, vielleicht sogar noch berechtigter, stellen. Andererseits interessiert es mich jetzt überhaupt gar nicht, ob man das Metal nennt oder Rock oder Pop oder Synthie. Denn LEPROUS haben längst ihren ganz eigenen Stil gefunden und sind bei allem was sie tun, absolut authentisch.

Und wer sich bei „Below“ schon gefragt hat, ob das noch Metal ist, der wird bei „I Lose Hope“ völlig verzweifeln. Musikalisch erinnert das Stück eher an eine 80er Dancefloornummer und die beschwingt-fröhliche Musik stellt einen extremen Gegensatz zum Text dar, verstärkt dadurch jedoch die Dramatik. Einar läuft zur Höchstform auf und legt eine Gesangsperformance zum Niederknien hin. Wie schon auf dem letzten Album, so hat man ihm, bzw. seiner Stimme, auch auf „Pitfalls“ sehr viel Raum zugestanden. Oft steht sie weit im Vordergrund, schwebt über allem und die Instrumente dienen „nur“ zur Untermalung.

Dabei hat man gerade auch auf die Instrumentalfraktion sehr viel Wert gelegt. Mit an Bord sind auch wieder die Streicher Raphael Weinroth-Browne (Cello) und Chris Baum (Violine), die die Songs mit ihren harmonischen Einsätzen veredeln. Überhaupt hat man bei diesem Album keine Kosten und Mühen gescheut. Sogar ein klassischer Chor, aufgenommen in Belgrad, ist auf dem Album zu hören. Und doch klingt „Pitfalls“ nie abgehoben, sondern verfügt durchweg – trotz nicht wegzudiskutierender Progressivität – immer wieder über eingängige Passagen.

Seien es jetzt fast schon tanzbare Rhythmen in „By The Throne“ oder dem wunderschönen „Alleviate“, das als zweite Single bereits vorab veröffentlicht wurde. Hier präsentieren sich die Norweger wieder einmal von ihrer besten Seite. Während zu Beginn Einars Stimme im Vordergrund steht, gewinnen die Instrumente im Verlauf des Stücks immer mehr Raum und der Song steigert sich von schönen, sanften Melodien hin zum heftigen Refrain.

„At The Bottom“ ist sicher eines der progressivsten und sperrigsten Stücke auf dem Album. Und ist doch perfekt genau so, wie es ist. Ruhige, von Streichern untermalte Passagen wechseln sich ab mit dramatischen und harten Parts, die die innere Zerrissenheit des Sängers widerspiegeln. „Distant Bells“ ist im Gegensatz dazu sanft, so sanft wie man es auch auf „Malina“ schon des Öfteren hören konnte. Zärtliche Klavierklänge eröffnen den Song, darüber liegt Einars wunderschöne Stimme und das ganze wird dann durch die Streicher veredelt. Bis sich das Stück zum Ende hin immer mehr steigert und damit die perfekte Überleitung zu „Foreigner“ bildet, dem wohl härtesten und brutalsten Song des Albums. Hier beweisen LEPROUS, dass sie durchaus noch richtig hart rocken können. Und dass sich Härte, Progressivität und Eingängigkeit nicht ausschließen müssen. Das einzige Manko des Songs ist, dass er mit weniger als vier Minuten Spielzeit viel zu kurz ausgefallen ist. Definitiv einer meiner Favoriten auf dem Album.

Doch das Opus Magnum wartet noch am Ende auf den Hörer. Auf mehr als 11 Minuten Spielzeit bringt es „The Sky Is Red“. Und fasst in gewisser Weise das Album noch einmal zusammen. Hier findet man alles, was „Pitfalls“ ausmacht. Harte Gitarren, Breaks, wunderschönen Chorgesang, Streicher, Elektrosounds – und damit bildet das Stück den perfekten Soundtrack für den ganzen Schmerz, die Zerrissenheit und Unsicherheit, die jeden Menschen befallen können. „The Sky Is Red“ ist sicher der Song des Albums, der am schwersten zu verdauen ist, der die meisten Durchläufe braucht – aber er ist es auch wert. Er ist ein gelungener Abschluss des Albums und schafft es zugleich, alles, was man an positiven Gedanken aus dem Rest des Albums ziehen konnte, wieder zunichte zu machen, den Hörer mit die Tiefe zu reißen und betroffen zurück zu lassen.

Den Norwegern ist es wieder gelungen, ein fabelhaftes Album abzuliefern. Es ist zugleich beschwingter und leichter zugänglich, aber auch düsterer und einschüchternder als „Malina“. Und dennoch stellt es eine musikalisch nachvollziehbare Entwicklung dar. Einar Solberg hat sich gesanglich noch einmal gesteigert und liefert eine perfekte Leistung ab. Ich stehe ja eigentlich überhaupt nicht auf hohe Männerstimmen, aber Einar bildet da wohl die Ausnahme von der Regel. „Pitfalls“ ist ein Album, das jeder Progmetalfan einfach gehört haben sollte. Für mich eines der besten Alben dieses Jahres. (Anne)


Bewertung:

Anne9,0 9 / 10

Anzahl der Songs: 9
Spielzeit: 55:04 min
Label: Inside Out Music
Veröffentlichungstermin: 25.10.2019

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