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barrenearth acomplexofcagesBARREN EARTH werden ja gerne als Supergroup angekündigt, verstehen sich selber jedoch als echte Band. Dieser Argumentation kommt es ja fast schon entgegen, dass für Keyboarder Kasper Mårtenson, der die Band im Januar 2017 verlassen hat, nun der bisher eher unbekannte Antti Myllynen gewonnen werden konnte. Nichtsdestotrotz lässt sich das AMORPHIS-Erbe nicht verleugnen auch wenn man sich von Album zu Album mehr davon entfernt. Dass BARREN EARTH nicht nur ein Nebenprodukt vermeintlich gelangweilter Musiker ist, merkt man auch an der Schlagzahl, mit der die Alben veröffentlicht werden. Auf den Tag genau 3 Jahre nach „On Lonely Towers“ erscheint nun der Nachfolger „A Complex Of Cages“.

Vorab hat man bereits drei Singles veröffentlicht, die erste, „Further Down“ knüpfte dabei noch am ehesten an „On Lonely Towers“ an und machte Lust auf mehr. Das Album in seiner Gesamtheit ist jedoch eine deutliche Weiterentwicklung gegenüber dem Vorgänger, die vielleicht nicht jedem Fan schmecken wird. Und während beim Vorgänger das Album schon größtenteils fertig war, bevor Sänger Jón Aldará einstieg, so konnte er sich dieses Mal deutlich mehr in den Songwritingprozess einbringen – auch das hat Spuren hinterlassen. Zudem stammen fast alle Texte von ihm.

Aber erst mal ist das Album ziemlich sperrig. „The Living Fortress“ beginnt mit reichlich Synths und Spoken Words und einem langen, progressiven Intro, doch sobald Jón einsetzt, nehmen sich die Instrumente deutlich zurück und das Stück entwickelt sich zu einem ruhigen, schönen Opener. Das erste Highlight des Albums folgt auf dem Fuß. Das unterschwellig brutale und aggressive „Ruby“ wurde als dritte Singleauskopplung mit einem wunderbaren, düsteren Video ausgestattet, bei dem man mit geschickten Schnitten eines der Hauptprobleme, die ich bei diesem Album sehe, verdeckt hat: Auf „A Complex Of Cages“ überlagern sich Jóns Parts für Cleangesang und Growls ziemlich oft. Stellenweise klingt es, als würde er ein Duett mit sich selbst singen. Das klingt auf Platte natürlich super, aber ich frage mich, wie das live umgesetzt werden soll.

Auch das folgende „Further Down“ ist einer meiner Favoriten auf dem Album. Auch wenn das Stück mit seinem Ohrwurmrefrain fast schon einen Ticken zu eingängig ist. Aber spätestens der Überraschungsgrowl am Ende macht dieses Stück einfach großartig. Ganz ruhige Töne schlägt man dann bei „Zeal“ an, bei dem lange Zeit das Klavier das beherrschende Element ist, bis Jón mit abgrundtiefen Growls die Düsternis heraufbeschwört.

Insgesamt ist „A Complex Of Cages“ ruhiger als das Vorgängeralbum, aber nicht weniger dunkel. Das zeigen Songs wie „Scatterprey“, die mit ihren fast schon melancholischen Melodien, die aber auch gerne mal durch Blastbeats unterbrochen sein können, ganz eigene, trostlose Welten aufbauen. Viel Zeit lässt man sich beim Herzstück des Albums, dem über zehnminütigen „Solitude Pith“. Man gibt dem Stück Gelegenheit, seine Stimmung ganz langsam aufzubauen, Jón singt geradezu sanft, stellenweise beinahe dahingehaucht, nur um dann wieder extreme Growls hinterherzuschieben. Ich bin nach wie vor fasziniert davon, was dieser Mann alles mit seiner Stimme anstellen kann. Und dass er hier noch einmal anders singt als bei seiner Stammband HAMFERÐ. Gleichzeitig ist dieses Stück aber stellenweise geradezu verspielt, liebäugelt mit orientalischen Melodien, experimentiert mit Synths und kehrt immer wieder zu den Grundelementen zurück. Ich muss zugeben, dass dieser Song einige Längen hat, dafür aber aber auch viele wunderbare Momente.

Auch „Dysphoria“ gehört zu den eher ruhigen Songs, er ist sehr atmosphärisch, es gibt zumindest gefühlt mehr Cleangesang als Growls, auch wenn diese perfekt in die Melodien eingebettet sind. Im weiteren Verlauf nimmt das Stück immer mehr Fahrt auf, die Growls brechen sich immer mehr Bahn und auch die Gitarren treten weiter in den Vordergrund. Dennoch bleibt es alles in allem ein ruhiges Stück. Erst bei „Spire“ zieht man das Tempo wieder etwas an, dennoch hat der Song trotz Growls einen fast schon poppigen Refrain. Und ich muss gestehen, dass dies das Stück ist, das mit auf dem Album am wenigsten gefällt. Auch hier überlagern sich Growls und Cleangesang teilweise enorm, so dass ich mir nicht vorstellen kann, dass der Song in dieser Form live gespielt werden kann – es sei denn, man greift auf Einspieler vom Band zurück.

Aber dafür gibt es ja im Anschluss wieder ein weiteres Highlight. „Withdrawal“, das von der Band schon als Rockballade angekündigt wurde und zu dem es ein schönes, im Windpark oberhalb von Tórshavn auf den Färöern gedrehtes Video gibt. Ich gebe zu, dass ich mich mit diesem Stück zu Beginn schwergetan habe. Doch tatsächlich ist es ein überragender Song, bei dem Jóns sanfte Stimme durch eine sparsame Instrumentierung ganz bewusst in den Mittelpunkt gestellt wurde. Die wunderschönen Melodien transportieren die Stimmung des Stücks auf perfekte Weise. Aber es ist auch ein weiterer eher ruhiger Song.

Und ich kann durchaus verstehen, wenn langjährige Fans ihre Schwierigkeiten mit diesem Album haben oder es nicht mögen. „A Complex Of Cages“ ist eine deutliche Weiterentwicklung gegenüber „On Lonely Towers“, es ist ein schwierigeres, progressiveres und komplexeres Album. Im Gegensatz zum Vorgänger ist es nicht so leicht zugänglich und überzeugt nicht schon beim ersten Hören, bei manchen Songs dauert es eine ganze Weile, bis sie zünden. Man hat sich etwas von den Death Metal-Einflüssen wegentwickelt und auch das 70er-Jahre-Flair ist etwas verlorengegangen (lediglich bei „Solitude Pith“ kommt die Hammondorgel zum Einsatz, ist hier aber schon fast zuviel). Dennoch ist das Album sofort als BARREN EARTH erkennbar, „A Complex Of Cages“ ist eine logische Weiterentwicklung. Über weite Strecken ist es sehr düster und ruhig, man arbeitet viel mit atmosphärischen Elementen. Es ist anders, aber nicht weniger gut. Wenn man sich einmal auf „A Complex Of Cages“ eingelassen hat, in seine Songs eingetaucht ist, dann offenbart sich auch die Schönheit dieses Albums. (Anne)

Bewertung:

Anne8,0 8 / 10

Anzahl der Songs: 9
Spielzeit: 61:21 min
Label: Century Media
Veröffentlichungstermin: 30.03.2018

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